Eine Frau auf der Lauer

Wanzen sitzen an weit mehr Orten als auf der Mauer. Auch in Basel sind sie überall zu finden. Insbesondere unter Anleitung der Wanzenexpertin Denise Wyniger während eines abendlichen Wanzenrundgangs am 18. September.

Denise Wyniger ist fasziniert von Wanzen. Mit einer Wanzenexkursion will sie ihre Begeisterung für die ansonsten wenig geschätzten Tiere weitergeben. (Bild: Hans-Joerg Walter)

Wanzen sitzen an weit mehr Orten als auf der Mauer. Auch in Basel sind sie überall zu finden. Insbesondere unter Anleitung der Wanzenexpertin Denise Wyniger während eines abendlichen Wanzenrundgangs am 18. September.

Denise Wynigers grosse Leidenschaft sind Wanzen. Wann immer das Gespräch auf die oft wenig geschätzten Insekten kommt, gerät die Entomologin ins Schwärmen. Fasziniert ist sie etwa von deren Vielfältigkeit: «Viele wissen gar nicht, dass auch Wasserläufer zu den Wanzen gehören. Wanzen besiedeln sogar das offene Meer. Das hat keine andere Insektengruppe geschafft.»

Und Wyniger erzählt und erzählt: Manche Wanzen graben Löcher, andere machen Geräusche, indem sie mit ihrem Rüssel über waschbrettartige Strukturen an ihrer Brust streichen. Manche kümmern sich liebevoll um den Nachwuchs, etwa die Elasmucha grisea. Sie lebt auf Birken, bohrt dort ihren Jungen fürsorglich Loch um Loch auf den Blättern vor. Der Nachwuchs tritt folgsam im Gänsemarsch an und tut sich mit seinen kleinen Saugrüsselchen am Pflanzensaft gütlich. 

Stadtrundgang «Wo die Wanzen tanzen»
Donnerstag, 18. September, 18.00 Uhr
Mit der Entomologin Denise Wyniger lassen sich Orte entdecken, an denen kaum jemand Wanzen vermuten würde.
Treffpunkt: Eingang Naturhistorisches Museum Basel, Preis: 7.–/5.– Franken.
Keine Anmeldung nötig.

Spezialisiert auf 15 000 Wanzenarten

Es ärgert Wyniger, wenn Leute mit Wanzen höchstenfalls verbinden, dass sie stinken oder ihnen die Beerenernte geschmacklich verderben. «Falls ich mal eine bittere Brombeere erwische, dann freue ich mich, dass sie so intensiv nach Palomina prasina (Grüne Stinkwanze, im Bild) schmeckt. Das ist doch toll, dass man die sogar schmecken kann!» Meist muss sie nur ein paar Blätter des Strauches umdrehen – und schon sitzt da die Urheberin des Geschmacks. 

Gut getarnt: die Grüne Stinkwanze (Palomena prasina)

Gut getarnt: die Grüne Stinkwanze (Palomena prasina)

Weil Wyniger mit ihrer Vorliebe für Wanzen immer wieder auf Unverständnis stösst, will sie nun den Baslern diese winzigen Tierchen näherbringen. Da kommt es ihr zupass, dass sie am Naturhistorischen Museum arbeitet. Dort organisiert sie auch das Chillen im Museum

Am 18. September aber plant sie etwas ganz anderes: eine Wanzenexkursion. Jeder, der will, kann sich anschliessen. Dabei wird es um die in der Stadt in rauen Mengen zu findenden Weichwanzen gehen, Wynigers Kernthema.

Bei 40’000 beschriebenen Wanzenarten ist Spezialisierung ein Muss. Dabei hat sich Wyniger mit den Weichwanzen nicht gerade das kleinste Spezialgebiet ausgesucht, denn auch davon gibt es gemäss Wyniger immerhin noch 15’000 beschriebene Arten.



Weichwanzen sind überall in der Stadt zu finden. Ob sich sie rund 14'000 Arten allesamt in diesem Busch verstecken?

Weichwanzen sind überall in der Stadt zu finden. Ob sich sie rund 14’000 Arten allesamt in diesem Busch verstecken? (Bild: Hans-Joerg Walter)

Sie auseinanderzuhalten und korrekt zu bestimmen erfordert sehr viel Erfahrung. Unter dem Binokular untersucht die Entomologin die Wanzen, die sie von ihren Exkursionen mitbringt, auf Unterscheidungsmerkmale. Und da sich nicht wenige Arten nur anhand ihrer Genitalien unterscheiden, verbringt die Entomologin etliche Arbeitsstunden auch damit, Wanzenhinterleibe so lange in Kalilauge zu kochen, bis das Weichgewebe entfernt ist und nur die Genitalien übrig bleiben. 

Dass dieser Teil ihres Jobs Aussenstehende durchaus schräg anmuten mag, weiss Wyniger durchaus. Aber sie hat keine Wahl, nur auf diese Weise kann sie sicher gehen, dass die Wanzen, die sie gerade bestimmen will, eine Variation einer bekannten oder doch eine neue Art sind.

Sind die Wanzen bestimmt, werden einige Exemplare davon vorsichtig auf winzige Kartonecken geklebt und fein säuberlich beschriftet in den Museumsschubladen versorgt.

Auf Wanzenexkursion

Beim Wanzenrundgang jedoch wird die Kalilauge aussen vor bleiben. Dafür geht Wyniger mit den Teilnehmern und ihrem Klopfschirm auf Wanzenjagd. Pflanzen, auf denen sie Wanzen vermutet, werden kräftig mit dem Stock bearbeitet und der darunter gehaltene Schirm fängt die herunterrieselnden Insekten auf. Alles, was Wanze ist, wird dann zur Sicherung der Ausbeute mit dem Exhaustor angesaugt, einem mit Ansaugschlauch versehenen Glasröhrchen. Der Rest wird einfach aus dem Schirm geschüttelt und in die Freiheit entlassen.

Die eine oder andere auf diese Weise erbeutete Wanze wird später vielleicht der Wanzensammlung des Museums einverleibt. Aber erst, nachdem Wyniger den Teilnehmern eine Menge über ihre Lebensweise nahegebracht hat. Ihre Begeisterung für Wanzen weiterzugeben fällt Wyniger nicht schwer. «Ich will einfach zeigen, wie vielfältig die Natur um uns ist. Man muss nur hinsehen», sagt sie. Auch mitten in Basel wimmelt es von Wanzen. Man muss bloss wissen, wo man suchen muss.

Nächster Artikel