Atomkraft ist ein Auslaufmodell – wie aber gelingt der Ausstieg?

Am Atomausstieg führt kein Weg vorbei – das ist in Bern mittlerweile Konsens. Über den Weg dahin herrscht jedoch grösste Uneinigkeit.

Angst vor der Stromlücke: Parlamentarier befürchten, dass die Schweiz nach dem Atomausstieg vom Ausland abhängig würde.

(Bild: Keystone)

Am Atomausstieg führt kein Weg vorbei – das ist in Bern mittlerweile Konsens. Über den Weg dahin herrscht jedoch grösste Uneinigkeit.

Die Energiewende flattert jedes Jahr in Form eines gelben Formulars in die Briefkästen der Basler Haushalte. Das Amt für Umwelt und Energie verschickt einmal im Jahr Formulare, mit denen alle Einwohnerinnen und Einwohner einen Teil ihrer Stromkosten zurückerhalten.

Die Lenkungsabgabe auf Strom ist in der Schweiz einzigartig und wohl weltweit ein Unikum. Baslerinnen und Basler zahlen auf jede Kilowattstunde einige Rappen in einen Stromsparfonds, aus dem sie jedes Jahr etwa 60 Franken zurückkriegen. Ein Haushalt mit drei Personen zahlt über den erhöhten Strompreis vielleicht 200 Franken in den Fonds und erhält zirka 180 Franken zurück.

Wer weniger Strom verbraucht, profitiert von der Lenkungsabgabe – dieses Anreizsystem soll den gesamten Stromverbrauch reduzieren. Und genau so will der Bundesrat in der ganzen Schweiz vorgehen.

Reaktionen auf Lenkungsabgabe, «Echo der Zeit», 13.3.2015:

Im März präsentierte er seinen Vorschlag zum «Klima- und Energielenkungssystem», ein zweites Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050. Der Bundesrat will das bestehende Fördersystem durch ein Lenkungssystem ersetzen.

Was heisst das konkret?

Im ersten Massnahmenpaket zur Energiestrategie hat der Bundesrat definiert, wie er erneuerbare Energien fördern und die Energieeffizienz erhöhen will. Beispielsweise indem Gebäude besser isoliert werden oder Strom aus erneuerbaren Energien direkt subventioniert wird – mit der kostendeckenden Einspeisevergütung. Damit zahlt der Bund die Differenz zwischen Produktion und Marktpreis für erneuerbare Energien. Dieses System soll kurzfristig die Investitionen in erneuerbare Energien ermöglichen, das Lenkungssystem wirkt hingegen langfristig, als Anreiz für Energieeffizienz, so die Vorstellung des Bundesrats.

Benzinpreis würde steigen

Es gibt heute bereits eine Lenkungsabgabe, die jedoch auf fossile Brennstoffe beschränkt ist. Für einen Liter Heizöl mussten Verbraucher 2014 beispielsweise 14 Rappen zahlen. Zwei Drittel der Einnahmen dieser CO2-Abgaben gehen zurück an alle Einwohnerinnen und Einwohner in der Schweiz, unabhängig davon, wie viel die Personen verbrauchten. 2015 waren es 62.50 Franken, die über die Krankenkassen-Prämien zurückverteilt wurden. Ein weiteres Drittel fliesst ins Gebäudeprogramm, mit dem Bund und Kantone die energieeffiziente Sanierung von Liegenschaften vorantreiben.

Mit dem neuen Lenkungssystem könnte die CO2-Abgabe auf Benzin und andere Treibstoffe erweitert werden. Das würde bedeuten: höhere Benzinpreise, dafür mehr Rückzahlungen an die Bevölkerung.

Doch die Parteien in Bern wehren sich gegen das vorgeschlagene Lenkungssystem. In den Antworten zur Vernehmlassung zerreissen die Parteien von links nach rechts den Bundesratsvorschlag. «Der Vorschlag ist unnütz, da keine konkreten Lenkungsziele definiert sind», sagt etwa der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer. Grundsätzlich befürwortet er eine Lenkungsabgabe, aber nicht auf diese Weise. Es sei völlig unklar, worauf der Bundesrat mit seinem Vorschlag abzielt. Auch die Grünen kritisieren diesen Punkt.

Kernkraft ist nicht rentabel

Christian Wasserfallen (FDP, BE) geht mit seiner Kritik noch weiter. Er stellt grundsätzlich in Frage, ob es richtig sei, mit einem Lenkungssystem etwa den Stromverbrauch zu senken. «Wir müssen den CO2-Ausstoss senken und dabei hilft uns beispielsweise bei der Elektromobilität eben auch der Strom. Wichtig ist, dass dieser CO2-arm produziert wird.» Deswegen brauche es zuerst die Versorgungssicherheit – und diese könne momentan nur mit AKW gewährleistet werden. «Es wird unmöglich sein, die Kapazitäten unserer AKW mit erneuerbaren Energien zu ersetzen.»

Derzeit werden in der Schweiz rund 36 Prozent des gesamten Stroms durch AKW produziert. 58 Prozent stammen aus Laufwasser- und Speicherkraftwerken. Wind- und Sonnenenergie machen zusammen etwa 1 Prozent der Gesamtproduktion aus.

Von links bis rechts sind sich Politiker einig, dass Atomstrom nicht die Energie der Zukunft ist. Die Kernkraft ist nicht rentabel und für ein neues AKW würden weder Investoren noch politische Mehrheiten gefunden.

Abhängig von der EU

Die Meinungen gehen in der Frage auseinander, wie lange die bestehenden AKW am Netz bleiben sollen. Wasserfallen und seine bürgerlichen Mitstreiter fordern: solange wie möglich, «solange sie sicher laufen», ergänzt Wasserfallen. Die Grünen dagegen wollen die letzten AKW in der Schweiz 2029 oder spätestens 2034 abschalten.

Es bleibt die Frage, was danach geschieht. Der Basler SP-Nationalrat Beat Jans sagt: «Wir müssen neben dem Herunterfahren der Kernenergie die erneuerbaren Energien hochfahren. Es kann nicht sein, dass die wichtigste Zukunftstechnologie in der Schweiz nicht stattfindet.» Der Widerstand der Bürgerlichen führe dazu, dass die Abhängigkeit vom Ausland steigt.

Wasserfallen wiederum sieht dem Ganzen gelassen entgegen: «Ja, eine Konsequenz der neuen Energiepolitik wird sein, dass wir vom Ausland abhängig werden. Deshalb müssen wir unsere Energiepolitik mit Europa abstimmen, damit unsere Wasserkraft im Markt bestehen kann.» Autark sei die Schweiz in der Energiepolitik nie gewesen und werde es auch nie sein.

Während die Parlamentarier in Bern über Laufzeiten und Subventionen verhandeln, sind einige Unternehmer bereits einen Schritt weiter. Ein Beispiel dafür ist der ETH-Professor und Unternehmer Anton Gunzinger. Er treibt die Energiewende mit unternehmerischen Möglichkeiten voran, beispielsweise mit intelligenten Systemen, die den Stromverbrauch drosseln. Das Potenzial der Solarenergie werde nicht ausgenutzt, sagt Gunzinger im TagesWoche-Interview. «Für mich als Unternehmer gilt das Credo: Möglichst rasch raus aus Energien, die immer teurer werden.»

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