Apple Watch? Pah, Baselbieter Uhrenfirmen haben smarte Strategien

Nachdem sich Apple erfolgreich als Uhrenmarke etabliert hat, brodelt es in der Schweizer Uhrenindustrie. Wie reagieren die Baselbieter Uhrenhersteller auf den Wandel in der Branche? Ein Besuch bei den Uhrenfabriken Oris und Ronda.

Jedes Staubkorn kann zu einer Störung führen. Hochkonzentriert setzt die Uhrmacherin die fertig aufgebaute Uhr ins Gehäuse ein.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Nachdem sich Apple erfolgreich als Uhrenmarke etabliert hat, brodelt es in der Schweizer Uhrenindustrie. Wie reagieren die Baselbieter Uhrenhersteller auf den Wandel in der Branche? Ein Besuch bei den Uhrenfabriken Oris und Ronda.

Die Baselworld steht an und die Schweizer Uhrenindustrie unter Druck. Nach sieben Jahren des Wachstums gingen die Exportzahlen 2015 im Vergleich zum Vorjahr um über drei Prozent zurück

Der Boom auf dem chinesischen Markt scheint vorbei, die Frankenstärke zwingt die Uhrenhersteller zu Preisanpassungen im Euro-Raum. Hinzu kommt ein neuer Player in der Branche: Seit einem Jahr verkauft der Technologie-Gigant Apple eine intelligente Uhr, die Apple Watch. Das Schreckgespenst einer weiteren technischen Revolution geht um.

Wird die Baselbieter Uhrenindustrie sie erneut verschlafen wie Ende der 1970er-Jahre, als Quarzuhren billige mechanische Modelle vom Markt fegten? Ein Besuch bei Oris und Ronda, zwei Uhrenfabriken im Baselbiet.

Mit Tradition zurück zum Erfolg



Im vorderen Teil des Gebäude stellt Oris weiterhin Uhren her. Der hintere Teil wurde verkauft.

Im vorderen Teil des Gebäudes stellt Oris weiterhin Uhren her. Der hintere Teil wurde verkauft. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Heute erinnert das mächtige Gebäude von Oris wie ein Mahnmal an die goldene Zeit. In den 1960er-Jahren beschäftigte die Uhrenfabrik rund 850 Personen, aus dem ganzen Waldenburgertal wurden die Mitarbeiter mit firmeneigenen Bussen nach Hölstein gefahren. Die Belegschaft ist mittlerweile auf 65 Personen geschrumpft, der grössere Gebäudeteil längst verkauft. Die Quarzkrise bedeutete für Oris einen brutalen Einschnitt.

Zu Beginn der 1970er-Jahre wurde die Firma an die Uhrengruppe Asuag (heute Swatch Group) verkauft, innerhalb der riesigen Holding waren den Baselbietern die Hände gebunden. «Oris war dazu verdammt im billigen Preissegment zu bleiben», sagt der Fachjournalist Timm Delfs. Erst durch ein Management-Buy-Out konnten Rolf Portmann und Ulrich Herzog 1982 den Hersteller mechanischer Billig-Uhren vor dem Untergang bewahren. 34 Jahre später sagt Rico Steiner, Region Manager bei Oris, nicht ohne Stolz: «Wir sind einer der letzten unabhängigen Schweizer Uhrenhersteller, die es noch gibt.»

Erst nachdem Zweiten Weltkriegs wurde die Uhrwerkfabrik Ronda in Lausen gegründet, mit 260 Beschäftigten heute der grösste Arbeitgeber in der Baselbieter Uhrenindustrie.

Wie der Vater setzt auch der Sohn auf Innovation, aber viel stärker als früher sucht der junge Mosset nach Möglichkeiten, wie sich die Firma von anderen abheben kann.  «Früher war Ronda stark im Schatten der Konkurrenten», sagt Mosset. «Heute suchen wir unseren eigenen Weg.» Zu diesem Weg gehören auch die hochwertigen Chronografen-Werke, wie dasjenige am Fabrikgebäude. Solche Werke bietet die ETA nicht an.

«Wir haben uns in den letzten Jahren preislich in einem höheren Segment positioniert», sagt Erich Mosset, Sohn des Firmengründers und CEO. Von der asiatischen Konkurrenz grenzt sich Ronda nicht nur punkto Innovation, sondern auch preislich ab: Ein chinesisches Uhrwerk ohne Batterie kostet 25 Rappen, ein japanisches 50 Rappen und ein Schweizer Uhrwerk von Ronda 1.70 Franken. Entsprechend haben auch die Uhren, in denen Ronda tickt, ihren Preis: zwischen 300 und 1500 Franken.

Mit dem eigenen, mechanischen Uhrwerk zurück zu den Anfängen

Mit einer schwarzen Lupe auf der Brille setzt die Uhrmacherin das Oris-Uhrwerk ins Gehäuse ein. Im Raum herrscht Stille, nicht einmal das Ticken einer Uhr ist zu hören. Seit 2014 produziert Oris wieder eigene Uhrwerke, der Konzern findet damit wieder zurück zu seinen Anfängen vor über 100 Jahren. «Es war ein Wunsch von Herrn Herzog, dass Oris wieder ein eigenes, mechanisches Uhrwerk herstellt», sagt Steiner. An der diesjährigen Baselworld stellte die Firma eine Uhr mit eigenem Uhrwerk vor.

Die Exportzahlen der letzten Jahre geben Oris recht. Seit 2005 haben sich die Exporte mechanischer Uhren mehr als verdoppelt. Im Jahr 2015 waren 7,8 Millionen Uhren mit einem mechanischen Werk ausgestattet, mit dem Export erzielte die Industrie damit einen Umsatz von über 16 Milliarden Franken. Doch der Schweizer Uhrenmarkt sei unter Druck, sagt Steiner. Die Ausfuhren der Schweizer Uhrenindustrie nach Hongkong sind im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent eingebrochen. Trotzdem entwickle sich Oris in diesem schwierigen Umfeld positiv, in Europa verzeichne das Baselbieter Unternehmen ein zweistelliges Wachstum. 

Vor Smartwatches fürchtet sich Steiner nicht: «Mechanische Uhren holen eine ganz andere emotionale Komponente beim Kunden ab.» Die Smartwatch hingegen sei High-Tech gesteuert und kurzlebig. Die Marktforscher von Juniper Research rechnen damit, dass im laufenden Jahr 24 Millionen Apple Watches abgesetzt werden. Glaubt man den Schätzungen, dann könnte Apple mit seiner Uhr einen Umsatz von beinahe zehn Milliarden Franken erzielen.

Steiner blickt der Zukunft gelassen entgegen: «Wir sehen, dass Smartwatches ein riesiger Markt sind. Wir bleiben unserem Handwerk aber treu und machen das, was wir schon die letzten 112 Jahre gemacht haben.»

Die mechanische Uhr ist ein Anachronismus

Die Faszination für mechanische Uhren teilt auch Fachjournalist Timm Delfs, der auch Eigentümer des Uhrengeschäfts «Zeitzentrale» in Basel ist. Er erinnert sich an seine Kindheit, als er sich die Taschenuhr von seinem Grossvater ans Ohr hielt und dem Ticken lauschte. «Was mich an Uhren begeistert, ist die Mechanik.» Schon als Kind hat er gerne Geräte aufgeschraubt, getrieben von der Neugierde, die Technik zu verstehen. «Unsere Zeit ist voller Geräte, deren Funktionsaufbau wir nicht mehr verstehen», sagt der Uhrenliebhaber. «Wir haben das Staunen verlernt.»

Die mechanische Uhr ist der Gegenentwurf zu dieser Welt. «Die mechanische Uhr ist ein Anachronismus», sagt Delfs. Sie sei das einzige Produkt, das ein technologischer Rückschritt sei und trotzdem überlebt habe.



Ronda entwickelt seine Quarzuhrwerke in Lausen.

Ronda entwickelt seine Quarzuhrwerke in Lausen. (Bild: Daniel Vogt)

Die Zukunft der mechanischen Uhr macht Delfs keine Sorgen: «Die meisten Personen kaufen sich eine Smartwatch als Zweituhr und haben bereits eine mechanische Uhr oder sogar mehrere.» Gefahren sieht der Branchenkenner eher bei Quarz-Uhren, die nicht mehr können, als die Zeit anzuzeigen. «Ich kann mir gut vorstellen, dass Ronda die Smartwatches spürt.»

Die Uhrenindustrie im Baselbiet tickt zwischen Innovation und Tradition

In der Welt der Smartwatches hat Ronda bereits einen Fuss drin: «Wir verkaufen Räderwerke für Smartuhren, die eine analoge Anzeige haben», sagt Mosset. Ein eigenes Smartuhr-Werk hat die Firma in Lausen aber noch nicht entwickelt. Für Mosset ist im Moment noch schwierig, das Bedürfnis der Uhrenhersteller abzuschätzen. Für ihn ist es noch nicht klar, wie sich die Smart- und die Uhrenwelt überschneiden werden. Ronda stünde aber in engem Kontakt mit ihren Kunden. Das ist sicherlich positiv, denn Tag Heuer, ein Kunde von Ronda, will im Jahr 2016 200’000 Smartwatches herstellen.

Der CEO von Tag Heuer, Jean-Claude Biver, warnt denn auch in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» vor einer «Phase der Arroganz in der Uhrenindustrie». Er bemängelt, dass wichtige Veränderungen oft nicht wahrgenommen würden. Für Oris spielen diese Veränderungen keine Rolle: «Smartwatches sind nicht der Oris-Way», sagt Steiner.

Zum Schluss noch: «Get a life!»

Ist das Video schelmisch oder einfach nur Ausdruck der angesprochenen Arroganz? Eine Schaffhauser Luxus-Uhrenschmiede veräppelt den kalifornischen Tech-Giganten.

Nur der Preis könnte wirklich aus dem Hause Apple stammen: 28’000 Franken.

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