Windisch bringt Basel auf den Afrobeat

Rainer Windisch sammelt Afro-Funk-Raritäten, um sich und Partypeople von London bis Beirut zu beglücken. Damit afrikanische Musiker in Basel auftreten, beherbergt er sie manchmal gleich selbst.

Noch hält Vinyl-Sammler Rainer Windisch seine Helden in Händen, am Sonntag sieht er «The Scorpios» live. (Bild: Eleni Kougionis)

Nächsten Sonntag ist wieder eine magische Nacht für Rainer Windisch: Da spielen in der «Kaschemme» The Scorpios. Nein, da fehlt kein Buchstabe. Die Rede ist nämlich nicht von deutschen Hardrock-Veteranen, sondern von einer sudanesischen Supergroup, die erst zum dritten Mal für ein Konzert ihr britisches Asyl-Exil verlässt. «Ihr Mix aus arabischen Rhythmen, psychedelischem Afrobeat und rauem östlichen Funk ist weltweit einzigartig», schwärmt Windisch.

Es sind nicht die ersten afrikanischen Superstars, die im kleinen Club nahe der Ausfahrt St. Jakob spielen, daheim aber die Halle oder gar das Stadion ennet der Autobahn füllen würden.

2014 spielte mit Ebo Taylor aus Ghana ein Künstler, dessen Ruf sich seit den 1950er-Jahren weit über die Westküste des Kontinents verbreitet hat. «Dass wir bereits in der ersten ‹Kaschemme›-Saison diesen Traumkünstler buchen konnten, ist eigentlich einer Panne geschuldet», erinnert sich Windisch.

Ebo Taylor hätte bereits 2011 in Basel spielen sollen. Die Veranstalter realisierten allerdings zu spät, dass der Künstler für die Schweiz im Gegensatz zur EU ein Visum braucht. «Seine Band Afrobeat Academy durfte reisen, er musste jedoch in Mulhouse bleiben.» Wegen Ausfall des Konzertes bot Windisch der sechsköpfigen Band an, bei ihm zu übernachten. «Sie hatten drei spielfreie Tage und kochten feines Essen, das wir täglich nach Mulhouse fuhren. So entstanden Freundschaften, die schon zu manch weiterem Konzert führten.»

Kein Nerd, ein Freak

Windisch selber stellt den Kontakt zu den Künstlern her. Die Konzerte selbst veranstaltet dann Daniel Henke, einer der «Kaschemme»-Betreiber. Die beiden lernten sich kennen, als die Chemielaboranten 1994 einen Lehrlingsausflug nach London machten. Dort klapperten sie lieber Plattenläden nach krudem Rap und Funk ab, statt das übliche Touristenprogramm abzuspulen. «In Basel kannte man ein paar Mix-Tapes und die ‹Ultimate Breaks and Beats›-Compilations. Auf dem Camden Market hörten wir dann, was es in der Welt noch so Krasses gibt: Das klang definitiv anders als der Funk von Jackson und Prince.»

Es war die Initialzündung für Windischs exquisite Vinyl-Sammlung mit Funk- und Afrobeat-Raritäten aus aller Welt. «Der Sound-Fundus an rohem Funk aus den 60er- und frühen 70er-Jahren in Westafrika ist unglaublich: dreckig, psychedelisch – genau mein Stil», resümiert Windisch im Soundkeller seines Heimes, während die Fingerkuppen über Tausende säuberlich eingereihte Singles streifen. «In den 70er-Jahren gab es Bands wie T.P. Orchestre Poly-Rythmo aus Benin. Die haben etwa 100 Alben und an die 300 Singles veröffentlicht, dennoch waren sie bis Ende der 90er ausserhalb des westafrikanischen Küstenstreifens kaum bekannt.»

Menschen mit grosser Leidenschaft für eine Nische nannte man in seiner Generation nicht Nerd, sondern Freak. Doch wehrt sich Windisch dagegen, explizit Spartenmusik zu sammeln: «Der Afrobeat spricht immer mehr Menschen an, und ich suche genauso nach ultimativen Hits für alle wie andere DJs – nur nicht in der Mainstream-Masse.»

 Beim Abspielen wirkt Windisch wie der Schulfreund, der einem den Kopfhörer mit seiner neuesten Entdeckung überstreift.

Wenige seiner Trouvaillen stecken in farbigen Covers mit Fotos von Stars. Die alten Singles wurden mangels Geld in Kleinserien von 500 Stück gepresst und in weisse Hüllen gesteckt. Windisch hat die meisten an der Oberkante mit Stickern versehen, darauf notierte er von Hand Bandname und Buchstaben-Codes für Stil und Tempo. «So fand ich bei dunklen Kellerpartys schneller die nächste Scheibe», erklärt Windisch.

Einige seiner Raritäten werden im vierstelligen Bereich gehandelt. Dennoch will er die Hits nicht nur auf dem Sofa im heimischen Keller geniessen: «Musik ist zum Hören gedacht. Darum zeige ich gerne, was ich selbst grossartig finde.» 

Man spürt: sein DJ-Antrieb sind nicht Ruhm und Freigetränke. Der 40-Jährige wirkt beim Abspielen vielmehr wie der Schulfreund, der einem den Kopfhörer mit seiner neuesten Entdeckung überstreift, um sein Glück zu teilen, und mit erwartungsvollem Blick die Reaktion verfolgt.

Viele Schätze, einmal Schrott: Ein Blick in die fein geordneten Singles von Windisch.

Längst hat sich der Radius seiner Leidenschaft über den Pausenhof erweitert. Erst organisierte Windisch mit anderen Funk-Afficionados wie Henke kleine Partys in Kellern oder auch unten am Hafen, bevor das Gelände legal zwischengenutzt wurde. Andere Veranstalter wurden hellhörig und holten ihn an ihre Anlässe: Die «Blockpartys» auf dem nt/Areal, «Antz in the Pantz» in der «Kaserne», dazu «Kuppel», «Hinterhof», «Cargo Bar» – fast jeder Club in Basel hat ihn schon gebucht, obwohl er sich nicht aufdrängt. Das entspricht weder seinem Naturell, noch strebt er eine professionelle DJ-Karriere an.

Ein Traum wird wahr

Das Geld für seine Vinylkäufe verdient er mit Labortests der Wasserqualität Basels – und manchmal auch mit dem Weiterverkauf von Singles und Platten, die er doppelt hat oder weniger begehrt als andere Liebhaber. Mit dem langjährigen Beziehungsnetz zu Gleichgesinnten erklärt Windisch auch, dass er heute nebst alten Kult-DJs an Szene-Festivals auflegt wie das Hook and Sling in London oder bei den legendären Partys des Beirut Groove Collectiveim Libanon.

In Basel ist er weiterhin am Pult, vor allem unter dem Label «Akiwawa» mit DJ Pun. Seine alte «Konzeptlos»-Kollaboration mit Henke steht seit der Eröffnung der «Kaschemme» mehr für Konzerte. «Ich hatte schon lange von einem kleinen Live-Club für diese Musik geträumt. Als ich meine Pläne begraben hatte, wurde es dank ihm plötzlich konkret», freut sich Windisch als wäre es sein eigenes Baby.

Äthiopisches Essen fürs Publikum

13 Künstler und Bands konnten sie in den drei Jahren bereits nach Basel lotsen. «Uns ist es wichtig, den Leuten das reichhaltige musikalische Erbe sowie das aktuelle kreative Schaffen Afrikas näherzubringen. Darum buchen wir nebst Legenden auch aufstrebende Künstler.»

Wobei Windisch seine Rolle bei den Konzerten auf den Strippenzieher am Anfang und Plattenaufleger danach reduziert. Dass er für den Abend mit The Scorpios persönlich Plattenläden in der Schweiz mit dem Sound belieferte und Köche organisierte, die auch für das Publikum äthiopisches Essen kochen, «versteht sich als Fan doch von selbst».

Die Band schläft diesmal jedoch im Hotel. «Ich bin umgezogen, habe nun weniger Platz und die Zeit ist wohl vorbei.» Wobei: «Nächstes Jahr kommen die Krautrocker Embryo – und für alte Freunde bin ich gerne wieder Gastgeber.»

Sonntag, 3. Dezember, 20 Uhr, The Scorpios, «Kaschemme» Basel (ab 15 Uhr ist dort auch eine Plattenbörse – u.a. mit Vinyl von Windisch).

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