Suna Gürler: Leidenschaftlich hinter der Bühne

Vor einem Jahr wurde die junge Basler Theaterfrau ans renommierte Berliner Maxim Gorki Theater weg engagiert. Jetzt ist Suna Gürler für eine Inszenierung an das Junge Theater Basel zurückgekehrt, wo sie sich mit 13 Jahren von der Theaterbegeisterung anstecken liess.

Ihre wahre Leidenschaft ist die Arbeit hinter und für die Bühne: Suna Gürler.

(Bild: Basile Bornand)

Vor einem Jahr wurde die junge Basler Theaterfrau ans renommierte Berliner Maxim Gorki Theater weg engagiert. Jetzt ist Suna Gürler für eine Inszenierung an das Junge Theater Basel zurückgekehrt, wo sie sich mit 13 Jahren von der Theaterbegeisterung anstecken liess.

Aufrecht und beinahe regungslos sitzt sie auf einer der erhöhten Stufen des Zuschauerpodests, die Hände auf die Oberschenkel gestützt und den Blick mit höchster Konzentration nach vorne gerichtet. «Die Haltung ist gut, aber das muss stärker rüberkommen», sagt Regisseurin Suna Gürler zu einer der jugendlichen Schauspielerinnen auf der Bühne.

Es ist Endprobenzeit im Jungen Theater Basel. Nur noch wenige Tage sind es bis zur Premiere des Theaterprojekts «Strom», einer Bühnenadaption des Films «Mean Creek» von Jacob Aaron Estes, am Samstag, 6. Dezember.

Am Abend zuvor hat das sechsköpfige Ensemble den ersten Durchlauf vor Publikum hinter sich gebracht. Jetzt wird noch einmal an Details gefeilt. Immer wieder greift Gürler mit kurzen und präzisen Bemerkungen ins Geschehen ein, zwischendurch schlägt sie neue Streichungen vor, die von den Spielerinnen und Spielern mit grosser Selbstverständlichkeit akzeptiert werden.

Es herrscht eine lockere, ja geradezu heitere Atmosphäre auf der Probe, die im krassen Gegensatz zum Inhalt der Szene steht, die gerade durchgespielt wird: Fünf Jugendliche konstatieren mit wachsender Verzweiflung, dass sich der Junge, dem sie einen Denkzettel verpassen wollten, das Leben genommen hat.

«Ich war ein scheues Kind»

«Die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler waren etwas unterspannt», sagt Gürler am gemeinsamen Mittagessen nach der Probe. Wenige Stunden nach der grossen Anspannung während des Durchlaufs vor Publikum sei dies aber nicht ungewöhnlich. Grund zur Sorge sieht sie keinen. «Die nötige Spannung wird bestimmt wiederkehren», ist sie überzeugt.

Suna Gürler ist 28 Jahre alt und bereits eine recht verdiente und begehrte Theaterfrau, eine, die sich in ihrem jungen Alter bereits über die Hälfte ihres Lebens intensiv den Brettern, die bekanntlich die Welt bedeuten, gewidmet hat. Mit 13 Jahren hatte sie den ersten praktischen Kontakt mit dem Theater – im Jungen Theater Basel wohlgemerkt, wo sie aktuell wieder tätig ist.

«Meine Mutter hatte mich auf eine Ausschreibung für Theaterkurse für Jugendliche aufmerksam gemacht», erzählt sie. «Ich war ein eher scheues Kind und traute mich erst in den Kurs, als ich eine Kollegin zum Mitkommen überredet hatte.» Dann aber habe sie sich sehr schnell von der Theaterbegeisterung anstecken lassen, sagt Gürler. Das war im Jahr 2000, just zur Zeit, als der heutige Leiter des Jungen Theaters Basel, Uwe Heinrich, sein erfolgreiches Amt antrat. 

«Ich wollte nie wirklich Schauspielerin sein»

Die Bühne auf dem Kasernenareal liess sie nicht mehr los. Aus der Teilnahme an den Theaterkursen erwuchsen Auftritte an öffentlichen Produktionen. 2005 kam es beim mit dem Theater Basel koproduzierten Stück «Fucking Amal» zur ersten Begegnung mit dem bekannten Regisseur Sebastian Nübling, der zu einem ihrer Vorbilder und Förderer wurde.

Das Spielen auf der Bühne habe ihr stets Spass gemacht, sagt die Theaterfrau, «aber ich wollte eigentlich nie wirklich Schauspielerin sein». Das ist wie Gürlers Selbstdeklaration als «eher scheues Mädchen» eine jener Aussagen, die etwas verblüffen. Denn erst vor wenigen Monaten konnte sie sich am Theaterfestival Basel als Darstellerin im Stück «Es sagt mir nichts, das sogenannte Draussen» von Sibylle Berg (Regie: Sebastian Nübling) feiern lassen.

Das mit dem Jungen Theater Basel koproduzierte Stück wurde in der Kritikerumfrage der Zeitschrift «Theater heute» zum «Stück des Jahres» auserkoren, und die Bühne, auf der es uraufgeführt wurde, das Maxim Gorki Theater Berlin, durfte sich mit dem Titel «Theater des Jahres» schmücken. Es ist das Theater, das seit rund einem Jahr Gürlers neue Heimstatt ist. Auf Empfehlung Nüblings engagierte die neue Intendantin der Berliner Staatsbühne, Shermin Langhoff, die Baslerin als Theaterpädagogin und Spielleiterin für Jugendprojekte.

Vom Jungen Theater Basel nach Berlin und zurück

Das kommt Gürlers Vorlieben entgegen. Denn ihre wahre Leidenschaft ist die Arbeit hinter und für die Bühne. 2011 leitete sie den ersten Kurs am Jungen Theater Basel, 2011 folgte ihre erste Regiearbeit mit der Produktion «Untenrum», der im Jahr darauf die Inszenierung der Bühnenadaption von Wolfgang Herrndorfs gefeiertem Jugendroman «Tschick» folgte – eine Arbeit, die durch die präzise gestrickte und temporeich in Szene gesetzte Bewegungschoreografie überzeugte und zu begeistern vermochte.

Wie der erfahrene Theatermann Nübling schafft es Gürler, aus den jugendlichen Darstellern ein Höchstmass an Professionalität herauszuholen, sie so zu führen, dass man vergisst, dass hier keine Profis am Werk sind. «Ich lege höchsten Wert auf den Rhythmus und das Timing einer Produktion», sagt sie. Und sie achtet darauf, dass die innere Haltung hinter den Auftritten stimmt.

Das sind Punkte, die es auch bei der Arbeit mit professionellen Schauspielerinnen und Schauspielern zu beachten gilt, sagt Gürler, die ihr Handwerk übrigens zum grössten Teil am Jungen Theater erlernt hat. Als weitere Stationen kamen ein Praxisjahr am Schauspielhaus Zürich und diverse Projekte an der Zürcher Hochschule der Künste dazu.

Vielbeschäftigt aus eigenem Antrieb

Für eine traditionelle Ausbildung mit Abschluss reichte die Zeit in Gürlers Laufbahn offensichtlich nicht. Neben ihren eigentlichen Theaterarbeiten leitete sie am Jungen Theater Basel das Projekt «Zeig!», eine offene Bühne für junge Talente, zusammen mit Nico Grüninger von der Kaserne Basel gründete sie den Club für junge Theaterzuschauer «Voyeure», und nicht zuletzt war sie auch noch Vorstandsmitglied des Basler Jugendkulturfestivals JKF.

Dass Gürler neben ihrem Engagement in Berlin weiterhin am Jungen Theater Basel tätig sein kann, ist für sie wichtig. Und ein Glücksfall: «Es ist ein Traum, hier an diesem Haus arbeiten zu können», betont sie. Sie mag die Arbeit mit jugendlichen Darstellern, die in der aktuellen Produktion übrigens ziemlich unterschiedliche Hintergründe mitbringen: Es gibt die beiden erfahrenen Spieler, die bereits so etwas wie alte Hasen am Haus sind. Dabei sind überdies zwei junge Frauen, die ihre ersten Bühnen-Gehversuche in einem Kurs unter Gürlers Leitung absolviert hatten, aber auch zwei ganz junge Mitwirkende im Alter von 14 beziehungsweise 16 Jahren, die eben erst mit der praktischen Theaterarbeit in Berührung gekommen sind.

Ihre Vorliebe, nicht nur mit professionellen Erwachsenen, sondern auch mit jugendlichen Laien zu arbeiten, ist eine weitere Parallele, die sie mit Sebastian Nübling verbindet. Der aus Hausen stammende Regisseur gehört längst zu den wichtigen Namen in der deutschen Theaterlandschaft. Er inszeniert an den grossen Bühnen von Basel bis Berlin, gehört zu den Stammgästen am Berliner Theatertreffen und kehrt doch immer wieder mit grossem Engagement ans Junge Theater Basel zurück.

Zu den ganz grossen Namen der deutschsprachigen Theaterszene gehört Suna Gürler noch nicht (wobei die Betonung in diesem Satz auf dem «noch» liegen sollte). Aber einmal mehr kann sich das Junge Theater Basel als Haus profilieren, das herausragende Theaterleute an sich bindet, die wiederum für überragende Produktionen sorgen und so den Ruf des Hauses weit über die Grenzen Basels hinaustragen.

Junges Theater Basel: «Strom»

Das Theaterprojekt «Strom» zeigt die vertrackte Geschichte eines jungen Aussenseiters, der seine Umgebung gegen sich aufbringt. Gemeinsam beschliesst eine Gruppe Jugendlicher, ihm einen nachhaltigen Denkzettel zu verpassen – ein Unterfangen, das aber ganz und gar nicht gut ausgeht. Die Theaterproduktion basiert auf dem Drehbuch zum US-amerikanischen Film «Mean Creek» von Jacob Aaron Estes aus dem Jahr 2004.
Premiere ist am Samstag, 6. Dezember, weitere Vorstellungen folgen bis Ende März 2015.

 

 

 

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