Einem Weltstar wie Sophia Loren zu begegnen, ist der Traum jedes Fotoreporters. Selbst wenn man dabei keines Blickes gewürdigt wird.
Sie war vor 35 Jahren tatsächlich einmal in Basel. Beruflich und kurz zwar nur, aber immerhin in der Blüte ihrer Jahre. Sie, Sophia Loren! Eine der ganz Grossen unter den Unvergesslichen der Leinwand. Und dazu erst noch eine, die ihre Karriere ohne Affären und Skandale betrieb, was die Paparazzi in aller Welt fast zur Verzweiflung trieb.
Für Aufsehen sorgte über Jahrzehnte hinweg allein ihre Präsenz. Verehrung, nicht wilde Lust, war das höchste der Gefühle, das man(n) für sie zu empfinden hatte. Und so blieb auch dem Autor dieser Zeilen nichts anderes übrig, als sich in selbstverständlich rein platonischer Verbundenheit auf Ornella Muti zu konzentrieren, die er sich allerdings mit Josef Zindel zu teilen hatte, dem ehemaligen BaZ-Sportredaktor und heutigen Mediensprecher des FC Basel, der es auf den Tod nicht ausstehen konnte, wenn noch andere für «seine» Ornella schwärmten.
Doch zurück zu Sophia in Basel: «Cassandra Crossing», Treffpunkt Todesbrücke, hiess der Kino-Thriller, für den die Filmequipe 1976 am Rheinknie haltmachte. Es ging um einen Zug von Genf nach Stockholm, der wegen mehrerer mit einem tödlichen Virus infizierter Passagiere über stillgelegte Geleise und eine vom Einsturz gefährdete Brücke in ein Quarantänelager in Polen umdirigiert werden sollte. Trotz erstklassiger Besetzung – neben der Loren agierten Stars wie Richard Harris, Burt Lancaster und Ava Gardner – blieb der Erfolg des Films bescheiden. In Basel dagegen war die Freude über das unerwartete Gastspiel gross. Sofia Villani Scicolone, wie die inzwischen 78-jährige Schauspielerin mit bürgerlichem Namen heisst, inspirierte sogar den damaligen (ebenfalls Star-) Schnitzelbänggler «Standpauke» zu folgendem Jahrhundertvers: «S isch schaad, ass d Sophia, wo soo stramm isch – nit z Basel wohnt und nit e Dramm isch – y wäär doch dääre gopfergässe – gäärn emool uf d Schiine gsässe…»
In ähnlicher Vorstellungswelt bewegen sich bekanntlich auch die Produzenten des berühmten «Pirelli»-Kalenders, der es 2007 fertigbrachte, Sophia Loren im zarten Alter von zweiundsiebzig Lenzen noch immer höchst verführerisch und absolut ästhetisch abzulichten. Als Lebensweisheit für uns Normalsterbliche ist daraus zu lernen, dass auch wer zeitlebens auf dem schmalen Pfad der Tugend wandelt, vor des Mammons schnödem Anreiz nicht gefeit ist. Immer vorausgesetzt natürlich, man kann sich dies von der Ästhetik her auch als rüstige Rentnerin noch ebenso problemlos leisten wie die cleveren Kalendermacher aus Mailand.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13.04.12