Mit Flyern in den Briefkästen und Strassenmissionierung macht Scientology im Iselin- und im Neubadquartier auf sich aufmerksam. Dabei sollen auch Kinder angesprochen worden sein. Seit der Eröffnung des neuen Zentrums sind deswegen bei der Polizei elf Beschwerden eingegangen.
Aller Kritik zum Trotz rührt Scientology im Iselin-Quartier nach wie vor die Werbetrommel. Der TagesWoche liegt etwa ein Flyer vor, welche eine Anwohnerin in ihrem Briefkasten vorgefunden hat: «Kommen Sie noch heute vorbei. Tests werden stündlich durchgeführt.»
Mit knappen Sätzen wird dazu eingeladen, bei der neuen Zentrale zu einem Termin ohne Voranmeldung vorbeizukommen. Sowohl in deutscher wie auch in französischer Sprache wird auf die «Ideal Org» an der Burgfelderstrasse aufmerksam gemacht. Diese wurde Ende April unter Anwesenheit des obersten Scientologen David Miscavige eingeweiht und war von Protesten begleitet.
Brisante Informationen waren auch auf der Seite einer Facebook-Gruppe von Basler Müttern zu vernehmen. Eine Frau berichtete kürzlich von ihren Erfahrungen. Vor wenigen Wochen sollen Scientology-Vertreter beim Schulhaus Wasgenring Kinder angesprochen haben. Weitere Angaben zu diesem Vorfall sind nicht bekannt, da eine Antwort der Facebook-Userin noch aussteht.
Scientology dementiert
Ob tatsächlich Kinder angeworben wurden, ist bis anhin nicht belegt. Scientology-Sprecherin Annette Löffler weist die Vorwürfe zurück: «Wir haben hier keine Kenntnis von solchen Aktivitäten (Kinder und Jugendliche vor Schulen ansprechen) und würden diese weder anordnen noch gutheissen.»
Auch die Behörden haben nichts registriert. «Der Schulleitung sind keine solchen Vorkommnisse bekannt», sagt Simon Thiriet, Leiter Kommunikation beim Basler Erziehungsdepartement. Laut Thiriet sind in den Schulhäusern Isaak Iselin und Wasgenring auch keine Beschwerden von Eltern punkto Missionstätigkeiten eingegangen. Prävention in Sachen Sektenwerbung ist daher auch kein Thema: «Die Schulleitungen im Iselin-Quartier sehen zurzeit keinen Anlass, in dieser Sache Eltern oder Schülerinnen und Schüler zu informieren», hält Thiriet fest.
Anzeigen erstattet
Fest steht, dass für manche Leute die Werbeoffensive ein Ärgernis darstellt. «Seit Eröffnung des Zentrums sind bei der Kantonspolizei elf Meldungen von Personen, die sich durch Scientologen im öffentlichen Raum gestört gefühlt haben, eingegangen», sagt Martin Schütz, Mediensprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartements. Die Polizei habe jeweils abgeklärt, ob es sich bei diesen Vorkommnissen um Verstösse gegen Paragraph 23a des kantonalen Übertretungsstrafgesetzes handle.
Dieser Passus besagt, dass wer durch «täuschende oder unlautere Methoden Passantinnen und Passanten auf der Allmend anwirbt oder anzuwerben versucht», mit einer Strafe zu rechnen hat. Wenn Anzeichen für solche Methoden bestehen, ist die Polizei befugt, «Anwerbende von einzelnen Orten oder generell wegzuweisen». Wie Martin Schütz festhält, traf dies bis dato in keinem der Fälle zu.
Video zeigt Anwerbungsversuche
Für Aufregung sorgen die Scientology-Aktivitäten aber allemal – so etwa im Mai: An der Burgfelderstrasse, gleich beim Eingang des Kannenfeldparks, waren drei Männer in schwarzen Anzügen damit beschäftigt, Passanten anzusprechen. Dies belegt ein Video von Thomas Erlemann. Der Anwohner und Anti-Scientology-Aktivist plädiert dafür, alle unangenehmen Vorkommnisse beim Kannenfeldposten zu melden. Auch Schulen und Kindergärten sollten seiner Meinung nach stets auf dem Laufenden gehalten werden.
Wie Erlemann sagt, habe der Widerstand im Quartier bereits erste Wirkungen gezeigt. An bestimmten Orten, etwa am Luzernerring und an der Julia Gauss-Strasse, trauten sich die Scientologen nicht mehr, ihre Propaganda zu streuen.
«Das Missionieren ist Bestandteil der Religionsfreiheit.»
Sowohl mit Briefkastenwerbung wie auch bei Strassenaktionen können die Scientologen juristisch betrachtet ziemlich weit gehen. Wie Martin Schütz festhält, ist es nicht verboten, Leute auf der Strasse anzusprechen, Flyer zu verteilen oder religiöse Schriften zu verbreiten, sofern dabei die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Sofern Passanten nicht bedrängt werden – so zum Beispiel, indem ihnen konsequent der Weg abgeschnitten wird – seien solche Tätigkeiten rechtskonform. «Das Missionieren ist Bestandteil der Religionsfreiheit», hält Schütz fest.
Dies möchte der Grossrat Michel Rusterholtz (SVP) nicht so stehen lassen. In einer Interpellation warf er unter anderem die Frage auf, was die Regierung gegen die «Infiltrierung des Schulsystems durch Scientologen» unternehme. Wie die Regierung in einer Antwort vom 20. Mai festhielt, seien seit 2004 weder auf der Allmend noch im schulischen Umfeld Klagen bekannt geworden. «Neumitglieder werden nicht unter Kindern angeworben, sondern unter Erwachsenen.» Das Problem seien somit weniger die Schulen, sondern «sinnsuchende Erwachsene».
Gesetz soll verschärft werden
In seiner Interpellation fragte Rusterholtz auch danach, was die Regierung unternehme, um das öffentliche Missionieren zu unterbinden. Die Regierung verwies ebenfalls auf Paragraph 23a des kantonalen Übertretungsstrafgesetzes. Solange kein Rechtsmissbrauch vorliege bestehe keine Möglichkeit, gegen Scientology vorzugehen.
In den Augen von Rusterholtz ist diese Antwort unbefriedigend: «Viele Leute stören sich an den Anwerbungen, doch die Regierung bleibt untätig», meint er. Er beabsichtigt daher, nach den Sommerferien mit einem Anzug beim Thema Scientology nochmals nachzuhaken. Dabei möchte er dazu anstossen, dass eine strengere Auslegung des Paragraphs 23a überprüft wird.