Die unglaubliche Verwandlung der Film-Hoffnung aus Reinach

Für «Goliath» mutierte Sven Schelker innert kurzer Zeit zum Muskelpaket. Am Donnerstag feierte der Film mit der Steroiden-Metamorphose des Schauspielers Premiere im Kultkino.

Für den Film auf der Bühne: Sven Schelker beim Fototermin am Filmfestival Locarno. (Bild: Keystone/Urs Flüeler)

Seine Metamorphose ist bemerkenswert. Für die Hauptrolle in Dominik Lochers Film «Goliath» pumpte sich Sven Schelker binnen weniger Monate zum Muskelpaket. Damals war der gebürtige Reinacher noch festes Ensemble-Mitglied am Thalia Theater Hamburg. Acht Stunden Proben und Aufführungen im Theater, zwei Stunden Training täglich – das fünfmal die Woche. «Diesen Aspekt der Arbeit legt man nicht ab, wenn man nach Hause geht. Das bestimmt den Alltag 24/7.»

Am Drehbuch von «Goliath» reizte Schelker, das er die Rolle auf körperlich durchdringen musste, nicht nur psychologisch, wie er es sich gewohnt war: Seine Verkörperung des Travestiekünstlers Röbi Rapp in Stefan Haupts Film «Der Kreis» brachte ihm an der Berlinale 2014 eine begehrte Auszeichnung für Nachwuchsschauspieler ein.

Es ergaben sich internationale Kontakte. Schelker, der mit seinen stahlblauen Augen und den blonden Haaren manchmal für einen Skandinavier oder Russen gehalten wird, konnte einen kurzen Auftritt in der amerikanischen Serie «Homeland» absolvieren.

Von Projekt zu Projekt

Trotz dieser Erfolge steht Schelker mit beiden Füssen auf dem Boden. Angeben liegt ihm genauso wenig, wie sich über die Zukunft den Kopf zu zerbrechen. Wo er in fünf Jahren steht, kann und will er nicht sagen. «Ich habe bewusst noch nie darüber nachgedacht.» Der 27-Jährige steckt sich keine Ziele, sondern blickt von Projekt zu Projekt.

In der Rolle des David hingegen verliert er in «Goliath» jede Bodenhaftung. Nachdem der werdende Vater und seine schwangere Freundin Jessy (Jasna Fritzi Bauer) in der S-Bahn verprügelt wurden, stürzt er in eine Krise. Obwohl sie das Gegenteil sagt, glaubt er, dass er sie hätte beschützen müssen. David igelt sich emotional ein und verliert sich mit einem zwielichtigen neuen Freund völlig im Krafttraining – inklusive illegaler Steroide.

Schelker spielt die Krise der Männlichkeit in dieser aus dem Alltag gegriffenen Geschichte mit emotionaler Glaubwürdigkeit und starker körperlicher Präsenz. Das Drehbuch wurde während der Dreharbeiten immer mehr verknappt, erzählt er über die Arbeit mit Regisseur Locher. «Wir merkten: Wir müssen das meiste, was erzählt wird, nicht sagen, sondern einfach spielen.»

Zusammen mit seiner Filmpartnerin und dem Regisseur improvisierte er monatelang vor Drehbeginn. Zum Beispiel die erste Begegnung des Filmpaars. Diese gewachsene Natürlichkeit spürt man nun auch im fertigen Film.

«Meine Band fehlt mir»

Auf die Frage, ob er ganz aufs Theater verzichten könnte, zögert Schelker und sagt dann: «Voll! Aber was ich das Schönste fände, wäre wenn Film und Theater sich in der Balance hielten.» Denn er merke, dass ihm das andere fehle, wenn er lange das eine mache. Auch ohne festes Engagement kann Schelker weiterhin noch Theater spielen. Während der Film neu und aufregend ist, gibt ihm die Bühne Halt.

Dort hat er auch sein Handwerk erlernt. Nach dem Musikgymnasium in Münchenstein besuchte Schelker die Otto-Falkenberg-Theaterschule in München. Im angesehenen Thalia Theater feierte er unter anderem als Mackie Messer in Brechts «Dreigroschenoper» grosse Erfolge. Das Schwierigste bei der Entscheidung für die Schauspielausbildung und den Schritt nach München sei es damals gewesen, seine Band Elephant Anthony zurückzulassen. «Das fehlt mir. Generell die Musik.»

Ansonsten fühlt er sich an der Elbe extrem wohl. Bald treibt ihn jedoch die Arbeit wieder in seine alte Heimat: Der Baselbieter soll in einem Schweizer Kinofilm den verschollenen Basler Umweltaktivisten und Ethnologen Bruno Manser verkörpern. Ab Oktober sind Dreharbeiten an Originalschauplätzen auf Borneo, in New York und in Basel geplant. Regie führt Niklaus Hilber, der bereits mit dem Teenager-Drama «Amateur Teens» Beachtung fand.

Bevor er von Locarno nach Zürich weiterreist, sagt Schelker über die alte Heimat: «Es ist immer ein sehr, sehr schönes Gefühl zurückzukommen.» Man glaubt ihm das gern. Doch gleichzeitig denkt man auch, dass dem bescheidenen Beau wenig Zeit dafür bleiben wird, wenn es mit der Karriere so weitergeht.

Donnerstag 30. November, 20.30 Uhr, Kultkino Basel: Premiere «Goliath» mit Regisseur Dominik Locher und Hauptdarsteller Sven Schelker.

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