Beim Amt für Wirtschaft und Arbeit vergab ein Abteilungsleiter illegal Arbeitsbewilligungen. Angeblich ein Einzeltäter. Doch solche Gefälligkeitsbewilligungen sind an der Tagesordnung.
Als ein Abteilungsleiter des Basler Amtes für Wirtschaft (AWA) letzte Woche festgenommen wurde, machten in den Medien rasch Gerüchte die Runde: Der Abteilungsleiter habe unrechtmässig Arbeitsbewilligungen im Rotlichtmilieu vergeben, sich gar auf Scheinverträge abgestützt. Das AWA will sich zum laufenden Verfahren nicht äussern, beteuerte aber umgehend, es handle sich um einen Einzelfall und nicht um eine systematische Fehlleistung.
Doch Recherchen der TagesWoche zeigen, dass solche Gefälligkeitsbewilligungen an der Tagesordnung sind. Das zeigt sich insbesondere bei Bewilligungen für Staatsangehörige aus Rumänien und Bulgarien. Diese profitieren noch nicht von der vollen Personenfreizügigkeit. Wer in der Schweiz einen Rumänen oder eine Bulgarin anstellen will, braucht eine Spezialbewilligung. Ein Arbeitgeber muss nachweisen, dass er auf dem hiesigen Arbeitsmarkt vergeblich gesucht hat. Es gilt der sogenannte Inländervorrang. Zudem muss eine Firma die ausgeschriebene Stelle beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) melden. Trotz all dieser Hürden haben Behörden im ersten Halbjahr über 4000 solche Bewilligungen ausgestellt.
Doch ein Blick auf die Arbeitsbewilligungen, die das kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga) dieses Jahr vergab, zeigt Erstaunliches: Hier scheint nichts leichter zu sein, als für einen Rumänen oder Bulgaren eine Arbeitsbewilligung zu bekommen. Bewilligungen gab es etwa für ein Restaurant, einen Gastrobetrieb, eine Personalberatung, eine Privatschule, ja sogar für eine Spedition – alles andere als Arbeitsorte für heissbegehrte und gesuchte Spezialisten.
Behörden drücken Augen zu
Das scheint man offenbar selbst beim Kiga zu wissen: «Inländervorrang schwach begründet», vermerkte das Amt bei einem Gesuch der Chemiefirma Clariant für eine rumänische Mitarbeiterin. Trotzdem stellte das Amt eine Bewilligung aus und kassierte 180 Franken Gebühr. «Es kann vorkommen, dass seitens der Gesuchstellerschaft die Dokumentation zum Inländervorrang unseren Anforderungen nur knapp genügt», erklärt das Kiga dazu.
Doch Bewilligungen gab es selbst für über ein Dutzend Gipser auf einer Baustelle des Pharmariesen Bayer in Muttenz, genauso wie für die Sanierung eines Firmengebäudes der Biotechfirma Novozymes in Dittingen. Und dies obwohl der Arbeitsmarkt in der Schweiz alles andere als ausgetrocknet ist, wie Walter Schläpfer vom Schweizerischen Maler- und Gipsermeisterverband bestätigt.
Zudem sei die Schweiz für deutsche Gipser wegen des hohen Lohnniveaus dermassen interessant, dass von dort «fehlende Arbeitskräfte rekrutiert werden könnten». Schläpfer kennt die Verhältnisse in Rumänien und Bulgarien. Die Arbeitstechnik sei dort völlig veraltet, Leistung und Geschwindigkeit nicht vergleichbar: «Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Handwerker von dort mit dem Leistungs- und Qualitätsdruck auf Schweizer Baustellen umgehen kann.»
Zu Dumpinglöhnen dürften Gipser hier nicht arbeiten. Die kantonalen Behörden müssten prüfen, ob die Arbeits- und Lohnbedingungen eingehalten werden, bevor sie eine Arbeitsbewilligung ausstellen. Doch dazu genügt es, einen Arbeitsvertrag vorzulegen, in dem der Mindestlohn eingehalten wird. Dabei stossen Baustellenkontrolleure immer wieder auf Scheinverträge mit angeblich hohen Löhnen auf Schweizer Niveau, in Wahrheit arbeiten die Kontrollierten aber für einen Dumpinglohn. Um dies herauszufinden, sind allerdings aufwendige Befragungen vor Ort nötig.
Kontrolleure stossen immer wieder auf Scheinverträge.
Das Kiga Baselland betont in der Stellungnahme, bevor Arbeitgebern eine Bewilligung für Rumänen oder Bulgaren ausgestellt würde, müssten diese «eine umfassende Personalsuche auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt nachweisen». Zudem müsse die Stelle gemeldet und das Gesuch begründet werden. Den sogenannten Inländervorrang kontrolliert das Amt allerdings nur bei jedem Gesuch für eine «Neueinreise». Und dies war gemäss Kiga nur in zwei von der TagesWoche vorgelegten Fällen so. Beim Rest handle es sich um «Stellenwechsel mit bestehender Bewilligung aus einem anderen Kanton». Haben Rumänen oder Bulgaren also erst einmal eine Bewilligung im Sack, spielt es offenbar keine Rolle mehr, ob es bei einem Stellenwechsel auch Bewerber aus dem Inland gäbe.
Pharmariese Bayer erklärt, Subunternehmen müssten gemäss ihren Verträgen mit den Baufirmen gemeldet und von ihnen freigegeben werden. Dies sei beim bulgarischen Gipser nicht passiert, einem Subsubunternehmen. Inzwischen arbeiteten die Bulgaren nicht mehr auf der Baustelle.
Und die Biotechfirma Novozymes erklärt, man könne nicht ausschliessen, dass rumänische oder bulgarische Gipser auf ihrer Baustelle gearbeitet hätten. Gegenwärtig seien aber keine auf der Baustelle. Zudem habe Novozymes Baufirmen untersagt, Aufträge an Subunternehmen weiterzugeben, und sie verpflichtet, die Lohn- und Arbeitsbedingungen einzuhalten.
Doch selbst wenn der Mindestlohn unterschritten wird, drücken die Behörden schon einmal ein Auge zu. So geschehen vor einem Jahr bei einem Plattenleger. Dessen Einsatz bewilligte das Basler Amt für Wirtschaft und Arbeit, obwohl er angab, zu einem Dumpinglohn zu arbeiten. Erst nach eingehender Prüfung erklärte das AWA damals: Der auf dem Gesuch festgehaltene Betrag ohne Währungsangabe müsse in Euro gemeint sein. Damit sei der Mindestlohn nicht unterschritten. Zuvor allerdings hatte das AWA um Nachsicht gebeten: Das Gesuch sei von einer Praktikantin fehlerhaft bearbeitet worden. Selbstverständlich ein Einzelfall.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 20.09.13