Gleich beim Eingang begrüsst ein roter Schädel die Gäste. Ein zusammengerolltes Insekt und ein sympathischer, mit Pailletten besetzter Schweinekopf sind hier ebenfalls zu Hause. In der Altbauwohnung des Künstlers Javier Puertas im St. Johann tummeln sich skurrile Wesen. Nebst Installationen und Collagen gehören auch die Tiere aus Ton und Pailletten zu seinen Spezialitäten. «Das ist meine Erfindung», erklärt der 42-jährige Plastiker. «Während meiner Zeit beim Theater Basel habe ich immer wieder daran herumgetüftelt.»
Theaterbesucher sind immer wieder auf Werke von Javier Puertas gestossen. Der Mexikaner baute nämlich während zehn Jahren an den Kulissen mit. Die aufwendigste war diejenige für die Wagner-Oper «Der fliegende Holländer». Aus einem hölzernen Gerüst zauberte Puertas ein opulentes Geisterschiff. «Wir brauchten etwa drei Wochen dafür», erinnert er sich. Auch mit dem Regisseur Calixto Bieito, der zum Beispiel mit der Oper «Don Carlos» für Wirbel sorgte, werkelte er an ausgefallenen Bühnenbildern und Requisiten.
Mexikanische Handarbeit für Hollywood-Kassenschlager
Aufgewachsen ist Puertas in Mexiko-Stadt. Nach der Schule absolvierte er keine künstlerische Ausbildung, er war stets als Autodidakt unterwegs. Dabei war ihm seine Familie behilflich. Seine alleinerziehende Mutter studierte plastische Kunst, sein Onkel Prando Pedronni war als Performance-Künstler unterwegs. Er war es auch, der ihm das kreative Schaffen schmackhaft machte.
In einem alternativen Kulturzentrum konnte der junge Puertas seine ersten Werke ausstellen. Daneben schlug er sich mit Teilzeitjobs durch und bastelte Piñatas für Kinderfeste. Schliesslich fand er Arbeit bei einer Firma, die sich auf Spezialeffekte spezialisierte.
Später belieferte er als Plastiker auch die Hollywood-Studios. Ohne den Nachbarn Mexiko, wo Materialien und Produktion billiger sind, wären viele Requisiten aus der Traumfabrik anders herausgekommen: «Schon die Macher der ersten King-Kong-Figur waren zwei mexikanische Brüder», sagt Javier Puertas. «Bis heute gibt es in Mexiko viele selbstständige Plastiker.»
Er selber schuf Details für mehrere Filme, so etwa für «Die Maske des Zorro» und «Titanic». So stammt etwa die Golduhr im Salon des Luxusdampfers von ihm. Zusammen mit Arbeitskollegen fertigte er sie nach einem historischen Vorbild aus Styropor an, ebenso mehrere Blumenornamente aus Gips. Die Uhr ist im Film gut zu sehen, im Gegensatz zu den Blumen: «Ich habe mir den Film schon mehrmals angeschaut – meine Ornamente konnte ich aber nie entdecken», erzählt Puertas lachend.
Vom Alien-Park zur Opernbühne
Nach einem Aufenthalt in Madrid empfahl ihm vor 17 Jahren ein Bekannter, Arbeit in der Schweiz zu suchen. Sein allererster Auftrag hier hatte es in sich: Er gestaltete in einem Atelier den Maya-Pavillon des «Mystery Park» in Interlaken. Für diese Arbeit im Themenpark des umstrittenen Ufo-Autors Erich von Däniken hatte er gute Karten: Ein Plastiker, dessen Herkunft eine Nähe zum Thema suggerierte – damit konnte er punkten.
Für das Innere der Pyramide fertigte Puertas Kopien von Skulpturen aus der mexikanischen Ruinenstadt Chichén Itzá an. Nicht nur die Maya, sondern auch andere «Astronauten» aus altamerikanischen Kulturen fanden darin Platz. «Ich war überhaupt nicht begeistert von diesen Theorien», gesteht Puertas im Nachhinein.
Rückblickend lohnte sich aber die erste Arbeit in der neuen Heimat: Er konnte wenige Jahre später nämlich ganz woanders Fuss fassen – das Theater Basel wurde auf ihn aufmerksam und stellte ihn als Bühnenbildner an.
Zehn Jahre danach wagte Puertas den Versuch, sich auf eigene Faust durchzuschlagen, so etwa mit Auftragsarbeiten und Workshops. Schon bald stellte er fest, wie hart das Terrain in der Kunststadt Basel ist, besonders für jemanden, der keinen Kontakt zu Kunstschulen und grossen Galerien hat. «Es ist schwierig, in die Szene reinzukommen», sagt er. Daher liess er sich zum Licht- und Tontechniker weiterbilden und fand eine neue Anstellung im Zürcher Opernhaus.
«Irgendwas mit Totenköpfen»
Zugleich zeigt er immer wieder Ton-Plastiken, Collagen und Installationen, die in seinem Basler Atelier entstehen. Schon über 20 Ausstellungen hat er in der Schweiz organisiert, sowohl allein wie auch in Künstlerkollektiven. Oft arbeitet er mit Enrique Hernández zusammen, einem anderen mexikanischen Künstler, den er hier in Basel kennengelernt hat.
Auch wenn Javier Puertas schon seit 17 Jahren in der Schweiz lebt, dringt die politische Situation in Mexiko immer wieder in seinen Werken durch. Früher waren es Collagen, die vom Aufstand der Zapatisten in Chiapas inspiriert waren. Letztes Jahr war es in einer Ausstellung des Kollektivs «Dr. Kuckucks Labrador» ein Schädel, der in einer Tüte hing – eine Anspielung auf die Opfer des grausamen Drogenkriegs.
Vorbilder sind für ihn die mexikanischen Muralisten und Frida Kahlo, aber auch Jeff Koons. «Meine Kunst ist ein bisschen Kitsch», sagt er ganz direkt. Nicht zufällig trug seine erste Ausstellung in Mexiko-Stadt den Titel «Hommage an den Kitsch». Dabei ist er sich bewusst, dass hier bestimmte Stereotype auftauchen. «Farbig, Folklore – und irgendetwas mit Totenköpfen – so ist oft das Image der mexikanischen Kunst», sagt er selbstironisch.
Ähnliches gelte auch für Frida Kahlo. Seinem Bruder, ebenfalls Künstler, missfalle die «Fridamanía», da sie zu sehr die Mexiko-Klischees bediene. Javier Puertas sieht das etwas lockerer: «Das kommerzielle Phänomen war schliesslich nicht die Schuld von Frida.» Er respektiere sie vor allem als eine Frau, die sich in der männerdominierten Branche durchsetzen konnte. «Sie ist ein Symbol für die Kämpfe gegen den Machismo in der Kunstwelt.» Diese resolute Art sei auch für ihn immer ein Vorbild gewesen – etwa dann, wenn es darum ging, sich auf eigene Faust als Künstler behaupten zu müssen.
Die nächste Ausstellung von Javier Puertas findet in Zusammenarbeit mit dem Kollektiv Flor Imperial ab 27. Oktober in der alten Zollhalle beim Bahnhof St. Johann statt. www.javierpuertas.com