Der diesjährige Art Parcours zeigt vornehmlich Skulpturen, die wenig oder kaum Bezug nehmen zu ihren besonderen Standorten in der Kleinbasler Innenstadt. Ein paar Werke sorgen aber dennoch für ein hintersinniges Kunsterlebnis.
Es dauert mehrere Minuten, bis sich die Besucherinnen und Besucher, die von der hellen Aussenwelt in die Zunftstube des Restaurants zum Rebhaus eintreten, in der abgedunkelten Umgebung zurechtfinden. Vorsichtig tasten sie sich, akustisch eingelullt von einem tosenden Gewitter, zu einem der alten Stilsofas vor, die vor einer Leinwand stehen, auf der lichtschwache Dias zu sehen sind. Oder besser erst einmal zu erahnen sind, denn man muss sich eben zuerst an die Dunkelheit gewöhnen.
Schon durch diese äusseren Umstände zwingt die Installation zum Verweilen und zum Abschalten. Ruhig sitzt man also auf dem Sofa, und nach einer gewissen Zeit wird deutlich, dass die Dias in überblendendem Wechsel schlafende Menschen zeigen: Männer, die nicht im Bett, sondern auf Bänken, Sofas oder Stühlen eingenickt sind und eine sanfte Ruhe ausströmen, die sich auf die Betrachter überträgt – akustisch kontrastiert durch das Donnergrollen und den niederprasselnde Regen, der den Raum im Surround Sound erfüllt.
«Man Asleep» von João Penalva in der Zunftstube des Restaurants zum Rebhaus (Bild: Dominique Spirgi)
Die Installation «Men Asleep» von João Penalva ist Teil des diesjährigen Art Parcours und einer der Höhepunkte der Ausstellung im halböffentlichen Raum. Es ist eine schöne und spannende Geste der Art Basel, dass sie seit mittlerweile fünf Jahren in jeweils anderen Gebieten der Stadt einen Ausstellungsparcours anbietet, der Werke von renommierten Künstlerinnen und Künstlern an aussergewöhnlichen Orten zeigt. Und der erst noch gratis zu besuchen ist.
Mit Kunst Stadtteile bespielen
In den vergangenen Jahren wurden unter anderem das St. Alban-Tal (Dalbeloch), das äussere St. Johann und das Gebiet rund um die Kaserne Basel bespielt. In diesem Jahr ist die Kleinbasler Altstadt zwischen Theodors- und Clarakirche dran. Und wiederum gibt es wunderbare Räume in der Stadt zu entdecken, in die man normalerweise nicht so einfach hineingelangt.
Aber anders als die Jahre zuvor wird das Versprechen, dass sich die Werke auf dem Parcours «mit Basels Vergangenheit und Gegenwart» beschäftigen, nur bedingt eingelöst. Die Kuratorin des diesjährigen Art Parcours, Florence Derieux, Direktorin des FRAC Champagne-Ardenne, hat zwar unter anderem mit dem Laienrefektorium des Waisenhauses und mit dem Wettsteinhof faszinierende Räumlichkeiten gefunden, diese aber zumeist mit Werken bestückt, die mit Basel im Allgemeinen und mit dem Ort im Speziellen wenig bis nichts zu tun haben.
Ein 278-Kilometer-Marsch
«278 km (as al letter of Nietzsche)» von Francesco Arena im Wettsteinhof (Bild: Dominique Spirgi)
Eine Ausnahme ist die Performance «278 km (as a letter of Nietzsche)» von Francesco Arena im schönen Saal des Wettsteinhofs an der Clarastrasse. Junge Männer in dunkler Kleidung und schwarzen Halbschuhen (die sie sich beim Wechsel wie eine Stafette jeweils übergeben) durchschreiten den grossen Raum auf einem festgelegten Parcours den Wänden entlang und in der Diagonalen.
Am Sonntag, 22. Juni, wenn der Art Parcours seine Tore wieder schliessen wird, werden sie 278 Kilometer abgeschritten haben. Dies entspricht der Strecke von Turin nach Basel. Die Arbeit nimmt Bezug auf die Geschichte Friedrich Nietzsches, der einst in Basel gelehrt hatte, in Turin aber einen Zusammenbruch erlitt, worauf er von Freunden nach Basel zurück und hier in psychiatrische Behandlung gebracht wurde.
Hübsche Skulpturen an hübschen Orten
«This ans This and This» von Eva Rothschild (Bild: Dominique Spirgi)
Solche Bezüge lassen sich bei anderen Arbeiten nicht herstellen. Im Hof des Altersheims zum Lamm zum Beispiel steht die Aluminium-Skulptur «This and This and This» von Eva Rothschild, die einen ganz gefälligen Eindruck hinterlässt. Allerdings wrid man lediglich durch die spezielle Beschilderung auf die Idee gebracht, dass sie nicht von der Altersheim-Trägerschaft als Konkrete-Kunst-Zierde angeschafft worden ist. Dasselbe gilt auch für die nicht betitelte Skulptur des chinesischen Künstlers Zeng Fanzhi vor dem Hatstätterhof: ein ästhetisch ansprechender, langgezogener Stahl-Strahl, der sehr gut an diesen Ort passt – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Da ist die Installation «Holmby Hills Light Folly» von Chris Burden besser platziert: Auf dem Pausenhof des Claraschulhauses hat der amerikanische Künstler auf einem quadratischen Sockel eine Art Ruhe-Oase installiert, flankiert von vier gusseisernen Kandelabern aus den 1920er-Jahren und mit stilähnlichen Stahlbänken. Durch den hellgrauen Anstrich wird dieses Ensemble aus Originalelementen gewissermassen zum Modell im Massstab 1:1, zum künstlichen Ruheort auf dem Pausenhof, wo sich normalerweise Schülerinnen und Schüler austoben.
Der Bolide im Warenhaus
«Panamarera» von Gottfried Bechtold im Warenhaus Manor (Bild: Dominique Spirgi)
Gut gewählt ist auch der Platz für das Werk «Panamera» von Gottfried Bechtold im Warenhaus Manor an der Greifengasse. «Panamera» ist ein Porsche-Typ, der durch einen Bronze-Überzug aller Scheiben und Scheinwerfer zur Skulptur umstilisiert wurde. Vier Videobildschirme im Innern erlauben aber dennoch einen Blick in die Aussenwelt. Laut Werkbeschreibung könnte man dadurch mit dem Sportwagen sogar herumfahren – wenn es die Polizei erlauben würde. Im Warenhaus aber ist der «Panamera» in erster Linie ein ausgestelltes Konsumprodukt unter vielen, bei denen sich oftmals erst nach dem Kauf herausstellt, ob man es wirklich braucht, ob man es überhaupt brauchen kann oder nicht.
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Art Parcours. Bis Sonntag, 22. Juni, jeweils 11 bis 19 Uhr. Mittwochabend, 17. Juni, ist Art Parcours Night von 20 bis 24 Uhr mit weiteren Performances und Aktionen.