Mit einem Lächeln im Gesicht fegt er dem Partyvolk hinterher

Er hat einen der schlimmsten Jobs in Basel: Rasenthiran Velayutham putzt Freitag- und Samstagnacht die Toiletten bei McDonald’s am Barfüsserplatz. Die bewegende Geschichte eines tamilischen Flüchtlings.

Die Behörden lehnten seinen Asylantrag ab, als vorläufig Aufgenommener durfte Rasenthiran Velayutham in der Schweiz bleiben.

(Bild: Basile Bornand)

Er hat einen der schlimmsten Jobs in Basel: Rasenthiran Velayutham putzt Freitag- und Samstagnacht die Toiletten bei McDonald’s am Barfüsserplatz. Die bewegende Geschichte eines tamilischen Flüchtlings.

Rasenthiran Velayutham steht neben der jungen Frau, die mit ihrem Kopf im Mülleimer hängt. Es ist kurz vor zwei Uhr nachts im McDonald’s am Barfüsserplatz. Zwei Minuten zuvor hat die Frau in den Mülleimer im zweiten Stock des Restaurants erbrochen, jetzt sucht sie nach ihrem Ohrring.

Wie dieser aussehe, will Velayutham wissen, das Mädchen antwortet nicht. Dann geht er auf die Frauentoilette und kommt mit einem silbernen Ring zurück. Die Frau hat den Kopf immer noch im Mülleimer vergraben, Velayutham legt den Ring auf das Tablett über dem Mülleimer und schüttelt den Kopf.

Das erlebe er jedes Wochenende, sagt er und lächelt; der Mann lächelt nach fast jedem Satz, jeder Anekdote. Velayutham arbeitet als Reinigungskraft bei McDonald’s, immer freitags und samstags von 17 bis 2 Uhr. Er fegt hinter dem Partyvolk her, wischt das Erbrochene von den Tischen, putzt in den Toiletten den Urin vom Boden, wenn die Gäste das Pissoir nicht mehr treffen. Das Schlimmste seien weggeworfene Tampons auf dem Boden des Frauenklos, erzählt Velayutham. Dann ist es wieder da: sein Lächeln.

Toiletten putzen für den Familiennachzug

Im Fast-Food-Restaurant am Barfi treffen jedes Wochenende Welten aufeinander. Hier die Partygänger, die einen Zwischenstopp einlegen, um ihre Blase oder ihren Magen zu entleeren, dort der Angestellte, der Toiletten putzt, um seine Familienangehörigen in die Schweiz zu holen.

Seit 2007 lebt der Tamile in der Schweiz. Er flüchtete vor dem Regime in Sri Lanka, kam über Katar in die Schweiz und wurde vorläufig aufgenommen. Etwa 20’000 Franken habe er für seine Flucht bezahlt, erklärt Velayutham. Seine Verwandten haben ihn finanziell unterstützt, das Geld zahlte er ihnen zurück, als er in der Schweiz Arbeit gefunden hatte.

2009 lehnten die Schweizer Behörden seinen Asylantrag ab. Da die Lage in Sri Lanka aber angespannt blieb, durfte Velayutham als vorläufig Aufgenommener in der Schweiz bleiben. Später erhielt er eine B-Niederlassungsbewilligung, seine Situation wurde als Härtefall eingestuft. Das heisst: Er wurde zwar nicht als Flüchtling anerkannt, weil er aber genug verdiente, um sich selbst über die Runden zu bringen, durfte er bleiben. Seine Aufenthaltserlaubnis wird jedes Jahr neu geprüft, wenn er keine Arbeit mehr hat, wird der B-Ausweis nicht erneuert.

Lächeln gegen die Wut

Der 46-Jährige wohnt zurzeit in Möhlin und arbeitet neben seiner Stelle bei McDonald’s in einem Altersheim in Tecknau, ebenfalls als Reinigungskraft. Macht er seine Arbeit gerne? Er sei einfach dankbar, eine Stelle und einen Lohn zu haben, sagt Velayutham. Von der Sozialhilfe sei er nur kurze Zeit abhängig gewesen, das ist ihm wichtig.

Beim Gespräch, das wir auf der Integrationsstelle Freiplatzaktion führen, ist ein Übersetzer dabei. Velayutham spricht nur wenig Deutsch. «Kein Problem» und «Danke vielmol» gehen ihm leicht über die Lippen, lange Sätze fallen ihm schwer. Aufgrund der Sprachbarriere fühle er sich noch «sehr eingeschränkt», wie ein sechsjähriger Bub, sagt er lachend. Obwohl er fast alles verstehe, könne er sich kaum unterhalten.

Welche negativen Erfahrungen hat Velayutham in der Schweiz gemacht? Er überlegt kurz, dann erzählt er: Einmal habe ihn eine «weisse Mitarbeiterin» angewiesen, die Toiletten zu putzen. Sie sei nicht seine Vorgesetzte gewesen, Velayutham hatte das Gefühl, er müsse nur deshalb die Toiletten putzen, weil er eine dunkle Hautfarbe habe, sagt er und fährt mit dem Finger über seine Haut: «In solchen Momenten lächle ich äusserlich, innerlich bin ich aber wütend.»

Er erlebe auch positive Momente, sagt Velayutham. Zum Beispiel, wenn sich Jugendliche auf der Restauranttoilette bei ihm bedanken und ihm Trinkgeld anbieten. Dieses nimmt er jeweils nicht an, denn Trinkgeld fliesst bei McDonald’s als Spende an Kinderprojekte.

Jedes Tram fährt pünktlich und die Angestellten im Coop sagen freundlich «Grüezi», das gefällt Velayutham.

Velayutham konvertierte vom Hinduismus zum Christentum, als er bereits in der Schweiz war. Deshalb fahre er in seiner Freizeit häufig ins Kloster nach Mariastein, sagt er. Auf der Fahrt sitze er in Gedanken versunken im Tram und beobachte die vorüberziehenden Häuser. Das Dorf Bättwil gefalle ihm besonders gut. Irgendwann wolle er mal dort aussteigen und einfach herumspazieren. Dass alles bestimmten Regeln folge, jedes Tram pünktlich abfahre und die Angestellten im Coop ihn mit einem freundlichen «Grüezi» begrüssen, das gefalle ihm sehr in der Schweiz.

Seit er hier lebt, war er nie mehr in seinem Heimatland – aus Angst vor dem Regime. Seine Frau lebt noch in Sri Lanka, er hat sie sieben Jahre lang nicht gesehen. Seit einigen Monaten sei sie sehr krank, so krank, dass er den Besuch in seine Heimat wagen wollte. Im April hatte er einen Flug gebucht, kurz vor dem Abflug sagte er jedoch ab. In einem Zeitungsartikel hatte er gelesen, dass gerade einige Landsleute in Colombo verhaftet worden waren. Die Angst vor Folter und Repression war stärker als der Wunsch, seine Frau wiederzusehen.

Er wird weiter die Böden und Toiletten bei McDonald’s und im Altersheim wischen. So kann er seiner Frau jeden Monat etwas Geld zukommen lassen.

Um 2 Uhr nachts hat Velayutham Feierabend. Während die Partygänger in der Steinenvorstadt ihre Cocktails schlürfen, macht sich Velayutham auf den Weg zum Bahnhof. Um 3 Uhr fährt der letzte Zug nach Möhlin, um 4 Uhr wird er zu Hause sein – dann, wenn sich auch die Nachtschwärmer langsam auf den Heimweg machen.




Rasenthiram Velayutham war, seit er in der Schweiz lebt, nicht mehr in seinem Heimatland Sri Lanka. (Bild: Basile Bornand)

 

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