Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) hat in ihrem erst dreijährigen Bestehen schon einen Haufen Überzeit angesammelt. Eine Auswertung, die zeigt, dass die Arbeitslast der jungen Behörde enorm ist.
Passiert in der Schweiz eine Familientragödie, meinen viele die Schuldigen schnell gefunden zu haben: die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb). Nach den schrecklichen Ereignissen in Flaach (ZH) Anfang 2015 wurden durch einige Medien gar Vorwürfe transportiert, die Kesb sei am Tod der beiden Kinder schuld. Schweizweit wurde das Bild einer unfähigen Behörde gezeichnet, die sich nicht um Schutzbedürftige sorgt, sondern deren Wohl leichtfertig aufs Spiel setzt.
Ein Blick auf die Basler Kesb zeigt jetzt, dass die Behörde unter einem hohen Arbeitsdruck leidet. Seit die Dienststelle Anfang 2013 gegründet wurde, haben die mittlerweile 50 Mitarbeiter durchschnittlich 168 Stunden Überzeit angehäuft. Die Auslastung der Mitarbeiter ist enorm. Dieses hohe Zeitguthaben hat seinen Grund hat: Gerade mal 20 Mitarbeiter sind für die Behandlung der insgesamt 4712 aktiven Fälle zuständig. Jeder dieser Mitarbeiter betreut also 235 aktive Fälle.
41 Stunden mehr Überzeit seit 2013
Die Kesb hat im Januar 2013 schweizweit das alte Vormundschaftssystem abgelöst. In Basel gibt es seither zwei neue Dienststellen: das Amt für Erwachsenenschutz und Beistandschaften (Abes) und eben die Kesb. Während sich die Abes um die Betreuung schutzbedürftiger Personen kümmert, entscheidet die Kesb darüber, wer Unterstützung und Schutz benötigt.
Im Jahr 2013 starteten die beiden Dienststellen bereits mit Altlasten der Vorgängerbehörde und sammelten daher innert Jahresfrist 130 Stunden Überzeit an. Die Abes konnte diese Mehrzeit in den folgenden drei Jahren deutlich abbauen, während bei der Kesb die Überzeit um durchschnittliche 41 Stunden pro 100 Prozent-Stelle anstieg.
Patrick Fassbind, seit Mai 2016 Leiter der Kesb, erklärt die unterschiedliche Entwicklung: «Die Änderungen im schweizerischen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht betrafen vor allem die Kesb und mussten auch von dieser umgesetzt werden.»
Laut Fassbind haben die Umsetzung des neuen Rechts und die Aufbauarbeiten für die Kesb sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Mit dem Resultat, dass die Überzeit pro Mitarbeiter drastisch anstieg. «Bei den Zeitguthaben handelt es sich zum kleinsten Teil um angeordnete Überstunden», sagt Fassbind. Der Grossteil seien Gleitzeitüberschüsse, die immer höher wurden, nicht bezogene Ferien und Dienstaltersgeschenke.
Zuversichtlich in die Zukunft
Thomas Geiser, Arbeitsrechtler an der Hochschule St. Gallen, sieht keinen Unterschied zwischen angeordneten Überstunden und nicht bezogenen Ferien: «In beiden Fällen gibt es zu viel Arbeit und letztlich ein Führungsproblem.» Einzig aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei eine Unterscheidung sinnvoll, sagt Geiser, da angeordnete Überstunden für den Arbeitgeber teurer seien.
«Überstunden zu leisten oder Ferien nicht zu beziehen, darf aus rechtlicher Sicht niemals ein Dauerzustand bleiben», sagt der Arbeitsrecht-Experte Roger Rudolph. Um die Mehrzeit abzubauen, würde der Rechtsanwalt beispielsweise auf eine effizientere Prozessgestaltung setzen.
Der Zukunft der Behörde sieht Kesb-Leiter Fassbind zuversichtlich entgegen. «Die Aufbauarbeiten konnten Ende 2015 abgeschlossen werden», sagt er und versichert, dass es seither zu keiner Zunahme der Zeitguhaben mehr gekommen sei.