Rund um den Wagenplatz auf der Klybeckhalbinsel stehen viele Gerüchte, Behauptungen und Schuldzuweisungen im Raum. Der Versuch, ein wenig Klarheit zu schaffen.
Seit Samstag droht die Situation im Kleinhüninger Hafen zu eskalieren. Der Wagenplatz und die anderen Besetzer befürchten, jeden Moment geräumt zu werden. Die Fronten zwischen den verschiedenen involvierten Parteien sind komplett verhärtet. Böse Mails machen die Runde. Mobilisierungs-SMS sorgen für Aufregung. Medienmitteilungen werden veröffentlicht, die mit scharfen Worten und Schuldzuweisungen nicht sparen (zu finden auf der Rückseite dieses Artikels).
Was ist eigentlich das Problem?
Am Klybeckquai steht das ehemalige Migrolareal, eine riesige Kiesfläche (15’000 Quadratmeter), seit langem leer. Vor einem Jahr wurde diese von verschiedenen Gruppierungen (Wagenplatz, Uferlos, Hafescharte) besetzt. Dem Wagenplatz wurde am 15. April von Seiten Regierung eine offizielle Duldung ausgesprochen, auf 2500 Quadratmetern. Insgesamt nehmen jedoch alle Besetzer zusammen (also nicht nur der Wagenplatz) mehr als 6000 Quadratmeter ein.
Gleichzeitig mit der Duldung wurde bekanntgegeben, dass der Verein «shift mode» bis 2019 den Rest der Fläche (also 12’500 Quadratmeter) zwischennutzen darf. Ausserdem findet auf diesem Teil des Areals während rund zwei Monaten im Jahr die Kunstmesse «Scope» statt. Für das Ausstellungszelt benötigt die «Scope» rund 6000 Quadratmeter, dazu kommen noch Lieferantenparkplätze für rund 80 Fahrzeuge. Diese Parkplätze liegen teilweise auf der besetzten Fläche.
Auf den roten Bereich müssten sich die Wagenleute gemäss Duldung zurückziehen. Das Feld links davon bezeichnet die Scope-Parkplätze. (Bild: Matthias Oppliger)
Barbara Neidhart, Mediensprecherin der Immobilien Basel-Stadt (IBS), die für die Verwaltung der Fläche zuständig ist, sagt: «Stichtag für den Wagenplatz war der 26. Mai. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Bewohner des Wagenplatzes ihre genutzte Fläche auf die angebotenen 2500 Quadratmeter reduziert haben.»
Dies ist bis jetzt noch nicht geschehen. Die «Scope» tritt also am Dienstag (27. Mai) ihren Vertrag an und sieht sich mit einer teilweisen Besetzung der von ihr gemieteten Fläche konfrontiert.
Wie ist es zur Eskalation gekommen?
Seit der offiziellen Duldung des Wagenplatzes durch die Regierung fanden verschiedene Gespräche in unterschiedlichster Besetzung statt. Da keine Lösung gefunden wurde, berief der Leiter der Stadtteilentwicklung, Roland Frank, am 21. Mai über den Mittag einen «Runden Tisch ExMigrol-Areal» ein. Eingeladen waren neben Vertretern des Wagenplatzes auch Tom Brunner («shift mode») und die beiden Grossräte Heidi Mück (BastA!) und Michael Koechlin (LDP).
Zu diesem Gespräch liegt der TagesWoche eine Aktennotiz der Fachstelle Stadtteilentwicklung sowie eine nachträgliche Richtigstellung seitens der Wagenleute vor. Das Protokoll zeigt, wie verhärtet die Fronten sind. Die Wagenleute seien der Ansicht, sich nicht massgeblich verkleinern zu können, aber interessiert daran, eine Lösung zu finden, steht dort geschrieben. Tom Brunner von «shift mode» wird mit den Worten zitiert, dass die Situation «schwierig» sei, da die Wagenleute kein Entgegenkommen zeigten. Brunner gibt ausserdem zu bedenken, dass eine Verkleinerung der Fläche bedeute, dass sein Verein die Zwischennutzung womöglich nicht durchführen könne.
Am Wochenende veröffentlichten sowohl die Besetzer als auch «shift mode» eigene Medienmitteilungen. Beide Seiten finden deutliche Worte für einander.
So schreibt die IG Hafenplatz:
«Der Verein [gemeint ist «shift mode»] hatte erst öffentlich erklärt, dass er sich mit der Restfläche zufrieden gibt weil sie nicht wollen, dass der Hafenplatz weichen muss … ist aber doch nicht bereit sich unserem Kompromissvorschlag anzuschliessen.»
Tom Brunner sieht die Situation anders und sagt über die IG Wagenplatz: «Auf ihrer Seite besteht keinerlei Kompromissbereitschaft. Wir waren gewillt einige ihrer Projekte, beispielsweise die Bar und die Ateliers, auf unserer Fläche offiziell zu übernehmen.» Dieser Vorschlag sei jedoch verworfen worden. Brunner äussert sich nur ungern öffentlich, aber: «Wir mussten endlich Fakten schaffen und die vielen falschen Anschuldigungen aus dem Weg räumen.»
Warum nehmen die Wagenleute nicht einfach den Platz, der ihnen zugesprochen wurde?
Die Besetzer sind der Ansicht, dass sie ihre Projekte nicht auf 2500 Quadratmetern verwirklichen könnten, da es nicht mehr nur um den Wagenplatz gehe. Inzwischen haben sich die Besetzer zur «IG Hafenplatz» zusammengeschlossen. In einer E-Mail vom 23. Mai unterbreitetet diese IG den anderen Parteien und der Verwaltung einen Vorschlag. Demzufolge wären sie bereit, ihre Fläche um 1500 auf 5000 Quadratmeter (immer noch das Doppelte der Duldung) zu verkleinern. Ausserdem distanziert sich die IG in der E-Mail von einigen Besetzern, die ausserhalb ihres Perimeters stehen.
Die IG rechtfertigt ihre Ansprüche mit einer Abmachung, welche der Wagenplatz vor knapp einem Jahr mit dem damaligen Besitzer der Fläche, den Schweizerischen Rheinhäfen (SRH), getroffen hat. Damals seien ihnen 6000 Quadratmeter zugesprochen worden, sagen die Wagenleute. Der SRH-Sprecher Simon Oberbeck bestätigt auf Anfrage, dass es eine solche Abmachung geben hat. «Wir haben die Bedingungen dieser Duldung damals auf einem Merkblatt festgehalten.» Oberbeck wollte jedoch gegenüber der TagesWoche weder den Inhalt dieser Abmachung ausführen, noch eine Einsicht in das Merkblatt erlauben. «Das ehemalige Migrolareal liegt nicht mehr in der Verantwortung der SRH.»
Was geschieht jetzt?
Der Entscheid, ob jetzt geräumt werde, sei noch nicht gefallen, sagt Neidhart von der IBS. «Im Verlaufe dieser Woche entscheiden wir über das weitere Vorgehen, bis dahin kann ich nichts sagen.»
Fest steht, dass die «Scope» am Montag in einer Woche mit den Aufbauarbeiten beginnt. Der Messesprecher Patrick Tschan sagt: «Wir erwarten, dass wir die Fläche dann so vorfinden, wie wie sie uns im Mietvertrag versprochen wurde.» Faktisch könnte Tschan die Stadt bereits ab Dienstag wegen Vertragsbruch anzeigen, da die Messe jedoch erst eine Woche später mit dem Aufbau beginnt, sehe er davon ab.
Auch Brunner von «shift mode» denkt über mögliche Konsequenzen nach, sollte er bei Vertragsantritt am 2. Juli seinen Teil des Areal besetzt vorfinden. «Wir haben alle unsere Arbeit an den Nagel gehängt und für die Vorarbeiten bereits Geld aufgewendet.» Welche Folgen sich daraus bei einer allenfalls andauernden Besetzung ergeben würden, will er aber nicht öffentlich diskutieren.