Tomas Duda spielt mit seiner Band für ein besseres Leben

Man verwehrt ihnen die Arbeit, den Restaurantbesuch, ein Leben in Würde. Darum kommen viele Roma aus der Slowakei in die Schweiz, um als Strassenmusiker die Familie zu ernähren. Die Duda-Band aus Sabinov ist eine von ihnen. Am Karfreitag spielt sie in Bennwil.

Tomas Duda bei der Arbeit: Mit der Musik hofft er, seinen Kindern dereinst ein besseres Leben bieten zu können. (Bild: Guido Schaerli)

Man verwehrt ihnen die Arbeit, den Restaurantbesuch, ein Leben in Würde. Darum kommen viele Roma aus der Slowakei in die Schweiz, um als Strassenmusiker die Familie zu ernähren. Die Duda-Band aus Sabinov ist eine von ihnen. Am Karfreitag spielt sie in Bennwil.

«Wir würden gerne ein normales Leben führen, zuhause, in der Slowakei», sagt Tomas Duda, 25 Jahre alt, dunkle Augen, pechschwarzes Haar. «Aber das ist nicht möglich.» Denn er ist Rom, und seine Geschichte ist die von Tausenden seiner Ethnie. Ein Leben in ärmsten Verhältnissen, Unterstützung vom Staat erhalten die Familien kaum, Ablehnung und Rassismus sind allgegenwärtig und Arbeit gibt es nicht. Nicht für Roma, nicht in der Slowakei, wo Tomas herkommt.

Darum führt er kein normales Leben. Also packt er gemeinsam mit Familienangehörigen und Freunden alle paar Wochen ein Auto, das öfter kaputt als fahrbar ist, um in die Schweiz zu reisen. 1300 Kilometer – ein Weg. Als «Duda-Band» versuchen sie ihr Glück, um mit Musik das Leben daheim bestreiten zu können. 

Die Duda-Band, das sind Tomas an Gitarre, Geige und Akkordeon, Vater und Bruder, beide heissen Tibor. Der eine virtuos an Viola und Kontrabass, der andere ein begnadeter Sänger. Daneben ergänzen wechselnde Musiker die Band. Die Dudas sind Vollblutmusiker, das Niveau professionell. «Sie gehören zu den besten», sagt eine Insiderin, «eigentlich zu gut für die Strasse, aber eben.» Das Los der Roma.

Die Duda-Band spielt Gypsy Jazz, Traditionals der Roma, World Music, Flamenco. Spielt mit Inbrunst gegen den knurrenden Magen. Spielt auf der Strasse in Fussgängerzonen, in Bahnhofunterführungen, gelegentlich in Gotteshäusern. Wie etwa diesen Freitag, wenn die Band in der reformierten Kirche zu Bennwil den Karfreitags-Gottesdienst bereichert.

Pfarrer ist dort Roland Bressan. Der hat kürzlich einen Verein zur Unterstützung der Roma gründet: «Roma Nadej», Hoffnung für Roma. Mit seiner Gemeinde hat er Tomas Duda schon daheim in der Slowakei besucht, ein Projekt mit dem hiesigen Pfarrer entwickelt sich vielversprechend. In Bressans Vorgarten steht ein ausrangierter Wohnwagen, in dem Bressan Roma übernachten lässt, nicht nur die Dudas. Mehr als ihre Instrumente und ihr Auto haben sie nämlich nicht. Darum ist Hölstein oder auch Solothurn, wo sie jeweils eine Schweizer Rentnerin bei sich aufnimmt, besonders beliebt. Über die Jahre hat sich so ein Netzwerk aus befreundeten Schweizern entwickelt. «Aber zum Beispiel in Basel oder St. Gallen kennen wir niemanden», sagt Tomas. «Dann schlafen wir im Auto.»

«Das Leben im Telek ist nicht gut für die Kinder. Ich will für sie ein besseres Leben, will sie in die Schule schicken. Man muss hier irgendwie rauskommen», schildert Tomas Duda sein Zuhause.

Er und seine Band sind öfter hier als zuhause – drei, vier Wochen Schweiz, zwei Wochen Slowakei. Dort wartet Tomas Frau und die drei Kinder. Er vermisse sie furchtbar, seufzt er, wo doch die jüngste Tochter krank sei, «aber es geht nicht anders.» Zuhause, das ist Sabinov, eine Stadt in den Karpaten, Ostslowakei, Auffangbecken für Roma aus ganz Osteuropa.

Im Winter klirrt die Kälte wie hier in den Alpen, Dämmung und Heizungen sucht man vergebens. Man feuert mit Holz, Strom zapft man von irgendwo, und gelegentlich ziehen Skinhead-Horden aus Tschechien und Ungarn durch die Lande. Einmal, erinnert sich Tomas, hätten sie erst ein paar Kilometer vor Sabinov Kehrt gemacht.



Manchmal spielt die Duda-Band auch drinnen, zum Beispiel am Karfreitag am Gottesdienst in Bennwil.

Manchmal spielt die Duda-Band auch drinnen, zum Beispiel am Karfreitag am Gottesdienst in Bennwil. (Bild: Guido Schaerli)

Die Roma leben hier im Ortsteil Severná, das sie Telek nennen, Ghetto. Sie wohnen in Betonbehausungen, eine wie die andere, errichtet von der Regierung. Die Kanalisation hat man sich gespart und entsprechend auch fliessendes Wasser. «Das Leben im Telek ist nicht gut für die Kinder. Ich will für sie ein besseres Leben, will sie in die Schule schicken. Man muss hier irgendwie rauskommen.»

Tomas Duda hat einen genauen Plan, wie er das schaffen will. Er, der Profimusiker, will eine Musikschule für Kinder eröffnen, offen für alle, Roma und Slowaken. Er wolle, sagt er, eine Brücke bauen, gegen die Abgrenzung anspielen mit Gitarre, Geige und Kontrabass. «Das ist mein Traum: Stunden geben, dazu ein kleiner Instrumentenladen. Viel braucht es dafür gar nicht.»

Tomas blickt gen Himmel, versperrt von der Decke des Migros-Restaurants, wo wir uns treffen. Doch die Absicht ist klar: Er schickt ein kurzes Stossgebet, denn der Glaube – die Dudas sind Christen – spielt eine grosse Rolle im Leben dieser Verstossenen. Er trinkt nicht, das Geld spart er für die Familie. Zuhause in der Slowakei dürfte er, der Rom, das Restaurant nicht einmal betreten. Die Musikschule könnte nicht nur das Auskommen seiner Familie sichern. Es würde Beschäftigung ins Telek bringen. Und Hoffnung.

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Gottesdienst Karfreitag, 3. April in der Kirche Bennwil mit der Duda-Band, 10 Uhr.

Antiziganismus aktueller denn je
Roma sind die grösste Minderheit Europas, ihrer Bevölkerungsgruppe gehören je nach Schätzung acht bis zehn Millionen Menschen an. Forscher gehen davon aus, dass sie im 10. Jahrhundert aus Indien nach Europa übersiedelten. Entgegen der landläufigen Meinung sind die Roma fast ausschliesslich sesshaft. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Roma deportiert und systematisch ermordet, man geht von einer halben Million Opfer aus. Der Rassismus gegen Roma, Sinti, Jenische und Manouche hält sich bis heute. In Anlehnung an den Antisemitismus hat sich daraus der Begriff Antiziganismus gebildet. Viel hat dabei mit stereotypen Vorstellungen über «die Zigeuner» zu tun: stehlende Nomaden, obschon sie für die meisten eine vielmehr abstrakte Bevölkerungsgruppe praktisch ohne Berührungspunkte zum eigenen Leben ist. Befeuert werden die Ressentiments heute zudem aus Angst vor Armutsmigration.

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