Die regionale Bierkultur wurde schon totgesagt. Doch nun lebt sie plötzlich wieder – und wie: In der Stadt schüttet Unser Bier massenhaft Dividenden aus, auf dem Land machen sich zwei Kleinbrauereien daran, das Erfolgsrezept zu kopieren.
Eine ganz besondere Generalversammlung findet heute Donnerstagabend in Basel statt. Die Brauerei Unser Bier schüttet ihren Aktionärinnen und Aktionären auf der Kunsteisbahn die Dividenden aus – in Form von Bier. Zur GV erwartet werden rund 2500 der insgesamt knapp 7700 Aktionäre. Für sie werden rund 4000 Liter Bier bereit stehen – höchst wahrscheinlich genug also, auch wenn es bei Unser Bier mehr als einen guten Grund gibt, um anzustossen.
Zum einen kann die Firma ein positives Geschäftsergebnis fürs vergangene Jahr präsentieren: Der Umsatz wurde um 11 Prozent gesteigert und so ein Gewinn vor Abschreibung von rund 140 000 Franken erzielt. Damit ist «Unser Bier» nach den 2009 getätigten Investitionen von fünf Millionen Franken in die neue Brauerei auf dem Gundeldinger Feld auf Kurs.
Zum anderen bringt die Brauerei ein neues Bier auf den Markt: «Aypiey» – eine Basler Version des Indian Pale Ale, kurz IPA. Das laut Werbung «starke, aromatische Charakterbier» stammt aus dem 18. Jahrhundert, als die Engländer vor dem grossen Problem standen, wie sie den Biernachschub in die Kolonien sicherstellen sollten. Das helle Bier wurde auf den langen Transportwegen in den Schiffen schlecht. Gelöst wurde das Problem mit einem höheren Alkoholgehalt und mehr Hopfen, was den Bakterien das Leben schwer machte. Das IPA sei «wenigstens etwas Gutes, das die Kolonialzeit hervorgebracht hat», stellt Luzius Bosshard, Geschäftsführer von Unser Bier, fest. In den vergangenen Jahren ist die Sorte in England, Schottland und Amerika wieder Mode geworden, nun sollen auch noch die Schweizer auf den Geschmack kommen.
Noch eine Bier-AG – und noch eine
Mutige Investitionen, neue Produkte und sehr viel Bier an der GV: Es ist ein interessantes Unternehmen, die Firma Unser Bier. Kein Wunder, versuchen ehrgeizige Brauer das Modell auch auf dem Land nachzumachen. In Lausen soll auf dem Tonwerk-Areal ab nächstem Jahr wieder Farnsburger Bier produziert werden – wie in den guten alten Zeiten schon einmal (zwischen 1896 und 1907, damals in Gelterkinden). Für rund 1,2 Millionen sind bereits Aktien gezeichnet worden. Nun hat CEO Reto Wetzel hohe Ziele: Spätestens fünf Jahre nach dem Start will er 5000 Hektoliter Bier verkaufen – ähnlich viel also wie Unser Bier heute (6000 Hektoliter im vergangenen Jahr). Einen Teil davon will das neue Unternehmen direkt in der eigenen Braustube ausschenken.
Neben diesem neuen Bier soll es bald sogar noch ein weiteres geben: das Baselbieter Bier. Lanciert wurde dieses Projekt von zwei jungen Bierfreunden aus Lausen: Niklaus Niederhauser und Michael Hägler, die voraussichtlich die Geschäftleitung übernehmen. «Das Projekt ist auf Kurs, die Aktien sind gezeichnet», sagt Marcus Haegi, der im Verwaltungsrat für betriebswirtschaftliche Fragen zuständig sein wird. Produzieren will diese neue AG ebenfalls ab 2013 rund 2500 Hektoliter pro Jahr. Versprochen werden auch Spezialitäten wie Chirsibier.
Der Traum von einer neuen Kultur
Plötzlich gibt es im Baselbieter Bier-Geschäft also wieder einen Konkurrenzkampf. Wer hätte das gedacht, als Eichhof 2006 Ziegelhof schluckte und die Produktion in Liestal einstellte? Damals, als man an den Baselbieter Stammtischen über den Verlust lieb gewonnener Traditionen und den Ausverkauf der Heimat lamentierte? Kaum jemand.
Ein paar wenige Jahre später scheint es nun sogar fast, als könnte der Traum des Unser-Bier-Geschäftsführers Luzius Bosshard doch noch Realität werden. Er wünsche sich eine «neue Bierkultur», sagte er im grossen Bierreport der TagesWoche. Eine «neue Zeit» mit Beizen, in denen Bierkarten aufliegen und die Gäste ihr Getränk sorgsam auslesen. Eine Zeit auch, in der immer mehr Klein- und Kleinstbrauereien mit neuen Produkten und Spezialitäten auf den Markt drängen – und die beiden Biergiganten Carlsberg/Feldschlösschen einerseits und Heineken andererseits zunehmend zurückdrängen.
Vielleicht, vielleicht kommt es irgendwann ja tatsächlich so weit.