Bald gehört auch das letzte Idyll zur Ufermeile

Hunderte Leute halten sich täglich am Kleinbasler Rheinufer auf. Nur der Schaffhauserrheinweg bleibt weitgehend verschont. Aber nicht mehr lange.

Die Umgestaltung des Schaffhauserrheinwegs zu einer Flaniermeile muss warten. (Bild: Nils Fisch)

Hunderte Leute halten sich täglich am Kleinbasler Rheinufer auf. Nur der Schaffhauserrheinweg bleibt weitgehend verschont. Aber nicht mehr lange.

Es mag wie eine kühne Behauptung klingen, ist aber wahr, wenn auch unbewiesen: Würde man 100 Basler fragen, wo in der Stadt sie am liebsten wohnen würden, käme von praktisch allen die Antwort: am Schaffhauserrheinweg. Es ist der schönste Fleck in der Stadt oder zumindest der schönste Fleck am Kleinbasler Rheinufer.

Herrschaftliche Villen reihen sich aneinander, allesamt mit Blick auf den Rhein und somit auf das altehrwürdige Grossbasel. Die Sonne scheint praktisch von morgens bis abends in den eigenen Garten (und deren gibt es etliche vor den Anwesen). Die Strasse ist zentral gelegen und doch ruhig.

Kanton sieht Freiraumpotenzial

Mit der Ruhe dürfte es bald vorbei sein: Mit dem Abriss des Kinderspitals und dem Beginn der Bauarbeiten für Luxuswohnungen auf dem Areal beginnt für die bislang unangetastete Gegend eine neue Epoche. Das letzte Idyll am Rhein soll nun endgültig für die Öffentlichkeit erschlossen werden, die sich gern am Rhein aufhält und zu der erfahrungsgemäss auch partylustige Jugendliche zählen.

Vom «grössten Freiraumpotenzial Basels» ist die Rede im Bericht des Bau- und Verkehrsdepartements (BVD) zum Projektwettbewerb «Rheinpromenade Basel». Der Schaffhauserrheinweg macht nur einen Teil des Gestaltungskonzepts aus, das sich vom Hafenareal bis zum Tinguely-Museum erstreckt, hat als «Vorprojekt» jedoch Priorität. Martina Münch, beim BVD zuständig für die Pläne, spricht von «Handlungsbedarf» am Schaffhauserrheinweg.

Kein Wirbel in der Öffentlichkeit

Bis Ende Jahr soll der Regierung ein Kreditantrag für die Umgestaltung vorliegen. Ob das Parlament dieser zustimmen wird, ist jedoch noch genauso offen wie die Frage, wie gross der Widerstand der Anwohner ausfallen wird. Diese zählen mehrheitlich zur gehobenen Schicht und haben einst viel Geld bezahlt für das Fleckchen Ruhe.

Sie werden allerdings kaum aus allen Wolken fallen, wenn die Bagger dann auffahren: Bereits zum jetzigen Zeitpunkt schenken die Verantwortlichen des BVD den Betroffenen grosse Aufmerksamkeit. Vergangene Woche wurden diese zu einer «Anrainer-Vorinformation» geladen und über den aktuellen Stand des Projektes informiert.

Weder der Quartierverein noch die Medien erhielten eine Einladung für die Veranstaltung. Es schien einzig und allein darum zu gehen, Transparenz zu schaffen für Anwohner und potenzielle Einsprecher. Sonst aber ist man in der Vorprojekt-Phase auf möglichst wenig Wirbel in der Öffentlichkeit bedacht.

Jogger, Mütter, Hündeler

Es war den Anwesenden nicht erlaubt, ein Foto von den Bauplänen für die Quartierzeitung zu machen, wie Silvia Rietschi, Vorstandsmitglied des Neutralen Quartiervereins Oberes Kleinbasel, sagt. Die Abweichungen zum im Bericht vorgestellten Siegerprojekt ändern aber nichts an der Tatsache, dass der Schaffhauserrheinweg mit einer Allee, einem Kiesstrand, einer breite Treppe zum Rhein und mit Stegen ausgestattet und somit zur attraktiven Fortsetzung der belebten Kleinbasler Rheinmeile werden soll. Bedenken über Dunkelheit (wegen der Bäume) und Lärm (wegen der Menschen) wurden an der Infoveranstaltung geäussert, gleichzeitig schafften es die BVD-Verantwortlichen, Panik bei den Anwohnern zu vermeiden.

Wenn sich ein Betroffener dennoch veranlasst sähe, Einsprache zu erheben (etwa gegen das Wegfallen von Parkplätzen) – er müsste sich gedulden: Bis das Projekt die politischen Hürden genommen hat, fliesst viel Wasser den Rhein herunter. Und bis die Bagger tatsächlich auffahren, dürfte im letzten Idyll des Kleinbasler Ufers in diesem und sicher auch im nächsten Sommer alles bleiben, wie es ist: Schwimmer mit Säcken, die den Weg nutzen, um beim Tinguely-Museum ins Wasser zu steigen, Mütter mit Kinderwagen, die zwecks Verschnaufpause eine Parkbank im Schatten aufsuchen, Jogger, Velofahrer, Hundebesitzer. Und kaum Massen, die 20. Geburtstage feiern, oder Sonnenanbeter, die auf der von Gras bewachsenen Böschung liegen, wenn sie es unweit der «Ruhezone» auch anders haben können.

Nur eine Buvette gesichert …

Unweit der «Ruhezone», das bedeutet: zwischen Wettstein- und Dreirosenbrücke. Dort wurden mit Sonnenanbeter-Plattformen und Duschen bereits Aufwertungsmassnahmen vorgenommen – und dort soll mit zwei zusätzlichen Buvetten diesen Sommer auch gastronomisch mehr geboten werden.

Wettertechnisch könnten die Betreiber der insgesamt vier Buvetten zwischen Kaserne und Dreirosenbrücke ihre Beizchen in Betrieb nehmen, gäbe es da nicht behördliche Hindernisse: Erstens darf eine Buvette als temporäres Lokal nur sechs Monate am Stück an einem Ort stehen; zweitens läuft die Einsprachefrist für die zwei Neulinge und eine der bestehenden Buvetten bis am 10. April. Aus Angst vor Lärm haben manche Anwohner bereits Einsprache erhoben. Gesichert ist nur die Kasernen-Buvette, deren Betreiber allerdings wegen der Sechs-Monate-Regelung noch zuwartet mit dem Öffnen.

… aber bereits weitere geplant

Obwohl auf dem Sandplatz vor der Kaserne noch keine Buvette steht, halten sich dieser Tage bereits Hunderte Menschen am Rhein auf. Genug andere Plätze – seien es Restaurants oder breite Stufen am Ufer – laden zum Verweilen ein. Während es bei der Mittleren Brücke bereits eng wird, ist die Ruhe am Schaffhauserrheinweg weiterhin gewährleistet.

Die Wettsteinbrücke bildet eine Art magischer Grenze zwischen buntem Treiben und stillem Sein. Noch. Nebst baulichen Veränderungen hin zur «Freizeitnutzung» sind für die Zone zwischen Wettstein- und Schwarzwaldbrücke jedoch auch zwei Buvetten vorgesehen – sofern die bereits bestehenden bis dann überleben.

Quellen

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06.04.12

Nächster Artikel