Da hängt es, das Plakat mit den Worten «Skinny Fresh». Am Eingang zur «Kaschemme», wo der Basler Rapper sein erstes Album der Szene zeigen möchte. Ziemlich handgemacht sieht es aus, das Plakat. Draussen stellen sich rund 200 Hip-Hop-Fans in die Schlange, bereit, einen Zwanziger für Skinny Fresh zu bezahlen. Fast schon ein Freundschaftspreis.
Freundschaftlich geht es dann auch los. «Dave!», ruft einer enthusiastisch aus dem Publikum, als Skinny Fresh auf die Bühne tritt. Eigentlich deutet alles auf einen normalen Auftritt hin, wie man ihn in Basel schon des Öfteren erlebt hat. Ein lokaler Musiker halt, der vor Freunden und einigen Neugierigen, Skeptischen, oder mehr oder weniger Interessierten sein Bestes versucht.
Doch so ist dieser Abend überhaupt nicht. Denn dieser Skinny Fresh hat niemand Geringeren an seiner Seite als Rap-Urgestein Ives Irie von den legendären Delinquent Habits. Die kennt seit Mitte der 90er-Jahre die halbe Welt, als die amerikanischen Rapper ihren Hit «Tres Delinquentes» rausgehauen haben.
Jetzt also ein Gastauftritt mit dem 26-jährigen David Fretz aka Skinny Fresh. Und dann sagt Ives Irie, seit über 20 Jahren bei den Delinquent Habits, auch noch Sachen wie: «Skinny Fresh ist einer der besten MCs, die ich kenne.» Er wolle den Basler mit heim nehmen, nach Los Angeles, und dort mit ihm die kalifornische Rapszene aufmischen.
Viel Ehre also für Skinny Fresh. Das nähre natürlich das Selbstbewusstsein, sagt der Basler Rapper. Und Selbstbewusstsein, das fehlte ihm eine Zeit lang. Früher habe er sich durch negative Kommentare beirren lassen: «Selbst wenn nur eine einzige Person meinen Auftritt nicht gut fand, ging mir das sehr nahe.»
Basler Sprachenstress
Fretz ist mit Hip-Hop aufgewachsen. Als er zehn Jahre alt war, zog er mit seinen Eltern und den beiden Brüdern von Riehen nach San Diego, wo er in der Primarschule erstmals mit Tracks von Cypress Hill, Eminem oder eben den Delinquent Habits in Berührung kommt. Hip-Hop wurde seine Musik.
Ein Jahr später lebte er mit seiner Familie bereits wieder in Riehen. Geblieben ist die Liebe zum Rap. Fretz beginnt eigene Reime zu schreiben, Beats zu kreieren, Tracks zu entwickeln, die er mit seinem Bruder Lukas in dessen Studio im Keller aufnehmen kann. Seine Maturarbeit ist seine erste CD. David Fretz wird immer mehr zu Skinny Fresh.
«Wieso rappst du nicht auf Baseldeutsch?», schreibt jemand unter einen Facebook-Post von Skinny Fresh.
Passend zum Namen will er nicht auf Baseldeutsch rappen, sondern auf Englisch. Das sei schon immer so gewesen. «Bis ich 16 war, wusste ich gar nicht, dass es Mundart-Rap gibt», sagt Skinny Fresh.
Als Basler auf Englisch zu rappen, ist nun nicht gerade typisch. Manche in der Szene finden das sogar eher irritierend. «Du bist Basler. Wieso rappst du nicht auf Baseldeutsch?», schreibt jemand gehässig unter einen Facebook-Post von Skinny Fresh.
Doch Skinny Fresh sagt: «Ich bin sehr wohl Basler!» Und er sei stolz darauf. Ein Sprachenwechsel aber kam für ihn nie infrage. «Der Wortschatz ist im Englischen grösser und man kann mit der Sprache viel mehr spielen.»
Fasnacht auf der Tonspur
Den Baslerstab trägt Skinny Fresh vielleicht nicht ganz so offensichtlich auf der Zunge, aber im Herzen. Das zeigt er auch. Sein Song «Lights Out» wird von einer Fasnachtsclique mit Piccolo und «Drummle» begleitet. Und dies so, dass es auch auswärts, in Städten wie Prag oder Innsbruck funktioniert.
Seit 2014 tritt David Fretz unter dem Künstlernamen Skinny Fresh auf. Dann ist da noch Beatcauzo, sein Produzent, sein DJ Dani F und die Vokalistin und Rapperin Svmthox. Die «Skinny Fresh Crew». Woher der Name? «Wie man sieht, ich bin eher dünn.»
David Fretz lacht. Früher habe er sich immer wieder Fieses anhören müssen wegen seines Gewichts. «Eminem sagte mal: ‹Viele Rapper nehmen eine negative Eigenschaft und wandeln sie in einen Namen um.›» Daher Skinny. Und weil er wie Cypress Hill oder Delinquent Habits einen Doppelnamen wollte, fügte er Fresh hinzu.
Skinny Fresh. Einfach, einprägsam – und kurz nach seiner Schöpfung auch von Ives Irie persönlich abgesegnet. Denn kaum nannte sich David Fretz Skinny Fresh, lernte er sein Idol von den Delinquent Habits kennen. Beziehungen haben ihm ins Vorprogramm der amerikanischen Rapper verholfen, als diese Ende 2014 in Davos einen Auftritt hatten.
Von Freestyle zu Freundschaft
Als dann die Delinquent Habits an der Reihe waren, stand David Fretz unten im Publikum. Irgendwann gab Ives Irie ein Zeichen: Der Typ, der vor Fretz stand, soll doch auf die Bühne kommen. Dachten alle. «Doch als der zu Ives ging, schubste er ihn wieder herunter und zeigte auf mich!»
Er sollte auf die Bühne, Skinny Fresh. Mitten ins Scheinwerferlicht, rein ins kalte Wasser. «Wir machten Freestyle, was ich vorher noch nie vor Publikum gemacht habe.» Nach dem Auftritt habe ihn Ives Irie gelobt und so habe nicht nur eine Zusammenarbeit unter Musikern begonnen, sondern auch eine Freundschaft.
Es folgen diverse Kollaborationen, gemeinsame Tracks und Auftritte. Im letzten Frühling wird Skinny Fresh Support-Act bei der Europa-Tour der Amerikaner. «Das, was ich alles mit Delinquent Habits erleben durfte, ist mehr, als ich mir jemals erträumt habe», schwärmt er.
Diesen Stolz kann ihm niemand mehr nehmen, selbst falls es jetzt nicht mehr weiterginge mit der Musikkarriere. Doch um die steht es gerade bestens. Skinny Fresh veröffentlichte Anfang Januar mit «The Millennials Tape» sein erstes Album. Ein Album für seine Generation. «Wir haben in der Kindheit alle Old School Rap gehört. Aber keiner von uns macht selber solche Musik», erklärt Fretz. Genau das ist sein Ding: Rap, den er als Kind bewunderte, neu interpretieren. An der Schwelle sein zwischen Old School und New School.
Als nächstes müsse er sich um die Verbreitung seines Albums kümmern. Skinny Fresh muss Auftritte organisieren, Musikproduzenten und Radiosender kontaktieren, sein Netzwerk ausweiten – eine Fanbase in Basel aufbauen.
Zudem plane er eine EP mit Ives Irie. «Es ist noch nichts sicher, aber wir sind oft in Kontakt», so Fretz. Eine Platte mit den Delinquent Habits aufnehmen – es würde ein weiterer Kindheitstraum in Erfüllung gehen. Und wer weiss schon, wo ihn seine Musik und seine berühmten Freunde noch überall hintragen?