Baselworld: Das Baselbiet tickt ohne Swatch

Von der einst stolzen Uhrenindustrie in der Region Basel haben ein paar Exklusivitäten überlebt, weil sie Nischen abseits vom mächtigen Swatch-Imperium gefunden haben.

Früher stellte die Oris in Hölstein die Uhrenhemmungen, das «Herz» einer mechanischen Uhr, selbst her – eine Arbeit, die vor allem von Frauen ausgeführt wurde. (Bild: Oris)

Von der einst stolzen Uhrenindustrie in der Region Basel haben ein paar Exklusivitäten überlebt, weil sie Nischen abseits vom mächtigen Swatch-Imperium gefunden haben.

Basis aus Tecknau, Cimier aus Bubendorf oder Frenca und Nidor aus Niederdorf: Uhren dieser Marken sind längst aus den Schaufenstern der Uhren­geschäfte verschwunden. Baselbieter Uhren waren oft die «Uhren der Armen», wie sie von den Uhr­machern im Neuenburger und Waadtländer Jura ­naserümpfend genannt wurden. Günstige Zeitmesser mit einfachen mechanischen Werken. In den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden sie vom Markt gefegt. Gegen die ebenso günstigen, aber viel genauer gehenden neuen Quarzuhren aus Fernost hatten sie keine Chance.

Die Quarzkrise war ein brutaler Einschnitt in eine noch kurz zuvor blühende Industrie, die während Jahrzehnten das obere Baselbiet und vor allem das Waldenburgertal geprägt hatte. Zu den besten Zeiten in den 60er-Jahren beschäftigte die Uhrenfabrik Oris in Hölstein rund 850 Personen. Sie wurden mit firmeneigenen Bussen aus den umliegenden Dörfern zur Arbeit gefahren und stellten pro Jahr bis zu zwei Millionen mechanische Uhren her.

Lapanouse SA in Bubendorf mit den Marken Rego und Cimier kam auf eine Produktion von anderthalb Millionen Stück. Überrollt vom technolo­gischen Wandel verschwanden innerhalb eines Jahrzehnts zahlreiche Hersteller und mit ihnen Hunderte von Arbeitsplätzen.

Erfolgreiche Strategie

Wer überleben wollte, musste böse unten durch. Als Rolf Portmann und Ulrich Herzog 1982 in einem ­Management-Buy-out Oris von der damals grössten Schweizer Uhrengruppe Asuag (heute Swatch Group) übernahmen, fielen 205 der damals noch 250 Arbeitsplätze in Hölstein weg. Auf die integrierte Produktion von der Uhrwerkherstellung bis zur fertigen Uhr in der eigenen Fabrik wurde verzichtet und dafür mit Zulieferern vor allem im Jura kooperiert.

Auch wenn der Markt nach Quarzuhren gierte, setzten Portmann und Herzog weiter voll auf hochwer­tige Mechanik, überraschten immer wieder mit selbst entwickelten Sonderfunktionen und prägten den Begriff «High Mech». Die damals als ambitiös geltende Strategie zahlte sich aus: Bei mechanischen Uhren im Preissegment zwischen 1000 und 4000 Franken gehört Oris unterdessen als unabhängige Marke zu den Grossen im Geschäft.

Zahlen gibt die Firma nicht bekannt, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Jahresproduktion deutlich über 100 000 Stück beträgt. «Wir sind eine sehr gesunde Firma und zahlen gut Steuern», ist alles, was sich Oris-Verkaufsdirektor Erich O. Gerber entlocken lässt. Oris beschäftigt ­heute weltweit rund 110 Personen, davon die Hälfte in Hölstein. Bei den Uhrwerken arbeitet Oris eng mit Sellita in La Chaux-de-Fonds zusammen, um von ETA, der Uhrwerkschmiede der Swatch Group, unabhängiger zu werden.

Am Anfang war die Bahn

Die Anfänge der Baselbieter Uhrenindustrie gehen auf die erste Bahnlinie von Basel ins Mittelland ­zurück. Die Streckenführung durch den unteren Hauenstein war gleichbedeutend mit dem Ruin für das anhin florierende Fuhrhalter- und Gastgewerbe am oberen Hauenstein und im Waldenbur­gertal. 1853 beschloss die Gemeinde Waldenburg deshalb als Wirtschaftsförderung den Aufbau einer Uhren­fabrikation. Der kommunalen Uhr­macherei war aber kein grosser Erfolg beschieden. Bereits sechs Jahre später verkaufte Waldenburg das Geschäft an Louis Tschopp und Gedeon Thommen. Thommens Name lebt heute im Markennamen Revue Thommen und der Uhrwerkbezeichnung GT weiter.

Auf Thommens Fabrik folgten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten im Waldenburgertal weitere Unternehmen, so etwa 1893 die Uhrenfabrik Ge­brüder Buser in Niederdorf, 1905 Tschudin & Heid (Uhrenbestandteile) in Waldenburg und 1904 Cattin & Christian (die spätere Oris) in Hölstein. Dazu kamen verschiedene, oft kleine Zulieferbetriebe.
1920 waren im Bezirk Waldenburg schon über 1000 Personen in der Uhrenindustrie beschäftigt. Von den zahlreichen Firmengründungen im Ober­baselbiet zwischen den Weltkriegen konnten sich vor allem Thommen Basis Watch in Tecknau, Lapanouse SA in Bubendorf und Gröflin (heute Grovana) in Tenniken etablieren.

20 Millionen Uhrwerke pro Jahr

Erst mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde ­dagegen die Uhrwerkfabrik Ronda in Lausen gegründet, mit 260 Beschäftigten heute der grösste Arbeitgeber in der Baselbieter Uhrenindustrie. Der 1909 in Hölstein geborene William Mosset hatte nach der Lehre mit zahlreichen Erfindungen bei Oris die Herstellung von Uhrwerkteilen perfektioniert und gleichzeitig während vieler Jahre in der Freizeit schon eine eigene Zulieferfirma geführt.

Daraus entstand 1946 Ronda, die ab 1952 mechanische Rohwerke herstellte und sich Ende der 80er-Jahre ganz auf Quarzwerke konzentrierte. Ronda ist heute neben ETA, der Uhrwerkschmiede der Swatch Group, der grösste Schweizer Produzent von Quarzuhrwerken. Von den Fabriken in Lausen, Stabio TI und in Thailand werden pro Jahr rund 20 Millionen Uhrenantriebe ausgeliefert. Von der Produktion von Quarzwerken der Billigklasse hat sich Ronda längst verabschiedet. Mit «Low End»-Werken ist kein Geld mehr zu verdienen, wenn die chinesische Konkurrenz den Markt mit Antrieben für 30 Rappen pro Stück flutet. «Wir haben in den letzten Jahren extrem viel Energie und Geld in Werke mit Spezialfunktionen gesteckt», sagt Erich Mosset, Sohn des Firmengründers und CEO von Ronda.

Der Erfolg gibt ihm recht: Bekannte Marken wie Raymond Weil, Maurice Laroix, TAG Heuer, Movado, oder Victorinox Swiss Army bestücken ihre Uhren mit Antrieben aus Lausen. «Für die von der Swatch Group unabhängigen Marken sind wir heute erste Wahl», erklärt Erich Mosset. Dies nicht zuletzt wegen der Produktepalette. Ronda hat verschiedene Werke entwickelt, die ETA nicht anbietet, etwa Chronographenwerke mit grosser Datumsanzeige bei der 12.

Dieses Werkkaliber mit der Bezeichnung Ronda 5040B findet sich auch in Uhren von Montres Charmex SA in Liestal und Grovana AG in Tenniken. Neben Oris haben diese zwei Firmen als einzige Baselbieter Hersteller die Uhrenkrise überlebt. Beide haben ihre Wurzeln in den 1920er-Jahren und beide sind sie Familien­unternehmen in zweiter oder dritter Generation. Charmex produziert pro Jahr rund 10 000 Uhren – elegante, klassische Ticker unter dem eigenen Markennamen und robuste Sportuhren unter der Marke CX Swiss Military Watch. 95 Prozent der Produktion gehen in den Export, vor allem nach Russland, den Mittleren Osten, Deutschland und die USA.

Heiss begehrte Lehrstellen

Grovana stellt mit 40 Mitarbeitenden pro Jahr rund 120 000 Uhren unter dem eigenen Markennamen her. Aufsehen erregte Grovana-Chef Christopher Bitterli, als er Anfang 2001 für 25 Jahre die Lizenz für die Herstellung von Armbanduhren der Marke Revue Thommen erwarb, die einst in Waldenburg angesiedelt war. «Ich wollte verhindern, dass die Marke, wie andere zuvor, nach Asien geht», sagt Bitterli. Aus der Konkursmasse des früheren Herstellers in La Chaux-de-Fonds übernahm Grovana ein riesiges Waren­lager an Teilen für Revue-Uhrwerke, deren Produktion schon vor Jahren oder sogar Jahrzehnten eingestellt worden war. Bitterli fiel damit ein Warenlager in den Schoss, wovon andere Uhrenmarken nur träumen können: die Basis für die Herstellung eigener mechanischer Werke – ein wichtiges Verkaufsargument bei Uhren-Liebhabern und -Sammlern.

Seither stellt Grovana pro Jahr einige Tausend Uhren mit Revue-Uhrwerken mit der Bezeichnung GT her und will den Anteil weiter ausbauen. Der Neustart der Produktion von mechanischen Uhrwerken liess allerdings eine Lücke deutlich werden: Grovana hatte zu wenig ausgebildete Uhrmacher und fand kaum qualifizierte Berufsleute.

Bitterli entschied sich für die Flucht nach vorn und bietet in seiner Firma drei Lehrstellen für Uhr­macher an. Nach einem harzigen Start – «Junge konnten sich gar nicht mehr vorstellen, was ein Uhrmacher macht», sagt Bitterli – sind die Lehrstellen heute heiss begehrt.

Baselworld bittet Aussteller schon für das nächste Jahr zur Kasse

Noch hat die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld 2012 nicht begonnen – erster Tag der Messe ist der kommende Donnerstag, 8. März – und schon läuft die Planung für 2013 auf Hochtouren. Nächstes Jahr wird die Baselworld erstmals in den Messe-Neubauten stattfinden. Wer wo in den neuen Hallen ausstellt, ist schon weitgehend ­festgelegt.

Bei verschiedenen langjährigen mittelgrossen Ausstellern sorgt allerdings nicht nur für Irritation, dass die Quadratmeterpreise um satte 20 Prozent auf 420 Franken erhöht wurden. Den Ausstellern stösst auch sauer auf, dass die Messe den Marken kürzlich bereits Akonto-Rechnungen von 30 Prozent der Standmiete 2013 ­«zur Sicherstellung des Messekonzepts» ins Haus schickte. Zahlbar innerhalb von 30 Tagen. Baselworld-Sprecher Bernard Keller bestätigt die eingeforderten Vorauszahlungen und begründet sie mit «Planungssicherheit».

Die Messe investiere weiter und wolle verhindern, dass Aussteller ­wieder kurzfristig abspringen. Mit allen Zusatz­abgaben – unter anderem rund 15 000 Franken pro an der Messe vertretene ­Marke und 15 000 Franken für die Baselworld-App – komme er so 2013 auf 50 Prozent höhere Messekosten, rechnet ein Unternehmer vor. Und da ­seien die Kosten für den Standbau noch nicht berücksichtigt.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.03.12

Nächster Artikel