200’000 Gulden für den Bischof

Die Basler Jahrrechnungen sind eine reiche historische Quelle. Ein Teil von ihnen ist neu im Internet einsehbar.

Als der Bischof entschädigt werden musste, steuerten viele ihr Scherflein bei: Amtsstube von 1594 im Stammbuch des Ratsherrn Jacob Götz. Historisches Museum Basel, Inv. Nr. 1870.921, Foto: N. Jansen

Die Basler Jahrrechnungen sind eine reiche historische Quelle. Ein Teil von ihnen ist neu im Internet einsehbar.

Historische Quellen sind eine Sache für sich. Zuerst gilt es zu erkennen, dass überhaupt eine solche vorliegt. Dann haben Forscherinnen und Forscher ihre Zuverlässigkeit zu prüfen. Damit sie richtig zu sprudeln beginnt und uns ihr Wissen preisgibt, müssen wir sinnvolle Fragen an sie richten. Und schliesslich ist es wünschenswert, dass sie auch künftigen Nutzern zur Verfügung steht und sie dementsprechend konserviert wird. Letzteres ist bisweilen leichter gesagt als getan.

Das trifft auch auf die Jahrrechnungen der Stadt Basel aus den Jahren von 1361 bis 1610 zu. Die gebundenen Hefte von 80 bis 120 Seiten, in denen die Abrechnungen festgehalten sind, sind vor ihrer Ablieferung ins Staatsarchiv nicht immer unter besten Bedingungen gelagert worden. Dabei haben ihnen zum Teil Schimmel und Feuchtigkeit zugesetzt. Durch Dekontamination wurden sie konserviert, später auch gescannt und in digitaler Form archiviert. 

Digitale Edition

Die Jahrrechnungen aus den Jahren 1361 bis 1534 wurden vor 100 Jahren in Buchform herausgegeben und sind damit leicht zugänglich. Nun hat sich ein Team unter der Leitung von Susanna Burghartz, Professorin für Geschichte der Renaissance und der Frühen Neuzeit an der Universität Basel, der Jahrrechnungen von 1535 bis 1610 angenommen. In Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Basel und dem Zentrum für Informationsmodellierung der Universität Graz hat es die Daten für das Internet aufbereitet. Nun können diese Quellen online gelesen werden, es kann aber auch mit ihnen gerechnet und geforscht werden.

Die Jahresabrechnungen verraten uns nicht nur einiges über die Basler Finanzen, sondern auch über das Leben in der Stadt, wie ein im Rahmen des Projekts entstandener Text von Susanna Burghartz und Lukas Meili deutlich macht.

Der Bischof im Krebsgang

Im Laufe des Spätmittelalters traten die Basler Bürger dem Bischof, ihrem einstigen Stadtherrn, immer selbstbewusster entgegen und verwehrten ihm zusehends althergebrachte Rechte. 1521 entzogen sie ihm schliesslich das Mitspracherecht bei der Besetzung politischer Behörden. Die Reformation von 1529 schwächte seine Position noch mehr. Erschwerend für den Bischof kam hinzu, dass er sich bei der Stadt Basel wiederholt verschuldete und dabei unter anderem die Ämter Liestal, Waldenburg und Homburg verpfändete.

Mit dem Erstarken der Gegenreformation versuchte der 1575 in sein Amt eingesetzte Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee das Rad zurückzudrehen. Ein eidgenössisches Schiedsgericht fällte 1585 schliesslich folgenden Entscheid: Basel musste sich aus den Orten im Birseck und Leimental zurückziehen. Im Gegenzug konnte es aber die als Pfand erhaltenen Baselbieter Ämter für die Ablösesumme von 200’000 Gulden definitiv erwerben.

Vermögende Witwen beteiligten sich

In ihrem Text zeigen Susanna Burghartz und Lukas Meili, gestützt auf die Angaben der Rechnungsbücher, wie diese beträchtliche Sonderausgabe finanziert wurde.
Ihr Fazit:

«In einer Art frühneuzeitlichem ‹Crowdfunding› haben Baslerinnen und Basler, aber auch vermögende Personen aus der näheren und ferneren Umgebung der Stadt, vor allem dem Sundgau und Elsass, Baden und Süddeutschland, der Stadt teilweise hohe Geldbeträge in Form von wiederkäufigen Krediten zur Verfügung gestellt.»

Solche Kredite wurden auch von Frauen – gemeinsam mit ihren Ehemännern oder alleine – gezeichnet. Alle Frauen, die alleine für einen Kredit einstanden, waren Witwen. Im Gegensatz zu den verheirateten Frauen hatten sie die volle rechtliche Handlungsfähigkeit über ihr Kapital. Witwen steuerten 8 Prozent der gesamten Kreditsumme bei.

Jahre ohne Staatsrechnung

Mit dem Jahr 1611 bricht eine dunkle Epoche an; in den folgenden fünfzig Jahren wurden in Basel keine Jahrrechnungen mehr erstellt. «Es scheint», bemerkt Susanna Burghartz dazu, «als habe sich die mit zunehmend absolutistischen Tendenzen regierende Obrigkeit auch nachträglich nicht in die Karten schauen lassen wollen.»

Erst in den 1660er-Jahren gelang es, die Basler Rechnungslegung zu reformieren und die Jahrrechnung wieder einzuführen.

_
Die digitale Edition der Jahrrechnungen von 1535 bis 1610 ist hier im Internet einsehbar oder über die Website des Staatsarchivs Basel zu finden.

Nächster Artikel