Im September wurde die Anlaufstelle für Sans-Papiers um das Angebot einer medizinischen Grundversorgung erweitert. Ermöglicht hatte das eine Finanzspritze der Christoph Merian Stiftung.
Sans-Papiers sind Menschen, die ohne gültige Aufenthaltsbewilligung hier leben. Sie sind hier, weil es in der Schweiz im Unterschied zu ihren Heimatländern einen Arbeitsmarkt für sie gibt. Sie arbeiten in Haushalten, im Gastgewerbe, in der Landwirtschaft und auf dem Bau. In der gesamten Schweiz gibt es gemäss Schätzungen etwa 100’000 Sans-Papiers, in der Stadt Basel um die 5000. Wenn sie ein Problem haben, zum Beispiel mit ihrem Vermieter oder mit ihrem Arbeitgeber, dann können sie nicht auf ein Amt gehen und sich dort nach ihren Rechten erkundigen. Sie sind ja nicht angemeldet. Und wenn sie krank werden, versuchen sie sich selbst zu helfen, weil sie sich nicht zum Arzt trauen. Oder Angst vor den hohen Kosten haben.
Aus all diesen Gründen wurde vor zehn Jahren in Basel die Anlaufstelle für Sans-Papiers eröffnet: Um diese Menschen zu informieren und zu beraten und sie an Stellen weiterzuleiten, an denen sie die benötigte Hilfe bekommen würden. Zum Beispiel an einen der Ärzte und Ärztinnen, die sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen hatten und mit der Anlaufstelle zusammenarbeiten. Doch es zeigte sich, dass das nicht genügte.
40 Erstkonsultationen
Es wurde klar, dass viele aufwendige ärztliche Behandlungen vermieden werden könnten, würde den Sans-Papiers schnellere und niederschwelligere Hilfe zuteil. Doch der Anlaufstelle, die durch Spenden von rund 1000 Personen aus Basel finanziert wird (100’000 Fanken jährlich), fehlten die Mittel für eine Erweiterung des Angebots. Das wurde erst durch die zusätzliche Unterstützung der Christoph Merian Stiftung (CMS) mit 240’000 Franken ermöglicht. Seit September, genau seit 100 Tagen, gibt es in der Anlaufstelle für Sans-Papiers die medizinische Grundversorgung. Aus diesem Anlass luden der Verein Anlaufstelle Sans-Papiers sowie die CMS zu einer Bilanz-Pressekonferenz.
In diesen 100 Tagen, sagte Mariama Usman, die als ausgebildete Pflegefachfrau für die medizinische Grundversorgung zuständig ist, hätten 40 Erstkonsultationen stattgefunden und 23 Patienten seien an ein Netzwerkmitglied überwiesen worden. Einige medizinische Verrichtungen wie Blutdruckmessungen, Urinanalyse und Schwangerschaftstest habe sie direkt vor Ort durchführen können. Auch könne sie hier Verbände anlegen, oder nicht-rezeptpflichtige Medikamente abgeben. «Die Patientinnen und Patienten, die hierherkommen, haben die unterschiedlichsten Beschwerden, einfache grippale Infekte, Zahnprobleme, Bauch- und Rückenschmerzen, leiden aber auch oft an psychischen Belastungen, gerade wegen ihrer Situation.»
Für Krankenkassen gilt Stillschweigen
Letzte Woche sei eine Frau gekommen, die im 7. Monat schwanger ist und noch nie bei einem Arzt gewesen sei. Usman nahm mit dem Unispital Kontakt auf und meldete sie für eine Schwangerschaftskontrolle an. Zudem schloss sie sofort eine Krankenversicherung für die Frau ab, damit sie für die weiteren Kontrollen und Geburt finanziell abgesichert war. Was viele Sans-Papiers nämlich nicht wissen: Die obligatorische Krankenversicherung gilt auch für sie, und die Krankenkassen sind wie Ärzte zum Stillschweigen verpflichtet. Auch das, der Abschluss einer Krankenversicherung für ihre Klienten, ist eine wichtige Aufgaben der Betreuerinnen bei der Anlaufstelle.
Das Ziel wäre erreicht, sagte Hannes Reiser vom Vorstand der Anlaufstelle für Sans-Papiers, «wenn es die Anlaufstelle eines Tages nicht mehr bräuchte». Und damit meinte er nicht in erster Linie, wenn immer mehr Sans-Papiers versichert wären, sondern vor allem: «Wenn die Migrationsgesetze so menschlich gemacht sind, dass es keine Sans-Papiers mehr gibt.» Was angesichts der momentanen politischen Stimmung im Land ein frommer Wunsch ist. Vorerst geht es deshalb darum, dass möglichst viele Sans-Papiers von diesem neuen Angebot erfahren. Insofern ist man beim Verein Anlaufstelle für Sans-Papiers sehr erleichtert, dass die CMS beschlossen hat, auch für die Jahre 2013 und 2014 mit einer Finanzspritze das Angebot am Leben zu erhalten.