IT-Unternehmer in höheren Diensten

Dominik Stankowski lebte die vergangenen acht Jahre in Kambodscha. Und baute dort aus dem Nichts ein erfolgreiches IT-Unternehmen auf, in dem er Nachhaltigkeit und Erfolg vereint. Und dabei auf Gott vertraut.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

«Ich komme gleich, bin gerade noch in einem Call», sagt Dominik Stankowski bei der Begrüssung und eilt in grossen Schritten zurück ans Telefon. Am anderen Ende der Leitung sitzt seine Geschäftsleiterin in Phnom Penh, Kambodscha. Fast täglich telefoniert er mit seinen Angestellten am anderen Ende der Welt.

Erst sei ein paar Monaten ist Stankowski (38) selber wieder zurück in Basel, wo er auch aufgewachsen ist. Davor lebte er mit seiner Frau und den beiden Kindern acht Jahre in Kambodscha, ein Rest der asiatischen Bräune liegt immer noch auf seinem Gesicht, dem breiten Kinn und der grossen Nase.

Geplant hatte er das alles nie. Als er mit seiner Frau 2008 das Flugzeug nach Kambodscha bestieg, wollte er zwei Jahre dort bleiben und in einem christlichen Entwicklungsprojekt als Softwareingenieur arbeiten – ein Beruf, den er zuvor in der Schweiz mehrere Jahre ausgeübt und studiert hatte.

Vor Ort verfiel er innert kurzer Zeit dem Land und den Leuten, war jedoch nicht glücklich mit seinem Einsatzprojekt. Über Nacht entschloss er sich mit seiner Frau, den Aufenthalt in Kambodscha zu verlängern und ein eigenes IT-Unternehmen zu gründen. So entstand Web Essentials, das heute rund sechzig Mitarbeiter beschäftigt.

Digitalisierte Prozesse

«Danke fürs Warten.» Stankowski hat sein Gespräch beendet und setzt sich dazu an den grossen Sitzungstisch im «Kleinhafen», einem kürzlich eröffneten Co-Workingspace in Kleinhüningen, wo er arbeitet. Offenes Lachen, kariertes Kurzarmhemd, ein Ehering aus Weissgold an der linken Hand.

Das grundsätzliche Geschäftsmodell von Web Essentials hat er rasch erklärt. Die Angestellten arbeiten in Kambodscha, die Auftraggeber befinden sich grösstenteils in der Schweiz. «Und dazwischen stehe ich, als Brückenbauer zwischen hier und dort und als Gesicht gegenüber den Kunden.» Komplizierter wird es, wenn man ihn fragt, was genau sein Unternehmen anbietet: «Wir digitalisieren Prozesse», sagt Stankowski. Was das konkret heisst? «Wir entwickeln Programme für Arbeitsprozesse, die zuvor manuell erledigt wurden.»

Auf Stankowskis Visitenkarte steht CEO. Doch ebenso wie Web Essentials kein gewöhnliches Unternehmen ist, ist Stankowski auch kein gewöhnlicher Chef. Sein Ziel war es von Anfang an, sagt er, ein «Social Business» zu gründen. Im Vordergrund stehe für ihn nicht sein eigener Profit, sondern das Wohl seiner Angestellten, der Gesellschaft vor Ort, ja überhaupt des Landes. 

«Social Business» ist längst ein Modewort und leicht gesagt. Doch Stankowski unterlegt seine Behauptung mit Fakten. «Grundsätzlich zahlen wir den Firmenbesitzern keine Dividenden aus und stecken den gesamten Gewinn wieder in das Unternehmen und lokale Projekte.» Das Unternehmen arbeite eng mit Schulen zusammen, die Kindern aus armen Verhältnissen eine Ausbildung ermöglichen. Web Essentials schicke seine Mitarbeiter an Weiterbildungen. Und bezahle Steuern.

Kulturelle Unterschiede

Was in der Schweiz selbstverständlich erscheinen mag, sei für dortige Verhältnisse eine Seltenheit. Zudem bezahle das Unternehmen Mutterschaftsurlaub, Krankenversicherung und Angestellten der unteren Lohnklassen die Schulkosten der Kinder. Für kambodschanische Verhältnisse einmalig. Seine Produkte bezeichnet Stankowski deshalb auch als Fair-Trade-Software und denkt darüber nach, dafür ein Label zu schaffen.

«Mit seinen sechzig Angestellten ist das Projekt bereits heute eine Erfolgsgeschichte», sagt Stankowski. Dabei war lange nicht klar, ob das Geschäftsmodell überhaupt funktionieren würde. Zu Beginn waren es vor allem kulturelle Unterschiede, die für Schwierigkeiten sorgten. «Wir mussten unseren Mitarbeitern klarmachen, dass sie Verträge schriftlich abschliessen. Dass sie den ganzen Arbeitstag für das Unternehmen da sind und vorausschauend handeln sollen.»

Als das Unternehmen nach einem Jahr bereits über ein Dutzend Angestellte zählte, stand eines Tages ein Mitarbeiter der Steuerbehörde im Büro und verlangte hunderttausend Franken für angebliche Steuervergehen. Dann wartete Stankowski ein ganzes Jahr lang auf einen ersten, dringend benötigten Grosskunden. Den er schliesslich in der Swisscom fand.

Bei all den Fallgruben und Rückschlägen, fernab in einem fremden Land, vertraute Stankowski stets auf einen, nämlich Gott. Über den er ebenso selbstverständlich spricht wie über «Requirement Engineering» und «Grundlagen-Setup». Sein Glaube ist für ihn der vielleicht wichtigste Antrieb. «Ich möchte mit meinem ganzen Dasein Gott dienen. Auch mit meiner Arbeit», sagt Stankowski. Missionsarbeit betreibe er in Kambodscha jedoch keine. In seinem Unternehmen arbeiteten Christen ebenso wie Buddhisten, Moslems und Atheisten. Sein Glaube sei aber präsent in den Werten, die er vorzuleben versuche. «Und natürlich bete ich auch für geschäftliche Entscheidungen. In schwierigen Situationen habe ich schon vielmals Gottes Führung erlebt.»

Positive Grundhaltung

Stankowskis Mission ist jedoch weniger der Glaube an Gott als an die eigenen Fähigkeiten: «Ich will meinen Mitarbeitern ermöglichen, selber die Verantwortung für ihr Leben, das Unternehmen und die Zukunft ihres von Armut geprägten Landes zu übernehmen.» Das ganze operative Geschäft abzugeben und Kambodscha zu verlassen, sei ein erster grosser Schritt gewesen. «Ich arbeite darauf hin, dass ich irgendwann einmal überflüssig werde. Noch braucht es mich aber als Bindeglied zwischen den Kunden und der Firma.»

In zwei Wochen setzt er sich wieder ins Flugzeug. Mitarbeiter besuchen, seine Vision vermitteln. Das Land fehle ihm, sagt er. Die positive Grundhaltung der Menschen, die glauben: Es könne alles nur noch besser werden.

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