Diego Simeone: Sein Wirken hat den spanischen Fussball verändert

Sein jüngster Sohn hat ihm allen Misserfolg der Welt gewünscht, doch Diego Simeone führt Atlético Madrid von Sieg zu Sieg. Er verliess seine Familie um seiner Leidenschaft nachzugehen. Er lebt damit vor, was er von seinen Spielern fordert: Intensität und Opferbereitschaft. Ein Porträt.

Geschätzter Kollege: Diego Simeone bevorzugt den Stil von Mourinho und weniger den von Pep Guardiola. (Bild: SERGIO PEREZ)

Sein jüngster Sohn hat ihm allen Misserfolg der Welt gewünscht, doch Diego Simeone führt Atlético Madrid von Sieg zu Sieg. Er verliess seine Familie um seiner Leidenschaft nachzugehen. Er lebt damit vor, was er von seinen Spielern fordert: Intensität und Opferbereitschaft. Ein Porträt.

Vor einigen Monaten war Diego Pablo Simeone in einer Talkshow. Zum Ende des Interviews gab es einen dieser Tests: ja – nein, entweder – oder. London oder Paris? Lange Haare oder kurze? Die delikateste Frage für den Trainer von Atlético Madrid: Guardiola oder Mourinho? Simeone überlegte keine Sekunde: Mourinho.

Sicher nicht die populärste Antwort; nicht in Spanien, wo der Ex-Trainer von Real Madrid bis auf Hardcore-Fans und Schlagzeilenjäger nicht viele Anhänger gewinnen konnte; erst recht nicht bei Atlético, wo alles inbrunstvoll verachtet wird, das irgendwie mit dem reichen Lokalrivalen aus dem vornehmen Norden der Stadt assoziierbar ist. Simeone freilich hat dem Arbeiterklub aus dem Süden schon so viel gegeben, dass er sich folgenlos auch zum Logenbesitzer beim Finalgegner in der Champions League erklären könnte – mindestens aber zu keinem Thema seine Meinung verhehlen muss.

Nimmt kein Blatt vor den Mund

Simeone hat immer eine klare Meinung. Er schätzt das offene Visier. Einst pflügte er kompromisslos durch das Mittelfeld, 106 Länderspiele für Argentinien, Meister mit Lazio Rom und 1996 auch mit Atlético Madrid. Heute gibt es bei ihm kein grösseres Kompliment als zu sagen: «Wir haben wie Männer gespielt.» Wenn er Mourinho gegenüber Guardiola bevorzugt, dann meint er also vor allem das, worum es einem, der sogar zuhause in seiner Wohnung in jedem Zimmer eine Taktiktafel stehen hat, eigentlich fast immer geht: den Fussball.

Schon als Spieler hat Diego Simeone alle Möglichkeiten genutzt:

Zwischen den zwei Basisoptionen des Spiels, den grundsätzlichen Stilschulen, die César Luis Menotti mal den «linken» und den «rechten» Fussball nannte, für die heute archetypisch Guardiola und Mourinho stehen, also Angriff, Ballbesitz und Passspiel einerseits, Disziplin, Physis und Konter andererseits, ist Simeone eindeutig positioniert. Er hat auch kein Problem mit dem taktischen Foul und einer toleranten Interpretation der Regelgrenzen. In gewisser Weise hat Simeone bei Atlético genau das Werk erschaffen, das Mourinho in seiner Zeit bei Real im Sinne hatte, aber nicht aus dem Labor lassen durfte, weil die Hausmarke dort nach künstlerischem Spiel verlangt.

Atletico Madrid's coach Diego Simeone (R) embraces captain Gabi after winning the Spanish first division title following their soccer match against Barcelona at Camp Nou stadium in Barcelona May 17, 2014. REUTERS/Albert Gea (SPAIN - Tags: SPORT SOCCER)

Streng genommen handelt es sich um eine Ansammlung von Aphorismen und Imperativen, die sich grösstenteils auf Charakter, Teamgeist oder Arbeitseinstellung beziehen und deren berühmteste Losung lautet: «Partido a partido» – «Spiel um Spiel». Simeone wollte damit vor allem vorschnelle Titelträume im Frühstadium der Saison verhindern, aber die Phrase ist längst zum Kult gereift und von ihm selbst zur Metapher auf das Leben erhöht worden. «Spiel um Spiel ist das Leben jeder beliebigen Person auf der Strasse. Wir sehen uns in vielen Leuten reflektiert, die jeden Tag aufs Neue kämpfen müssen, um durchzukommen.»



Atletico Madrid's coach Diego Simeone celebrates with players after winning the Spanish first division title following their soccer match against Barcelona at Camp Nou stadium in Barcelona May 17, 2014. REUTERS/Marcelo del Pozo (SPAIN - Tags: SPORT SOCCER

Die Spieler wissen, wem sie den Titelgewinn in der Primera Division verdanken. (Bild: Marcelo del Pozo)

Die Intensität und Opferbereitschaft, die er einfordert, lebt Simeone selbst vor. Den Job bei seinem europäischen Herzensklub übernahm er, obwohl seine Frau und seine drei Söhne in Buenos Aires blieben. «Ich habe mich von meiner Familie entfernt, um einer Leidenschaft zu folgen: meinem Beruf.» Der älteste Sohn ist selbst bereits Profi, bei River Plate, doch als er seinem Jüngsten sagte, er gehe nach Spanien, wünschte dieser ihm allen Misserfolg dieser Welt: damit er bald wiederkomme.

Danach sieht nun allerdings gar nicht aus. In Lissabon steht der Cholismus vor seiner Krönung.

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Champions League Finale 2014:

Real Madrid Atlético

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