Dina Jost und Thomas-Maria Reck bringen als Jodelduo Schweizer Tradition ins multikulturelle Kleinbasel – und wirken dabei authentisch und kein bisschen fehl am Platz.
«Jodel gefiel mir schon immer – doch früher war es mir peinlich das zuzugeben», sagt Dina Jost. Sie habe stets das Gefühl gehabt, Jodeln würde mit reaktionären Werten assoziiert. Und dabei wirkt die blonde, grosse Frau so gar nicht, als wäre ihr überhaupt etwas peinlich. Sie strahlt Ruhe, Sicherheit und Einfachheit aus. Das ist es auch, was ihr an der Musik gefällt: «Jodeln ist einfach – nicht im Sinne von ‹wenig› oder ‹primitiv› sondern ‹reduziert auf das Wesentliche, auf das Essenzielle›».
Vor zwei Jahren haben Dina Jost und Thomas-Maria Reck das Jodelduo «s’Echo vo dr Feldbergstrooss» gegründet. Seither werden sie immer öfter für Anlässe gebucht, ihre Konzerte sind gut besucht.
Seit ein paar Monaten tragen sie bei Auftritten eine «urbane Tracht», die zwei junge Designerinnen für sie entwarfen. Dabei liessen sie sich von der traditionellen Jodelkleidung inspirieren, suchten aber gleichzeitig den städtischen Kontext. Diese Gratwanderung ist ihnen gelungen: Jost und Reck fallen in ihrer Aufmachung zwar auf, wirken aber keinesfalls fehl am Platz. «Mit unserer neuen Tracht sind wir endgültig bereit zum Durchstarten», sind sich Jost und Reck einig.
«Beim Jodeln lebe ich im Moment, verschmelze mit ihm.»
Jost verdient ihr Geld unter anderem mit Stellvertretungen als Sekundar- und Primarlehrerin, sowie als Coach in Berufs- und Lebensfragen. Es heisse immer, man solle «im Moment leben», doch das vielzitierte Mantra lasse sich im Alltag schwer umsetzen – «ausser beim Jodeln, dann gelingt mir das. Dann lebe ich den Moment, verschmelze mit ihm.» Jost hatte als Lehrerin und auch privat immer schon viel und leidenschaftlich gesungen, im Jodelduo ist sie aber erstmals auch professionell musikalisch unterwegs.
Ganz anders als ihr Jodelpartner Thomas-Maria Reck. Er singt noch in einer brasilianischen Bossa Nova Band und arbeitet als Gesangslehrer, zunehmend mit dem Schwerpunkt Jodel. Auch ihn fasziniert der Jodel seit Jugendjahren. «Ich komme aus dem St. Galler Rheintal. Dort lässt sich der Kontakt zu den Appenzellern nicht ganz vermeiden», sagt Reck im Scherz.
Naturjodel ganz ohne Worte
Diese Nähe zur Jodelkultur veranlasste den begeisterten Musiker zum Experimentieren, schliesslich entdeckte er seine Leidenschaft: «Das Jodeln hat eine Körperlichkeit, die ich bei anderen Arten zu Singen vermisse.» Trotzdem sah er den typisch schweizerischen Gesang lange mehr als Hobby. «Es wäre mir nicht eingefallen, Jodel zu unterrichten. Für mich war es eine spontane, fröhliche Art zu Singen, die in die Freizeit gehörte. Doch das Interesse meiner Schüler wurde immer grösser.»
Also wurde Reck zum Jodellehrer. Dabei beschäftigt er sich auch intensiv mit den unterschiedlichen Jodel-Genres und mit dem soziokulturellen Kontext des Gesangs.
Der «Naturjodel», den er und Jost singen, verzichtet ganz auf Worte. «Durch die Abwesenheit von Text ist der Naturjodel zeitlos und kontextuell völlig unabhängig», sagt Reck, «man kann Emotionen aus dem Moment hineinlegen.» Und tatsächlich: Der Gesang des Duos hat etwas Archaisches, Melancholisches – sogar um neun Uhr früh auf dem Matthäusplatz, in einem der belebtesten Quartiere Basels.
«Plötzlich beginnt jemand zu jodeln und die anderen stimmen ein. Danach wird einfach weitergeredet.»
Im Appenzell sei der Naturjodel selten auf der Bühne anzutreffen. Er sei nicht in erster Linie zum Zuhören gedacht, sondern als gesellschaftliche Praxis des gemeinsamen Singens, erklärt Reck. «Plötzlich beginnt jemand zu Jodeln und die anderen stimmen mit ein. Das kann auch mitten im Gespräch sein, als Zelebration des sozialen Moments. Danach wird einfach weitergeredet. Das zu erleben ist enorm ergreifend.»
Traditionelle Musik, die mit Schweizer Folklore in Verbindung gebracht wird, in einem modernen, weltoffenen Quartier anzutreffen, ist eine spannende Kombination. Diese Reibung war aber nicht beabsichtigt, im Gegenteil. Jost wuchs im Berner Aaretal auf. «Ich bin sehr naturverbunden», sagt sie, «zu Beginn fühlte ich mich wie zugeschnürt, sobald ich in der Stadt war – ich dachte allen Ernstes, ich könnte nur in den Bergen singen. Dabei kann man es hier ja auch!»
Kein Spiel mit Klischees
Obwohl die beiden den urbanen Kontext mittlerweile akzeptieren und schätzen, beziehen sie sich beim Singen nicht nur darauf. Es sei zwar interessant, sich im Spannungsfeld von folkloristischen Traditionen und Projektionen zu bewegen, sagt Reck. «Aber es geht uns prinzipiell um die Musik, die wir mögen, und nicht um ein Spiel mit Klischees. Wir müssen die Musik ernst nehmen.»
Die meisten Menschen reagieren sehr positiv und berührt auf den Gesang des Duos, erzählt Jost. «Auch Menschen, die sich nie mit Jodel in Verbindung gebracht hätten, gefällt es, und manche buchen uns dann sogar.» Doch wenn sie Bekannten oder Arbeitskollegen vom Jodeln erzähle, reagierten viele mit Unglauben oder Spott. «Manche denken wirklich, es sei ein Scherz!» Doch mittlerweile mache das Jost nichts mehr aus. «Ich beweise gerne, dass man auch Jodeln kann, ohne gewisse Werte zu vertreten. Und es macht Spass, Leute positiv zu erschrecken.»
Denn eines hat Jost über die Jahre gelernt: Jodeln funktioniert. Und es ist grundsätzlich für alle zugänglich: «Ich bin nicht der Meinung, dass man die Jodelkultur kennen muss, um diesen Gesang zu verstehen, im Gegenteil: Oft sind die Vorstellungen davon eher im Weg.»
Dem Jodelduo geht um die Musik, nicht um ein Spiel mit Klischees. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)