Wencke Schmid stellt mehr als Desserts her, ihre Torten sind deliziöse Kunstwerke. Und alles ist handgemacht.
In der kleinen Manufaktur an der Basler Oetlingerstrasse treffen Konditorenkunst und Bildhauerei aufeinander. Wencke Schmids Backwerke erfreuen nicht bloss den Gaumen, auch für das Auge sind sie eine Pracht. Jede Torte ist ein Unikat. Eine Komposition aus Farben und Formen, meist vergoldet und mit handmodellierten Figuren verziert.
Bevor die 46-jährige Deutsche zu Basels Koryphäe für Edelsüssigkeiten wurde, kam sie ziemlich viel herum und ging einigen ungewöhnlichen Broterwerben nach. Geboren in Berlin, zog Schmid mit ihren Eltern zuerst vom Osten in den Süden und dann in den Norden Deutschlands. Auf den Ostfriesischen Inseln erlernte sie das Konditorenhandwerk. «Aber das allein reichte mir nie ganz, ich wollte immer auch etwas Kreatives machen.»
1990 kam sie zum ersten Mal nach Basel, um sich beruflich weiterzuentwickeln. Als Grenzgängerin lernte sie unter anderem, koscher zu backen. «Mit 24 stellte sich mir dann die Frage: Mache ich jetzt den Meisterbrief oder ganz was Anderes?»
Es wurde ganz etwas Anderes. Im Ruhrgebiet liess sich Schmid in Grafik und Industriedesign ausbilden. Doch bald fehlte ihr da das Handwerkliche und das dreidimensionale Gestalten. 1995 blieb sie der Liebe wegen in Basel, genauer: in Rheinfelden, und arbeitete im Möbelverkauf.
(Bild: Richard Grell)
Das Torten-Trio
Als «Ausgleichssport» begann sie, für Freunde ihre süssen Kunstwerke zu gestalten. Manchmal präsentierte sie die Torten mit zwei Freundinnen und grossem Hallo. Zusammen waren sie «les trois beautés». Sie verkleideten sich und gaben sich Künstlerinnennamen. Schmid nannte sich – ihrem nordischen Charme entsprechend – «Carola Bommerlunder», die französische Freundin hiess «Nathalie Digestiv» , und die Italienerin im Bunde trugt den Namen «Isabella Mercedes Chianti».
So traten die drei Schönen auch ohne Torten auf: als Bardamen, die sich mit Hilfe eines Ghostwriters nicht die Geschichten der Gäste anhörten, sondern – umgekehrt – die Gäste mit ihren Erzählungen unterhielten. Unter anderem auch an vornehmen Adressen wie etwa dem «Trois Rois» oder den Swiss Indoors.
Süsses für die Welt
Von solchen Auftritten allein konnte Wencke Schmid freilich nicht leben. In Rheinfelden verdiente sie sich ihr täglich Brot teilzeit im Service. Ab 1999 begann sie, parallel dazu ihr eigenes Geschäft aufzubauen. Die Konditorei Wenckeschmid produziert heute Torten, Goldkuchen, Petits Fours (Torten im Kleinformat) und Spezial-Editionen. Und das, in Anbetracht der aufwendigen Produkte, zu sehr moderaten Preisen. Auch Events und Kurse sind im Angebot.
Über Mundpropaganda und Privatanlässe stieg die Nachfrage nach ihren Torten. Die Medien wurden auf die exklusiven Leckereien aufmerksam, und dann auch das Warenhaus Globus. Mittlerweile kennt man Wencke Schmids Petits Fours selbst in China und in den USA.
Diese Petits Fours sind inzwischen so beliebt, dass Schmid die Produktion an ein alteingesessenes Familienunternehmen auslagern musste. Auf Massenproduktion hat sie keine Lust, Rentabilität hin oder her. Lieber gibt sie ihr Know-how an Kursen für gross und klein weiter. «Einmal habe ich als Gastdozentin mit den Studenten des Instituts Hyperwerk sogar politische Themen in Backwerke umgesetzt.»
(Bild: Richard Grell)
Der Freude verschrieben
Wencke Schmid will Kulinarik und Kultur zusammenbringen. Dazu arbeitet sie in einem neuen Projekt mit der politisch engagierten Wiener Autorin Margret Kreidl zusammen. Es entstehen Gedichte über Gerichte.
Das alles bewältigt Schmid in einer kleinen Backstube, zusammen mit einer Teilzeitmitarbeiterin. Besonders einträglich ist es nicht, ihr buchstäbliches Tanzen auf vielen Hochzeiten. «Ich werde damit nicht reich, aber ich bin zufrieden», sagt sie ohne jede Bitterkeit.
So spricht eine Frau, die sich über das definiert, was sie tut. Nicht über das, was sie hat. Oder mit ihren Worten: «Wichtiger als ein fetter Gehaltscheck ist mir, das zu tun, was mir und anderen Freude macht.»