Mit verschiedenen Veranstaltungen feiert Basel 200 Jahre Mädchenbildung. Heute Freitagabend wird im Gymnasium Leonhard eine Ausstellung eröffnet, die durch dieses wichtige Stück Schulgeschichte führt. Am Samstag gehts gleich weiter mit einem grossen Fest.
Es ist noch gar nicht so lange her, da war Schul- und Berufsbildung für Mädchen in der Schweiz keine Selbstverständlichkeit. Für Töchter aus einfachen Verhältnissen erst recht nicht. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, wurde die Investition in Mädchenbildung in vielen Kreisen als Zeitverschwendung betrachtet. «Die heiraten ja sowieso», war die vorherrschende Meinung. Vor allem in den ländlichen Gebieten. Lange Zeit gab es für Mädchen gar keinen Schulunterricht.
Auch Basel brauchte mehrere Anläufe, bis Mädchen «zum ersten Mal Zugang zu Bildung erhielten, was man wirklich Bildung nennen kann», wie Roger Morger, der heutige Rektor am Gymnasium Leonhard, an der heute Freitag einberufenen Medienkonferenz sagte. Der erste Versuch wurde im Gründungsjahr der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige (GGG) anno 1777 und auch aus diesem Umfeld unternommen. Die Idee war, eine «Frauenzimmerschule» nach dem Beispiel der drei Jahre zuvor in Zürich gegründeten Töchterschule zu schaffen, die unentgeltlich war und Töchtern aller Stände offen stand.
Das vornehme Basel war dagegen
Doch das kam in Basel nicht gut an, eine solche Schule entspreche den hiesigen Umständen und Sitten nicht, beschreibt die Historikerin Elfi Belleville die Geschichte in der Jubiläumsschrift: Die Vornehmen wünschten keine Vermischung mit den niederen Ständen und im Mittelstand war man der Meinung, dass Töchter im heiratsfähigen Alter sich mit Handarbeiten beschäftigen sollten. Die GGG bemühte sich weiter, zwei von ihr gegründete Schulen wurden nach kurzer Zeit mangels notwendiger Finanzen oder Schülerinnen wieder aufgehoben.
Erst im vierten Anlauf, 1812 angestossen von einer «Anzahl vaterländisch gesinnter hiesiger Bürger» gelang es der GGG, eine Töchterschule mit einem erfolgversprechenden Konzept auf die Beine zu stellen. Die Schule startete am 4. Januar 1813 mit 36 Schülerinnen in zwei Zimmern im Hinterhaus der Schneidergasse 24. Das Startgeld von 400 Franken übernahm die GGG, die restlichen Mittel mussten durch Schulgeld reingeholt werden. Dieses sei dreimal so hoch gewesen wie das für Buben, so Belleville.
Schrittweise entwickelte sich die Mädchenschulbildung weiter, kurz zusammengefasst: Die GGG-Schule ging 1814 an den Staat über und die Schülerinnenzahlen stiegen und stiegen. Ein Schulhaus auf dem Kohlenberg wurde gebaut, 1884 konnte es bezogen werden. Mit der 1899 eröffneten Gymnasial-Abteilung gab es in Basel die erste Maturitätsklasse für Mädchen. 1913, zum 100-jährigen Jubiläum der Schule, erhielten die Schülerinnen der Gym-Abteilung für ihre Abschlussarbeit die Anerkennung als eidgenössisch anerkannte Maturität. Weitere wichtige Meilensteine in der Schulentwicklung waren der Neubau der Holbein-Schulhauses 1959 und damit die Aufteilung in zwei Mädchengymnasien sowie 1968 die Einführung der Koedukation – sprich: der Einzug der Buben in die Schulhäuser Holbein und Leonhard.
Wertvolle Erinnerungsstücke
In dieses, wie ein ehemaliger Lehrer an der Pressekonferenz sagte, «vom Geist der Emanzipation geprägtes» Stück Basler Geschichte kann sich nun die Bevölkerung in einer Ausstellung zum 200-Jahr-Jubiläum im Schulhaus Leonhard vertiefen. Im Schulgebäude auf vier Stockwerken verteilt zeugen in Vitrinen ausgestellte Dinge wie bestickte Turnsäcke und andere Handarbeiten von einer Zeit, in der solche Fertigkeiten für Mädchen offenbar mindestens so wichtig gewesen sind wie geistiges Wissen. Fotoalben und auch bewegte Bilder erinnern an besondere Ereignisse wie Maturreisen, Skilager und Theateraufführungen.
Einiges von dem Ausstellungsmaterial stammt aus dem eigenen Schularchiv, sehr vieles hätten aber ehemalige Schülerinnen beigesteuert, sagte Jelena Stefanovic, Mitglied der Projektgruppe, die die Ausstellung organisiert hat. Es sei faszinierend, wieviele ihrem Aufruf gefolgt und welche Dinge zusammengekommen seien. Dinge, die offenbar so sorgfältig aufbewahrt wurden, dass sie immer noch in tadellosem Zustand sind. Das zeige, so Stefanovic, den hohen emotionalen Wert, den sie für ihre Besitzerinnen haben. Das älteste Objekt ist übrigens ein Zeugnis aus den Jahren 1859 bis 1862.