10 Bündner Spezialitäten

Eine Bündner Volkskundlerin erklärt zehn Bündner Spezialitäten: von eigenartigen Bräuchen bis hin zu schweizweit beliebten Gaumenfreuden.

(Bild: Raquel Zinsli)

Eine Bündner Volkskundlerin erklärt zehn Bündner Spezialitäten: von eigenartigen Bräuchen bis hin zu schweizweit beliebten Gaumenfreuden.

Mazza-Cula

Das Mazza-Cula-Spiel ist eine Art Bauerngolf und wird in Masein seit ca. 40 Jahren im Frühling und im Herbst im Gelände gespielt. Die „Mazza“ (Schlagstock) besteht aus einem Holzstecken mit einem Holzklotz an der Spitze. Die „Cula“ (Kugel) ist eine gefärbte Holzkugel von 5 cm Durchmesser. Zwei Mannschaften zu 2-3 Personen spielen gegeneinander. Das Ziel ist kein Loch, sondern ein Stein, ein Baum oder ein Stalltor. Jene Mannschaft, die mit weniger Schlägen das Ziel trifft, erhält einen Punkt. Die Verlierer bezahlen den Siegern pro Punkt Vorsprung 20 Rappen.

Pschuuri

Am Vormittag des Aschermittwochs ziehen in Splügen die Vorschulkinder kostümiert und mit Tragkörben als „Pschuuribättler“ von Haus zu Haus und sammeln Süssigkeiten. Nachmittags schleichen die in Felle gehüllten Burschen mit Schellen und dem Säcklein mit einer Schmiere aus Kohle und Fett durchs Dorf. Damit schwärzen die „Pschuurirolli“ das Gesicht von Kindern, Mädchen und ledigen Frauen. Abends heischen die als «Männli und Wibli» verkleideten Burschen in den Häusern Eier, um daraus Eierspeisen und das Getränk „Resimäda“ für das Festessen zuzubereiten.

Arvenholz

Das weiche Holz der über der normalen Baumgrenze wachsenden Arve eignet sich besonders gut zum Schnitzen und zur Herstellung von Arvenmöbeln. Es enthält viel Harz, das dank seines ätherischen Öls prägnant duftet. Ein Merkmal sind auch die rötlichen Äste. Typische Arvenmöbel sind Stabellen, Bänke, Tische, Buffets und Betten mit Schnitzereien. Im Val Müstair, im Engadin und im übrigen Kanton stellen zahlreiche Schreinereien Arvenmöbel im traditionellen Stil wie auch moderne Produkte her. Beliebt sind auch die mit Arvenholz gefüllten Arvenkissen und -duvets.

Capuns

Kaum ein Bündner Gericht wird auf so viele unterschiedliche Arten zubereitet wie Capuns (Mangoldwickel). Es gibt so viele Rezepte wie Schwiegermütter, sagt man, und das eigene ist immer das beste. Ein dicker Spätzliteig wird mit gehacktem Trockenfleisch wie Salsiz oder Landjäger, Kräutern und Gewürzen angereichert und portionenweise in Mangoldblätter gewickelt. Die Päcklein kocht man in Milchwasser oder Bouillon und serviert sie mit einer Sauce und Käse. Das einstige Armeleutegericht aus der Surselva ist zum beliebten Experimentierfeld für kreative Köche geworden.

Troccas

Troccas (Tarock) ist ein alt bekanntes Kartenspiel, das in der Surselva gespielt wird. Es zählt 78 Karten: 21 troccas (Trümpfe) und vier Farben (Stecken, Schwerter, Rosen und Kelche) zu je 14 Karten und ein Narr als Joker. Regelmässig finden Turniere und seit 2006 offizielle Bündner Troccas-Meisterschaften statt. Meist spielen zwei Paare gegeneinander. Die Besonderheit des Spiels ist das „tschintschar“ (reden) mit codierten rätoromanischen Begriffen, mit denen die Spieler in jeder Runde ihre Partner über die eigenen Karten informieren und versuchen, die Gegner zu täuschen.

Röteli

Der Bündner Röteli ist ein würziger Kirschenlikör, der in Nordbünden nach traditionellen Hausrezepten hergestellt wird. Er besteht aus Obstbranntwein und Zuckersirup mit eingelegten gedörrten Kirschen und Gewürzen wie Zimt, Nelken, Vanille und Zitrone. Die Kirschen geben dem Likör seine kräftige rote Farbe und den Namen. Röteli wird vor allem in den Wintermonaten getrunken. Zum Jahreswechsel stösst man mit einem Gläschen Röteli mit der Familie, Freunden und Bekannten an. Mittlerweile bieten auch Konditoreien und Restaurants mit Röteli kreierte Torten und Desserts an.

Bündnerfleisch

Bündnerfleisch (eigentlich Bindenfleisch) besteht aus mageren Rindfleischstücken, die mit Salz und speziellen Gewürzen bei niederer Temperatur gepökelt und anschliessend luftgetrocknet und regelmässig gepresst werden. Die einst typische Bauernkost entwickelte sich zur beliebten Delikatesse. Heute trocknet der grösste Teil des Bündnerfleischs nicht mehr an der kühlen frischen Bergluft, sondern ganzjährig in klimatisierten Anlagen. Das Fleisch stammt teilweise aus Südamerika, muss aber in Graubünden verarbeitet worden sein. Bündnerfleisch schmeckt am besten hauchdünn geschnitten.

Scheibenschlagen

Am ersten Fastensonntag wandern die Untervazer Burschen gegen Abend zum Scheibenplatz oberhalb des Dorfes. Jeder trägt seine an einer Schnur aufgereihten Holzscheiben und eine lange Haselrute. Die Schläger stecken die Scheiben einzeln auf die Rute, bringen sie im Feuer zum Glühen und schleudern sie anschliessend von der hölzernen Abschussrampe ins Tal hinunter. Begleitet wird jede Scheibe von einer Widmung für ein Mädchen. Die Burschen machen sich mit den brennenden Fackeln auf den Heimweg. Im Dorf besuchen sie die Mädchen und werden mit Fasnachtschüechli bewirtet.

Kastanienklopfen

Im Bergell werden die Edelkastanien nach der Ernte in speziellen Dörrhäuschen („cascina“) auf einem Rost über einem schwelenden Feuer während 5-6 Wochen getrocknet und geräuchert. Im November treffen sich die Familie, Verwandte und Bekannte zum Kastanienklopfen. Die getrockneten Früchte werden in langen, schmalen Leinensäcken etwa vierzigmal auf bereitgestellte Holzblöcke geschlagen, bis sich die Schale von den Kastanien gelöst hat. Anschliessend trennt man in einem Weidekorb durch rhythmische Bewegungen die zerstossenen Schalen von den Früchten.

Nusstorte

Die Bündner Nusstorte (auch Engadiner Nusstorte) ist die bekannteste Bündner Spezialität. Sie besteht aus Mürbeteig mit einer Füllung aus karamellisierten grob gehackten Baumnüssen und Rahm. Die Rezepte sind vielfältig und die Hintergründe um den Ursprung der Torte umstritten. Auch wenn das Originalrezept möglicherweise von Zuckerbäckern aus Frankreich oder aus dem Thurgau stammt und die Baumnüsse importiert sind, sorgen die Bündner Konditoren dafür, dass ihre Nusstorte im In- und Ausland ein Erfolgsprodukt bleibt. 

Bilder und weitere Informationen zu den meisten erwähnten Spezialitäten gibt es unter Lebendige-Traditionen.ch und Kulinarischeserbe.ch.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04.01.13

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