Diese Frau haben Sie wohl noch nie gesehen, aber gehört haben Sie Prisca Hänggi bestimmt

Wie lange dauert es, alle Bus- und Tram-Haltestellen der ganzen Region nacheinander aufzuzählen? Prisca Hänggi weiss es. Sie hat es getan.

Hat sich an ihre eigene Stimme im Drämmli gewöhnt: Prisca Hänggi.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Prisca Hänggi ist die Frau hinter den BVB- und BLT-Durchsagen. Wir trafen die Stimme des ÖV für eine Fahrt im 17er.

Wie lange dauert es, alle Bus- und Tram-Haltestellen der ganzen Region nacheinander aufzuzählen? «Einen Tag lang», weiss Prisca Hänggi. Warum weiss sie das? Weil sie es getan hat:

Kommt Ihnen das bekannt vor? Genau, das sind Tramdurchsagen aus dem öffentlichen Verkehr Basels. Hänggi ist die Frau hinter dieser freundlichen Stimme, die Haltestellen ausruft und über Umsteigemöglichkeiten informiert.

Wir steigen mit Hänggi ins 17er-Tram. «Barfüsserplatz», sagt Hänggis Stimme aus dem Lautsprecher. «Ich habe meine Stimme für die Aufnahmen nicht verändert», sagt ihre Stimme im Hier und Jetzt. Die ÖV-Stimme klingt höflich und korrekt. In echt ist Hänggi viel quirliger.

Sie trägt einen farbigen Seidenschal, ist fröhlich und lacht herzlich. Dass ihre Stimme durch das Mikrofon ein bisschen anders klinge, sei aber möglich. «Die verschiedenen Studios arbeiten mit unterschiedlichen Mikrofonen und Techniken, da kann es leichte Unterschiede geben. Aber die Charakteristik der Stimme bleibt gleich», erklärt sie.

«Ich habe meine Stimme für die Aufnahmen nicht verändert.»

Wir fahren Richtung Ettingen, wo Hänggi wohnt und ihr eigenes Studio inklusive Produktionsfirma hat. Hänggi ist professionelle Sprecherin. Ihre Stimme ist in Fernseh- und Radiowerbungen, in Dokumentarfilmen, in Trickfilmen und eben im öffentlichen Verkehr zu hören.

Die meisten Aufnahmen kann sie in ihrem eigenen Tonstudio realisieren, auch mit Direktschaltungen in andere Studios: «Das ist eine grosse zeitliche Erleichterung. Vor allem als mein Sohn klein war, konnte ich so problemlos und effizient von zu Hause aus arbeiten.»

Trotzdem kann der Alltag stressig sein, denn oft kommen die Aufträge kurzfristig ins Haus: «Dass das Manuskript zu einem Auftrag einen Tag vorher reinkommt, ist längst nicht immer der Fall. Oft muss ich mich innerhalb von Minuten mit dem Text vertraut machen.»

Hänggi hat sich schon früh an ihre eigene Stimme auf dem Tonband gewöhnt: Mit Baseldeutsch und Aargauerdeutsch aufgewachsen, entdeckte sie im Alter von etwa zehn Jahren die Freude am Erlernen weiterer Dialekte. Um diese zu üben, nahm sie die eigene Stimme auf. Schon damals war ihr eine präzise Arbeit wichtig: «Ich habe mir die Aufnahmen jeweils angehört, daran rumgefeilt und wieder neu aufgenommen, bis es richtig tönte», erzählt sie.

In der Schule sei sie dann vom Theatervirus gepackt worden. «Doch wie es halt so ist, sollte und wollte ich zuerst einen ‹richtigen› Beruf lernen», sagt sie und schmunzelt. So machte sie eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete als Direktionssekretärin, bis sie mit 24 Jahren dann doch mit der Schauspielschule begann.

Schon als Mädchen übte Hänggi Dialekte.

Und so wird man dann professionelle Sprecherin? «Bei Sprechern werden grosse Flexibilität, Kompetenz, Kreativität und Zuverlässigkeit vorausgesetzt. Eine Schauspielausbildung ist da sehr hilfreich. Man kann das Sprechen aber auch ausserhalb einer Schauspielschule erlernen und sich um Sprecherjobs bemühen.»

In Hänggis Fall ergab sich diese Gelegenheit im ersten Studienjahr. Sie sollte für eine Sprecherin aus Bern einspringen und Durchsagen für ein Geschäft machen: «Mein erster Auftrag als Sprecherin war auf Berndeutsch», erinnert sie sich vergnügt. Dass sie als Kind fleissig Dialekte geübt hatte, zahlte sich aus und der Auftrag wurde zum Startschuss für die Sprecherin-Karriere. In den folgenden Jahrzehnten stand Hänggi sowohl auf der Bühne als auch hinter dem Mikrofon.



Prisca Hänggi: «Ich muss meine ganze Kreativität in die Stimme stecken, das gefällt mir.»

Prisca Hänggi: «Ich muss meine ganze Kreativität in die Stimme stecken, das gefällt mir.» (Bild: Hans-Jörg Walter)

Hinter dem Mikrofon der BVB stand sie zum ersten Mal im Jahr 2007. Bis anhin waren die Ansagen im öffentlichen Verkehr auf Schweizerdeutsch gewesen. «Doch das macht ja keinen Sinn, schliesslich ist Basel eine Grenzstadt», findet Hänggi. 2012 zog die BLT nach: Als 2012 der neue Tramtyp Tango eingeführt wurde, erneuerte das Verkehrsunternehmen gleichzeitig die Tramdurchsagen – Hänggi wurde auch von der BLT als hochdeutsche Sprecherin gebucht.

Seit sie selbst die Durchsagen im öffentlichen Verkehr spricht, achtet sie auch ausserhalb Basels auf die Stimmen in Verkehrsmitteln: «Wenn Durchsagen, wie zum Beispiel oft in ausländischen Zügen, oder in Flugzeugen, über ein schlechtes Soundsystem zu leise und unverständlich gesprochen werden, bringt das nichts», sagt Hänggi. Das sei schade, schliesslich diene die Stimme im öffentlichen Verkehr nicht nur der Information, sondern sei auch eine Visitenkarte der Stadt.

Sie versteht ihre Stimme als Visitenkarte von Basel – und fühlt sich «sehr geehrt».

Dass sie für Basel diese Visitenkarte sein darf, freut Hänggi: «Ich fühle mich geehrt, dass ich das machen darf», sagt sie. Und lehrreich waren die Aufnahmen auch. Denn wann kommt man sonst dazu, die Haltestellen der ganzen Region durchzulesen? «Ich musste damals Stationen lesen, von denen hatte ich noch nie etwas gehört», erinnert sich Hänggi.

Auch heute erfährt Hänggi nach wie vor aus erster Quelle, wenn es im ÖV-Netz Erneuerungen gibt: «Es kann immer neue Haltestellen oder andere Veränderungen geben – da müssen auch neue Aufnahmen gemacht werden.» Auch nebst dem ÖV-Netz sieht Hänggi ihre Zukunft im Tonstudio – die Tätigkeit als Sprecherin ist ihr Traumjob: «Ich kann kreativ sein und immer wieder Neues lernen, das gefällt mir.»

Während sie erzählt, ruft sie im Hintergrund ihren eigenen Wohn- und Arbeitsort aus: «Ettingen Bahnhof Endstation.» – «Daran habe ich mich gewöhnt», sagt die richtige Hänggi und lacht fröhlich.

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