Astronauten, Youtube und eine düstere Bilanz in Sachen Netzpolitik: Das war die Republica 2015

Das Netz kannte in den vergangenen Tagen schwerpunktmässig nur ein Thema: In Berlin war re:publica. Auf der Bloggermesse die längst keine mehr ist, werden alljährlich die neuesten digitalen Entwicklungen diskutiert.

Keine Netzveranstaltung ohne Meme, erst recht nicht die Bloggermesse re:publica 2015. Das Rennen machte die bekannte Glückskatze mit der Maske der im Netz bekannten «Grumpy Cat».

(Bild: Jonny Haeusler (@spreeblick))

Das Netz kannte in den vergangenen Tagen schwerpunktmässig nur ein Thema: In Berlin war re:publica. Auf der Bloggermesse die längst keine mehr ist, werden alljährlich die neuesten digitalen Entwicklungen diskutiert.

Die Bloggermesse re:publica findet seit 2007 jährlich in Berlin statt und wächst ständig. In diesem Jahr hatte das On- und Offlineereignis bereits 6000 Besucher. Was als eine Art digitales Klassentreffen unter Bloggern begann, ist inzwischen zu einer der wichtigsten Veranstaltungen in Sachen Internet geworden.

An der dreitägigen Veranstaltung, die am Dienstag anfing, hielten 800 Redner aus 45 Ländern über 400 Vorträge zu allen denkbaren Themen rund ums Internet. Die diesjährige Veranstaltung stand unter dem Motto «Finding Europe».

Blogger gibt es auf der re:publica zwar immer noch, mittlerweile finden sich hier aber auch IT-Spezialisten, Journalisten, Politiker, Wissenschaftler, Start-ups, Werber, Historiker, Promis sowie jede Menge anderweitig digital engagiertes und interessiertes Publikum. Umfassend wiedergeben lässt sich das Programm hier in der Kürze nicht. Es ging um Netzpolitik, Überwachung, Entwicklungshilfe, Vorratsdatenspeicherung, Streaming-Apps, Fashion, 3D-Drucker, Pussy Riot, Online-Pornografie, Katzen, Einhörner und etliches mehr. Dazu kamen Fragen, die man sich in den Nischen des World Wide Web stellt wie «Wer sorgt eigentlich für die Geschichtsschreibung im Internet?».

Das Wichtigste aus der dreitägigen Veranstaltung herauszupicken, ist gar nicht so einfach. Was an der re:publica für wen wichtig ist, hängt sehr vom persönlichen Standpunkt ab.

Bunt gemischt wie die Themen waren denn auch die Meinungen dazu: «zu viel Politik», «zu wenig Politik», «innovativ», «stressig», «cool» und «wichtig» – um nur ein paar zu nennen.

Vom Alltag im All

Einer der Höhepunkte der re:publica 2015 war sicher der Vortrag des ISS-Astronauten Alexander Gerst (@astro_alex) am Dienstagabend. Sein Vortrag über den Alltag auf der internationalen Raumstation begeisterte das Publikum. Das Leben im All, erfährt man, hat zu tun mit Schwerelosigkeit, der Steuerung von Roboterarmen, der Essensplanung und, ja, mit der Konfektionsgrösse von Unterhosen (Auftritt beginnt ab Minute 2:45).

Nicht ganz so schön anzusehen wie die offizielle Aufzeichnung auf YouTube ist ein Periscope-Mitschnitt derselben Veranstaltung, der aber ein Beleg für einen Trend ist, der sich schon länger abzeichnet: vertikale Videos.

Womit wir bei YouTube sind. Mit der Video-Plattform beschäftigten sich gleich mehrere Vorträge. Dort ist das Hochkant-Format verpönt. Durch YouTube sind Videos zur festen Grösse für das Netz geworden. YouTube-Stars sind ein grosser Multiplikator für die jüngere Generation. Auf der Videoplattform boomen aber vor allem etablierte Kanäle.

Die Konkurrenz schläft nicht. Für spontane, kurze Clips und Live-Mitschnitte sind Snapchat, Vine, Instagram und die Livestreaming-Apps Periscope und YouNow wesentlich besser geeignet. Dort kann und darf man das Handy auch hochkant halten.

Auch Facebook holt in Sachen Video auf. Ein weiterer diskutierter Punkt war die Emanzipation vieler YouTuber von ihrer Plattform und den YouTube-Vertriebskanälen hin zu selbständigerer Arbeit mit eigenen Channels.

Wo beim #grexit Tränen fliessen

Zu einem digitalen Klassentreffen gehört natürlich auch der obligatorische Quatsch. Kein Netztreffen kommt ohne Meme und lustige Aktionen einzelner Teilnehmender aus. Als übergreifendes Meme wurde eine Winkekatze identifiziert, die mit dem Gesicht des bekannten Internetmaskottchens «Grumpy Cat» maskiert war. Beworben wurde mit «Winke Grumpy Cat» das für 2016 geplante Festival für digitale Jugendkultur TINCON.

Weinen auf der re:publica 2015 beim Vertwittern bestimmter Hashtags Apfeltee: Büsten von Kai Diekmann, Alice Schwarzer und Sascha Lobo.

Weinen auf der re:publica 2015 beim Vertwittern bestimmter Hashtags Apfeltee: Büsten von Kai Diekmann, Alice Schwarzer und Sascha Lobo. (Bild: Fischer Appelt)

Grossen Anklang fand die Aktion «Lasst die Helden heulen». Mit Büsten von Kai Diekmann (Chefredakteur der deutschen «Bild»), Alice Schwarzer (kennt man – frau sowieso) und dem Blogger Sascha Lobo wollte die Agentur Fischer Appelt ein Zeichen gegen die Erregungskultur im Internet setzen. Vertwittert man bestimmte Hashtags, etwa #aufschrei oder #grexit in Verbindung mit deren Namen, fangen die Statuen an, Apfeltee zu weinen.

Social Media in Schwellenländern und eine düstere Bilanz in Sachen Netzpolitik

Als Schwerpunktthemen identifizieren liessen sich neben Dauerbrennern der Datenpolitik wie Massenüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und Netzneutralität die Beschäftigung mit Terrornetzwerken wie ISIS und neben der Rolle von YouTube die Nutzung von Internet und Social Media in Schwellenländern. Beim Vortrag «10 Things Europe can learn from Kenya» lernt man zum Beispiel, dass man auf dem afrikanischen Kontinent in Sachen Internet keineswegs rückständig ist, sondern sich im Gegenteil Europa mancherorts noch eine Scheibe abschneiden könnte.

In Sachen Netzpolitik zog man trotz aller Innovation eine eher düstere Bilanz. Verändert habe sich in den letzten Jahren trotz aller Appelle wenig, sagte bereits Ethan Zuckerman, Direktor des Center for Civic Media am MIT in der Eröffnungsrede. Verzichten mussten die Besucher der Netzmesse auch auf einen der traditionellen Höhepunkte: Der Blogger Sascha Lobo, der im vergangenen Jahr mehr Engagement in der Netzpolitik anmahnte, hatte seinen Vortrag für dieses Jahr abgesagt.

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Für diejenigen, die sich für das ein oder andere Thema interessieren und nicht dabei sein konnten, gibt es zu den meisten Vorträgen der re:publica 2015 jetzt oder in den nächsten Tagen Videomitschnitte auf YouTube sowie Podcasts bei voicerepublic.

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