Tagesbetreuung, Finanzen, Verkehr: Gemeindepräsidentin Nicole Nüssli muss einige Probleme lösen. Dabei nett zu sein, ist nicht ihr Ziel.
Wolken ziehen über das Oberlicht der Allschwiler Gemeindeverwaltung, die Sonne drückt durch und wirft ein bleiches Licht auf die Galerie, wo Nicole Nüssli für den Fotografen posiert. «Können Sie aufpassen, dass man meine Falten nicht sieht», sagt die 53-Jährige und lacht. Die Pailletten auf ihrer Hose glitzern.
Auf dem Land darf die Präsidentin noch Glitzerjeans tragen, hier gilt kein Anzugszwang für Exekutivpolitiker, nicht einmal, wenn sie der FDP angehören und eine Anwaltskanzlei haben, wie Nüssli es tut.
Kommunikation als Stärke
Und auch die Kommunikation ist viel einfacher als in der Stadt. Wer Nüssli zu einem Interview treffen will, muss nicht zuerst über eine Pressesprecherin gehen, sie mailt selber zurück. Kurz und zeichensparend, ohne Anrede, einfach nur: «Freitag, 22.4.16, 11:00 Uhr, würde mir passen, Lg Nicole Nüssli-Kaiser, Gemeindepräsidentin.»
Nicole Nüssli sieht ihren Kommunikationsstil als eine ihrer grössten Stärken. «Ich kann den Leuten zuhören und mit verschiedenen Menschen umgehen», sagt sie. Ihr sei es zu verdanken, dass der Allschwiler Gemeinderat sich je länger je mehr als Kollegialbehörde verstehe, nicht als Gremium, in dem jeder ellbögelt, um sein Gärtchen zu pflegen. Gleichzeitig rede sie Klartext. «Ich mache mir meine eigene Meinung, ohne Rat bei anderen zu holen.»
Auch im Interview hört Nüssli aufmerksam zu und antwortet ehrlich. Selbst bei kritischen Fragen bleibt sie gelassen und nimmt Stellung, räumt auch einmal Fehler ein. Das ist erfrischend.
Kommunikation als Schwäche
Doch in der Verwaltung sorgt gerade ihr Kommunikationsstil auch für Unruhe, wie man erfährt, wenn man etwas in Allschwil herumtelefoniert.
«Es ist meine Verantwortung, als Gemeindepräsidentin hinzustehen.» Nicole Nüssli hat eine klare Meinung. (Bild: dirk wetzel)
Politiker verschiedener Parteien sagen hinter vorgehaltener Hand, Nüssli fehle es am nötigen Fingerspitzengefühl. Sie presche mit ihrer Meinung vor, trete anderen damit auf die Füsse und zerschlage Geschirr. Und das in einer Zeit, in der es in Allschwil ziemlich viel zu kitten gäbe.
Der Streit mit den Tagesmüttern
Beispiel 1: Der Streit mit den Tagesmüttern. Mitte März verkündete der Gemeinderat den Tagesmüttern Knall auf Fall, dass ihr Lohn innerhalb von zwei Wochen gekürzt werde. Die Reaktionen waren vorhersehbar: wütende Tagesmütter und Familien, ein Protestmarsch, eine Petition, Medienberichte und ein Vorstoss im Einwohnerrat.
Und Nüssli? Sie kann die Aufregung nur bedingt nachvollziehen. Zwar hat sie nachgegeben und den Tagesmüttern vorübergehend höhere Löhne versprochen. Auch räumt sie ein, dass sie früher hätte informieren sollen.
Doch Nüssli kritisiert heute noch: «Die Tagesmütter sehen nur das Negative, dabei haben sie doch das kleinere Übel bekommen.» Noch schlimmer wäre es laut ihr gewesen, wenn der Gemeinderat die Tagesmütter in die Selbstständigkeit entlassen hätte, statt sie beim Staat anzustellen.
Wenn es nicht vorwärtsgeht, übernimmt sie selber
Hinter dem Streit verbirgt sich ein ziemliches Chaos in den Allschwiler Krippen und Tagesheimen, es wurde zu viel Geld abgerechnet, zu viel Subventionen wurden verteilt. Nüssli sagt: «Seit 40 Jahren ist die Tagesbetreuung stetig gewachsen, aber völlig unkoordiniert. Jetzt müssen wir einmal aufräumen.»
Eigentlich wäre das nicht Nüsslis Job, zuständig für die Tagesbetreuung sind Gemeinderat Arnold Julier (CVP) und sein Departement für soziale Dienste und Gesundheit. Doch Nüssli sagt: «Das Departement hat nicht vorwärtsgemacht.» Also übernahm sie selber.
Stimmt nicht, sagt dagegen Julier. Erst seit Präsidentin Nüssli übernommen habe, stehe die Tagesbetreuung vor einem Scherbenhaufen.
Kritiker werfen Nüssli ausserdem vor, sie lade sich zu viel auf, setze sich mit zu vielen Geschäften zu wenig auseinander und drohe auszubrennen. Nüssli sieht das anders: «Es ist meine Verantwortung, als Gemeindepräsidentin hinzustehen.»
Der Streit wegen der Baslerstrasse
Beispiel 2: Der Strassenstreit. Kürzlich teilte die Baselbieter Regierung mit, sie wolle die zentrale Baslerstrasse nun doch bereits 2018/19 sanieren statt erst 2021. Das passt schlecht: Zur selben Zeit wollte die Gemeinde die andere wichtige Verbindungsstrasse, den Hegenheimermattweg, sanieren. Auf beiden Hauptzubringern herrscht ständig Stau. Beide gleichzeitig zu sperren ist unmöglich, sie dienen sich gegenseitig als Umfahrung.
«Am Ende sagt der Kanton das Projekt Baslerstrasse plötzlich wieder ab, und dann haben wir in Allschwil weiterhin Stau auf beiden Strassen», sagt Nicole Nüssli.
Nüsslis Reaktion: Sie liess eine Medienmitteilung raus, die ihresgleichen sucht. «Der Gemeinderat Allschwil ist über das wenig durchdachte Vorgehen des Regierungsrates erstaunt», steht darin. Gegenüber dem SRF-Regionaljournal sprach Nüssli sogar von einem «Planungschaos» beim Kanton.
Nette Mädchen stecken im Stau
Eine solche Reaktion ist ungewöhnlich für eine Exekutivpolitikerin. Hat Nüssli nicht Angst, dass sie sich so eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Kanton verbaut, und das, nachdem sie seit Jahren für die Sanierung der Baslerstrasse geweibelt hat?
Nüssli steht zu ihren Worten und sagt: «Nette Mädchen kommen in den Himmel, böse überallhin.» Sie könne jetzt nicht einfach kuschen und die Sanierung des Hegenheimermattwegs verschieben. «Am Ende sagt der Kanton das Projekt Baslerstrasse plötzlich wieder ab, und dann haben wir in Allschwil weiterhin Stau auf beiden Strassen.»
Der Streit wegen des Wahlchaos
Beispiel 3: Der Wahlstreit. Auf Empfehlung von Nicole Nüssli zählte das Allschwiler Wahlbüro nach den Gemeinderatswahlen vom 28. Februar alle Zettel neu aus, weil das absolute Mehr falsch ausgerechnet worden war. Gemäss Wahlbüro-Präsidentin Jacqueline Misslin hätte es gereicht, das absolute Mehr noch einmal auszurechnen, ohne die Zettel zu zählen.
Misslin trat als Wahlbüro-Präsidentin zurück. Ihr Vorwurf: Nicole Nüssli habe hinter ihrem Rücken gehandelt, wie sie der bz Basel sagte. Doch Nüssli widerspricht: «Ich bin mehrere Male mit Jacqueline Misslin zusammengesessen und habe mit ihr das Vorgehen offen besprochen.» Misslin sei wahrscheinlich frustriert. «Zuerst wird sie abgewählt, dann kommt noch das Wahlchaos dazu.»
Nicole Nüssli blickt trotz aller Kritik zuversichtlich in die Zukunft. (Bild: dirk wetzel)
Am 5. Juni wird Nicole Nüssli als Gemeindepräsidentin von Allschwil bestätigt. Gegenkandidaten gibt es keine, so wie vor zwei Jahren, als Nicole Nüssli das Amt vom heutigen Regierungsrat Anton Lauber übernahm. Nüssli hätte gerne einen Wahlkampf gehabt: «Dann wäre schwarz auf weiss gestanden, dass die Allschwiler mich als Präsidentin wollen.»
Und es hört nicht auf
Aufzuräumen hat Nüssli noch einiges. Allschwil hat kein Geld und muss sparen – auch auf Kosten des Personals. Ein Thema, bei dem Nüssli sich nicht scheute, sich gegen ihre Partei fürs Personal einzusetzen – sie hätte lieber eine Steuererhöhung statt Lohnkürzungen bei den Verwaltungsangestellten gehabt, unterlag aber im Einwohnerrat.
Gleichzeitig hat der Einwohnerrat beschlossen, die Verwaltung umzukrempeln und dem Gemeinderat operative Führungsaufgaben zu entziehen. «Das fällt einigen leichter als anderen», sagt Nüssli.
Und da sich im Bachgraben neue Firmen ansiedeln und damit Verkehr und Lärm zunehmen, muss Allschwil schauen, dass die Bevölkerung trotzdem noch gerne im Dorf wohnen bleibt. Konflikte sind programmiert.
Nüssli hat keine Angst davor. «Ohne Herausforderungen ist das Leben langweilig.» Das klingt nach einem gesunden Selbstbewusstsein. «Das kann man so sagen», sagt Nüssli.
Artikelgeschichte
Nachdem CVP-Gemeinderat Arnold Julier eine Gegendarstellung gewünscht hat, wurde folgender Abschnitt mit Juliers Sicht auf den Departementswechsel der Tagesbetreuung ergänzt:
Wenn es nicht vorwärtsgeht, übernimmt sie selber
Hinter dem Streit verbirgt sich ein ziemliches Chaos in den Allschwiler Krippen und Tagesheimen, es wurde zu viel Geld abgerechnet, zu viel Subventionen wurden verteilt. Nüssli sagt: «Seit 40 Jahren ist die Tagesbetreuung stetig gewachsen, aber völlig unkoordiniert. Jetzt müssen wir einmal aufräumen.»
Eigentlich wäre das nicht Nüsslis Job, zuständig für die Tagesbetreuung sind Gemeinderat Arnold Julier (CVP) und sein Departement für soziale Dienste und Gesundheit. Doch Nüssli sagt: «Das Departement hat nicht vorwärtsgemacht.» Also übernahm sie selber.
Stimmt nicht, sagt dagegen Julier. Erst, seit die Präsidentin übernommen habe, stehe die Tagesbetreuung vor einem Scherbenhaufen.
Kritiker werfen Nüssli ausserdem vor, sie lade sich zu viel auf, setze sich mit zu vielen Geschäften zu wenig auseinander und drohe auszubrennen. Nüssli sieht das anders: «Es ist meine Verantwortung, als Gemeindepräsidentin hinzustehen.»