Aus dem Fotoarchiv von Kurt Wyss: Zwischen Telefon, U-Boot und Solarsegler

Der Pionier und Erfinder Auguste Piccard ganz privat auf dem St.-Jakob-Gelände – warum denn nicht? Seine Familie und deren Geschichte ist eng mit Basel verbunden.

Auguste Piccard, 1957: Gedankenversunken schlendert der legendäre Erfinder während einer Ballonsportveranstaltung über ein Sportgelände bei St. Jakob. (Bild: Kurt Wyss)

Der Pionier und Erfinder Auguste Piccard ganz privat auf dem St.-Jakob-Gelände – warum denn nicht? Seine Familie und deren Geschichte ist eng mit Basel verbunden.

Auguste Piccard, 1957: Gedankenversunken schlendert der legendäre Erfinder während einer Ballonsportveranstaltung über ein Sportgelände bei St. Jakob.

Auguste Piccard, 1957: Gedankenversunken schlendert der legendäre Erfinder während einer Ballonsportveranstaltung über ein Sportgelände bei St. Jakob. (Bild: Kurt Wyss)

Der Pilot und sein Ballon? Nein, Auguste Piccard ist hier im Sommer 1957 lediglich Gast, nur Ehrengast einer Ballonsportveranstaltung auf St. Jakob bei Basel. Piccard ist 73-jährig, eine Ikone seiner selbst, trägt die Last – wie man sieht – seiner eigenen Berühmtheit als Pionier, die er in den 1930er-Jahren mit zwei Weltrekorden im Stratosphärenhöhenflug errungen hat. Die Tiefsee-Expeditionen kamen, zusammen mit seinem Sohn, später. Und ein temporär kleiner Nebenschauplatz – nicht Tiefsee – war der Genfersee mit dem Meso­scaph während der Expo 64.

Das Bild zeugt vom gestalterischen Willen seines Fotografen. Der Ballon bildet zu Piccard den angeschnittenen und diesen deutenden Hintergrund. Sonst ist nichts im Bild, ausser dem undefinierbaren niedrigen Sockelhorizont am unteren Bildrand. Mehr braucht es auch nicht, mehr wäre weniger.

Kurt Wyss hat dieses Bild als 20-Jähriger mit seiner Rolleicord gemacht. Über fünfzig Jahre trennten die beiden, den Fotografierenden und den Fotografierten. Und das noch immer recht frisch daherkommende Bild ist inzwischen wiederum ein halbes Jahrhundert alt. Wyss war ein aufmerksamer Leser des Jugendjahrbuchs «Helveticus», darum war ihm Piccard ein Begriff – und ein willkommenes Fotosujet.

Auguste Piccard war in Basel nicht nur Zufallsgast. Er war in Basel geboren (1884), sein Vater Jules war 1868–1908 Professor für Chemie an der hiesigen Universität (Nachfolger des Schönbein, nach dem eine Basler Strasse benannt ist). Vater Piccard liess in Basel (zur Muba) die erste Telefonleitung installieren, er war auch Kantonschemiker und bei der Ein­weihung des Bernoullianums (wiederum Schönbeinstrasse) zugegen. Jules P. war aus Lausanne gekommen, wo der mit seinen Solar­weltumsegelungsplänen berühmt gewordene Urenkel Bertrand P. (geboren 1958) noch immer seine Basis hat. Urenkel? Auf Jules folgte der Auguste, auf Auguste der Jacques (ebenfalls Tiefseeforscher und Ozeanograf) und auf Jacques der Bertrand: the Piccard family.

Halbwegs zurück zu Auguste Piccard 1957 bei St. Jakob: Theoretisch hätte Kurt Wyss von Piccards Erscheinung auch aus einem anderen Grund angetan sein können: Seit 1943 (Kurt W. war siebenjährig) spazierte der nach Auguste Piccard gezeichnete Professor Balduin Bienlein durch Hergés Comics, als zwar manchmal schwerhöriger, aber genialer Erfinder verschiedener Dinge (von der atomgetriebenen Mondrakete über ein Mini-U-Boot bis zum Farbfernseher mit kleinen Schwächen). Zu Bienleins Ausstattung gehörten Brille, Hut und Regenschirm – und manchmal ein Hörrohr. Wie Rückfragen ergaben, hatten aber «Tim und Struppi» – anders als der «Helveticus» – die ­Familie Wyss 1957 noch nicht bildprägend ­erreicht.

Wie doch die Dinge zusammenhängen und nicht zusammenhängen können.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 20.04.12

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