Vor 20 Jahren begann die erste heroingestützte Behandlung am Zentrum Janus. Ein Erfolg: Die offene Drogenszene ist seither verschwunden. Doch das Altern der Patienten stellt das Ambulatorium vor Herausforderungen. Die Zukunft bleibt anspruchsvoll.
Wenn Johannes Strasser, ärztlicher Leiter im Zentrum Janus der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK), und Ambulatoriumsleiter Otto Schmid von der heroingestützten Behandlung sprechen, spürt man, dass in ihren Worten Überzeugung steckt.
Bei der Frage, ob im Verlaufe der 20 Jahre jemals Zweifel an der Behandlungsmethode aufkamen, schüttelt Schmid den Kopf. «Da muss ich ganz ehrlich sagen: keinen Moment», sagt der Ambulatoriumsleiter und ist sich sicher, dass sehr viele Patienten ohne die Behandlung von Janus gestorben wären.
Vor 20 Jahren begann die erste heroingestützte Behandlung am Janus als wissenschaftliches Projekt (siehe Box). «Heute ist das Janus eine moderne, therapeutische Einrichtung», erklärt Strasser, weist aber auch auf die Besonderheit hin: Der Rausch ist Teil der Therapie. Im Laufe der Zeit wurden hier 690 Patienten behandelt, zurzeit sind 160 Menschen in Behandlung.
Neben dem pharmazeutischen Heroin (Diaphin), das sich die Patienten zweimal täglich im Ambulatorium injizieren, werden die Heroinabhängigen im Janus psychologisch und sozial betreut. «Durch das Heroin kommen Patienten, die sonst gar nicht kommen würden.»
Auch schwere Krankheitsbilder wie eine Borderline-Persönlichkeitsstörung lassen sich im Janus aufgrund des häufigen persönlichen Kontakts – 14-mal pro Woche – behandeln, erklärt Strasser. «Auch kurze Kontakte bauen eine Beziehung auf», sagt der ärztliche Leiter.
«Auch kurze Kontakte bauen eine Beziehung auf.»
Dadurch ergeben sich Möglichkeiten, auf die ein Psychiater mit eigener Praxis neidisch sein könnte, schwärmt Strasser. Der Beziehungsaufbau sei bei der heroingestützten Behandlung der Schlüssel zum Erfolg.
Vergleichbar mit Diabetes
Dass die Patienten wegen des Heroins kommen, wird dem Janus aber auch zum Vorwurf gemacht. Aus dem rechtspopulistischen Lager verlautet: «Die Patienten werden chronifiziert.» Zuerst locke das Janus die Patienten mit Heroin an und dann passiere nichts mehr, beschreibt Strasser die Vorwürfe. «Man kann einen chronisch Kranken aber nicht chronifizieren», präzisiert Schmid.
Gerade weil die Patienten chronisch krank seien, brauchen sie eine Langzeitbehandlung, stellt der Ambulatoriumsleiter fest. Die Erkenntnis, dass Heroinabhängige an einer chronischen Krankheit leiden, sei in der Bevölkerung nicht verankert und auch nicht akzeptiert, erklärt Schmid.
«Wie Diabetes mellitus», erklärt Strasser, «ist auch die Heroinabhängigkeit eine chronisch verlaufende Krankheit.» Bei jeder Behandlung einer chronischen Krankheit – auch bei der Heroinabhängigkeit – sei es das Ziel, dass die Betroffenen ihr Leben wieder selbst bestimmen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
Die Frage «Wie viele kommen bei euch von dem Zeug weg?» findet Strasser irritierend. «Bei einem Diabetiker», sagt Strasser, «würde man so eine Frage ja gar nicht stellen.» Für Strasser ist klar, dass bei einem Heroinabhängigen Abstinenz ein unfaires Ziel sei.
Die Platzspitz-Generation wird älter
«Wir haben nur wenig junge Patienten», sagt Schmid. Das Janus betreut vorwiegend die Generation, die vor 20 Jahren mit Heroin in Kontakt kam. Aber die Platzspitz-Generation wird immer älter. «Das Altern der Patienten beschäftigt uns sehr», beteuert Strasser.
«Wir haben nur wenig junge Patienten.»
Die Heroinabhängigen dieser Generation sind frühzeitig gealtert und haben bereits mit 50 Jahren Krankheiten, die sonst erst mit 70 Jahren auftreten: Bluthochdruck, Herzkreislaufprobleme und Lungenerkrankungen. «In Einzelfällen leiden die Heroinabhängigen auch an Demenz», erklärt der ärztliche Leiter.
Das Janus steht vor der Herausforderung, die Heroinabhängigen ins normale Versorgungsnetz einzubinden. «Wir müssen jetzt mit Spitälern und Altersheimen zusammenarbeiten», sagt Schmid, «damit die Patienten gut behandelt werden können.»
Gewappnet für die Zukunft
Nach 20 Jahren heroingestützter Behandlung zieht das ambulante Behandlungszentrum Janus eine positive Bilanz: Die Zeit der offenen Drogenszenen ist in der Schweiz vorbei. Durch die Erfahrungen, die Strasser bei Janus sammeln konnte, ist für ihn klar, dass die heroingestützte Behandlung vernünftig ist.
In der Zukunft sieht Strasser das Ambulatorium als ein Kompetenzzentrum für Abhängigkeitserkrankungen. Aus diesem Grund ist es auch geplant, dass das Janus mit dem Ambulanten Dienst Sucht der (UPK) fusioniert.
«Dadurch entsteht ein grosses Ambulatorium, welches alle Abhängigkeitsstörungen behandeln kann», erklärt Schmid. Dieser Schritt sei wichtig, damit das Ambulatorium auch für kommende Drogenprobleme gewappnet sei.
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Am Freitag, den 31. Oktober feiert das Janus sein 20-jähriges Jubiläum. Die Veranstaltung findet im Ambulatorium an der Spitalstrasse 2 statt und dauert von 8.30 Uhr bis 16.30 Uhr.
Als Reaktion auf die offene Drogenszene im Kleinbasel Anfang der 1990er-Jahre sprach der Grosse Rat 1994 einen Kredit von 1,2 Millionen Franken für das wissenschaftliche Projekt Janus. Im Verlauf der letzten 20 Jahre wurde die Schweizer Drogenpolitik mehrfach an der Urne bestätigt, und schliesslich wurde die heroingestützte Behandlung im Jahr 2008 im Betäubungsmittelgesetz verankert.
Die heroingestützte Behandlung ist an gewisse Bedingungen geknüpft. Zugelassen ist nur, wer seit zwei Jahren heroinabhängig ist, zwei erfolglose Entzüge hinter sich hat sowie unter schweren körperlichen, psychischen oder sozialen Problemen leidet.