Amtlich: UberPop-Fahrer verstossen gegen das Gesetz

Uber gerät aufgrund der Verfahren gegen seine Fahrer immer mehr unter die Räder. Der Konzern verfolgt zur Bewältigung der Probleme eine kurvenreiche Schönwetter-PR-Strategie.

UberPop-Fahrer fürchten sich vor dem Gesetz. Viele von ihnen zu Recht, weil viele es regelmässig brechen – ohne böse Absicht, aber das schützt vor Strafe nicht.

(Bild: Nils Fisch)

Uber gerät aufgrund der Verfahren gegen seine Fahrer immer mehr unter die Räder. Der Konzern verfolgt zur Bewältigung der Probleme eine kurvenreiche Schönwetter-PR-Strategie.

«Sind Leute wie Sie der neue Alfred Escher?» Wenn die NZZ ihrem Gegenüber in einem Interview diese Frage stellt, kommt das einer tiefen Verneigung gleich, hat Escher (Eisenbahn, Kreditanstalt, ETH Zürich etc.) die moderne Schweiz doch geprägt wie kaum ein anderer Politiker und Unternehmer vor und nach ihm. Der Ressortleiter Zürich und der «Leiter publizistische Projekte» haben die Frage im November gestellt. Der Gehuldigte: der 34-jährige Rasoul Jalali, General Manager von Uber Schweiz.

Im Interview darf Jalali schwärmen, dass Zürich «sehr liberal bei der Ausgestaltung von Gesetzen» sei, während es anderswo – etwa in Deutschland – «zu eigenartigen Regulationen kommt». Er geht dabei insbesondere auf das bekannte Thema des vielerorts überregulierten und überprotektionierten Taxi-Gewerbes ein.

Kein Thema: Über 100 laufende Verfahren gegen Fahrer

Was der General Manager und seine Interview-Partner nicht ansprechen: Uber hat derzeit ganz andere Probleme, und das nicht anderswo, sondern hier. Und es geht nicht um Taxis. In Zürich gibt es bisher 63 Verfahren gegen UberPop-Fahrer laut workzeitung.ch – im laufenden Jahr. Hinzu kommen ein Dutzend Verfahren aus der Stadt vom letzten Jahr und «rund 20 Fälle aus der Region», so die Zeitung weiter. Zählt man die 27 Verfahren aus Basel-Stadt dazu, über die die TagesWoche berichtete, kommt man auf über 100 laufende Verfahren gegen UberPop-Fahrer – allein im Jahr 2016.

In Basel-Stadt sind zwei der Verfahren abgeschlossen. Die zwei fehlbaren Fahrer* erhielten hohe bedingte Geldstrafen sowie hohe Bussen.

Das Uber-Problem ist amtlich

Das Grundproblem von UberPop – dem erfolgreichsten, weil günstigsten Dienst – ist nun amtlich: Viele UberPop-Fahrer in der Schweiz verstossen gegen das Gesetz, weil sie für den Dienst tätig sind, obwohl sie gar nicht befugt sind, gewerblich Personen zu transportieren.

In der Urteilsbegründung vom 1. September zum ersten schuldig gesprochenen Fahrer, einem Mann aus dem Kanton Aargau, schreibt die Basler Staatsanwaltschaft:

«Die beschuldigte Person führte in der Region Basel … vom 30.3.2016 bis 7.4.2016 mehrfach berufsmässige Personentransporte (insgesamt 26 Fahrten) für Uber … durch, ohne im Besitz der entsprechenden Bewilligung (Code 121 im Führerausweis) zu sein … Ausserdem führte sie überhaupt keine Kontrollmittel, sodass die Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten nicht überprüft werden konnten.»

Urteil: Strafe von 15 Tagessätzen à 170 Franken (bedingt, 2 Jahre), Busse 500 Franken, plus Verfahrenskosten.

Der zweite schuldige Fahrer, ein Mann aus dem Kanton Basel-Landschaft, kassierte gar 5000 Franken Busse (exkl. Verfahrenskosten) sowie 30 Tagessätze à 120 Franken (bedingt, 2 Jahre). Mit derselben Urteilsbegründung – nur war er vom 20.11.2015 bis 8.5.2016 insgesamt 541 Mal für Uber unterwegs.

Dazu kam beim zweiten Mann laut Urteilsbegründung: Er hielt sich 11 Mal nicht an die gesetzlich vorgeschriebene tägliche Ruhezeit – und zwischen November 2015 und Mai 2016 hielt er «insgesamt 24 Mal den vorgesehenen wöchentlichen Ruhetag nicht ein». Mit anderen Worten: Der Mann fuhr jeden einzelnen Tag durch.

Verunsicherung unter Uber-Fahrern

Die Basler Urteile verdeutlichen: UberPop-Fahrer sind keine Freizeit-Fahrer, wenn sie mehr als zwei Mal pro Monat unterwegs sind. UberPop-Fahrer brauchen eine Bewilligung für berufsmässige Personentransporte sowie ein entsprechend ausgerüstetes Auto. Und sie haben sich, wie alle Fahrer, an die gesetzlichen Arbeits- und Ruhezeiten zu halten.

Während der General Manager Gefälligkeitsinterviews gibt, herrscht unter UberPop-Fahrern Verunsicherung. Handeln sie nun doch illegal, wenn sie sich hinters Steuer setzen? Und warum? Und wer kann helfen?

Noch im März 2016 liess Rasoul Jalali der TagesWoche via seinen Sprecher Folgendes ausrichten:

«UberPop ist ein Mitfahrdienst unter Privatpersonen. Menschen nehmen einander gegen ein kleines Entgelt mit, um die Fixkosten für ihr bereits vorhandenes Auto zu reduzieren oder einfach, um nette Gespräche zu führen. Da dabei nach Abzug aller Kosten im Durchschnitt keine Gewinne anfallen, erfüllt UberPop nicht die Voraussetzungen für den berufsmässigen Personentransport.»

Uber fährt Zickzackkurs

Wie ist das jetzt genau? Die TagesWoche hat Uber Schweiz einen umfangreichen Fragekatalog zukommen lassen. Zuallererst, wie das nun genau sei mit dem berufsmässigen Personentransport, angesichts der zwei Urteile und all der laufenden Verfahren.

Uber hat keine der gestellten Fragen explizit beantwortet. Das allgemein gehaltene Statement des Fahrdienstes ist trotzdem bemerkenswert, widerspricht es doch der Aussage von Raoul Jalali vom März 2016:

«In der Schweiz ist es erlaubt, Menschen im eigenen Auto gegen ein kleines Entgelt zu fahren, es gibt aber auch eine Grenze zum berufsmässigen Personentransport, die aus der ARV 2 [Arbeits- und Ruhezeitverordnung] hervorgeht. Jeder unserer UberPop-Partner wird von uns über die geltende Rechtslage informiert und auf deren Einhaltung verpflichtet. Wir vertrauen auf die Behörden, dass sie bei jedem Einzelfall die Umstände sorgfältig prüfen. Unseren UberPop-Partnern, die einer berufsmässigen Beschäftigung nachgehen möchten, geben wir jederzeit die Möglichkeit, auf den professionellen Service UberX umzusteigen.»

Uber laufen die Fahrer davon

Der Verweis auf die Verantwortung der Behörden, auf die man vertraue, entbehrt nicht der Ironie: Der Fahrdienst weiss eigentlich aufgrund der eingereichten Dokumente sowie der mittels App ermittelten Fahrzeiten ganz genau, welche seiner Fahrer bereits bei Vertragsabschluss gegen das Gesetz verstossen – alle Gesetzesbrüche sind, wie die TagesWoche gezeigt hat, der Firma wohlbekannt.

Die Verunsicherung im Fahrer-Lager bleibt nicht ohne Folgen: Kaum einer der UberPop-Fahrer hat den Code 121 im Fahrausweis oder einen Fahrtenschreiber eingebaut – geschweige denn eine der ebenfalls notwendigen teuren Versicherungen. Und die Zahl der UberPop-Fahrer nimmt ab: Vor einigen Monaten war sie in der Region noch um einiges höher als im November. Das bestätigen sowohl Fahrer als auch Kunden gegenüber der TagesWoche. Grund? «Alle sind verunsichert wegen den Verurteilungen. Manchmal sind 3 bis 5 Fahrer unterwegs, wenn 15 bis 20 normal wären. Die Kunden reklamieren», erzählt ein UberPop-Fahrer.

Mehrere UberPop-Kunden erzählen der TagesWoche, seit einigen Wochen müsse man bei UberPop in Basel oft vorne einsteigen. Fragt man nach, weshalb das so sei, kommt die Antwort: «So merkt die Polizei nicht, dass wir Uber sind. Es sieht so aus, als seien wir Kollegen.»

Schlangenlinien

Die Firma pflegt auch gegen innen eine kurvenreiche Kommunikation. Die Accounts von Fahrern, die ein Problem mit der Polizei bekommen, würden von Uber einfach gesperrt – und fertig. «Die verschwinden einfach aus dem System», erzählt ein Fahrer.

Ausserdem beantwortet Uber schriftliche Anfragen zum Thema Verurteilungen/UberPop seit einigen Wochen nicht mehr schriftlich. Die Fahrer würden jeweils gebeten, dafür im Basler Büro vorbeizukommen. «Uber macht fast alles nur noch mündlich», erzählt ein Fahrer. Auch den SMS-Dienst der Basler Zentrale, der die UberPop-Fahrer regelmässig («sicher einmal pro Woche», so ein Fahrer) zum Fahren ermunterte, hat die Firma Mitte November plötzlich eingestellt.

Nur ja keine schriftliche Anstiftung zum Fahren mehr, mutmassen manche Uber-Fahrer.

Das Problem sei so gross geworden, dass Uber seine Fahrer – die laut Firma keine Angestellten sind – Ende November zu Kaffee und Gipfeli einlud. Laut einem Teilnehmer des Treffens seien über 25 Fahrer an der Aeschenvorstadt erschienen.

«Nichts zu befürchten»

Der Tenor lautete gemäss einem Uber-Fahrer: «Sie sagten, es werde eine Kampagne gefahren gegen Uber und wir hätten nichts zu befürchten.» Ausserdem hätten die Verurteilungen nicht wirklich mit der Tätigkeit als Fahrer zu tun, sondern seien «wegen anderer Delikte» erfolgt, so der Zeuge. Was nachweislich nicht stimmt – die TagesWoche konnte Akteneinsicht nehmen. Das Vorgehen von Uber sei «sehr dreist», findet der Fahrer: «Viele Fahrer glauben solche Ausreden.»

Uber wollte derweil nicht einmal die allgemein gehaltene Frage beantworten, was Uber den angesichts der drohenden Strafverfahren und Bussen beunruhigten Fahrern zu sagen habe. Dem oben bereits wiedergegebenen Statement war noch angehängt, dass zunehmend «namhafte Persönlichkeiten aus der Schweiz den positiven Beitrag unserer Technologie würdigen». Dazu gehörten «Bundespräsident Johann Schneider-Ammann oder auch der Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik des Seco, Eric Scheidegger».

Gegen die Technologie hat nie jemand etwas gesagt. Und man darf hoffen, dass die namhaften Persönlichkeiten den Einsatz der Technologie wider Schweizer Recht nicht als «positiven Beitrag» bezeichnen würden.

* Alle Namen sind der Redaktion bekannt.

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