Basler Fasnacht: Heimlichtuer und ihre Sprüche

Karli Schweizer ist einer der dominantesten Basler Fasnächtler. Sein Problem: Der Schnitzelbänggler repräsentiert Dinge, über die er eigentlich singen müsste.

Karli Schweizer ist einer der dominantesten Basler Fasnächtler. Sein Problem: Der Schnitzelbänggler repräsentiert Dinge, über die er eigentlich singen müsste.

In Sachen Fasnacht gibt es kaum etwas Schwierigeres, als über Karli Schweizer zu schreiben. Die ganze Stadt kennt ihn als Kopf der «Striggede». Schreiben dürfe man das aber keinesfalls, sagt Schweizer: «Die Fasnacht lebt von der Anonymität. So können Bänggler schonungslos offen sein und es mit den Mächtigen aufnehmen.»

Solche Dinge sagen viele Fasnächtler. Aus Schweizers Mund tönt es aber speziell: Er gilt als Selbstdarsteller, der weiss, wie man es anstellt, dass einen die ganze Stadt als Bänggler kennt. Denn Schweizer und seine Bängglerkollegen lieben die grossen Gesten, den imposanten Auftritt. An der Fasnacht lassen sich die feinen Herren jeweils – dicke Zigarren rauchend – von Lokal zu Lokal chauffieren, wo sie bei der erstbesten Gelegenheit auf die Bühne drängen, auch wenn andere Gruppen schon lange am Warten sind. Das zumindest sagt man ihnen nach.

«Alles Unsinn», sagt Schweizer. Zumindest fast alles. Auf das Taxi sei ein Bangg manchmal angewiesen, wegen des Termindrucks und so. Aber sich an anderen Bänggen vorbeidrängeln? Nein, so etwas würden sie nie tun. Es sei in den Beizen höchstens schon vorgekommen, dass die Gäste zum Vortrag eines anderen Bangg ihren Refrain gesungen hätten – was diese natürlich nicht so toll fanden. Getönt habe das dann so: «Und ineschtäche, umeschloo, durezie und usego!»

Blocher und Ospel

Schweizer sei ein Wichtigtuer, sagen nicht wenige. Er sagt: In der Fasnachtsszene gebe es eben auch Neid. Kurz: Er und die anderen passen nicht unbedingt gut zusammen. Entsprechend gross war das Trara, als er sein eigenes Schnitzelbank-Comité gründete, das «Comité 2000». Ziel sei es, die Qualität der Bängg zu heben, sagt Schweizer. «Die ist zum Teil miserabel.»

Natürlich kommt auch diese Aussage nicht bei allen gut an. Doch das ist Schweizer egal. Wichtig ist ihm der Erfolg seines Bangg. Und seines Comités, das zum zweiten Mal den Schnitzelbank-Corso durchführt, bei dem in Restaurants Mittagsmenüs samt Bängg serviert werden. Das Angebot ist nicht ganz billig, und darum muss sich Schweizer Vorwürfe anhören. «Kommerz!», schreien die Traditionalisten.

Da überrascht es schon fast, dass es selbst zu Schweizers Person ein paar unbestrittene Angaben gibt. Sein Alter (56), sein Beruf (selbstständiger Advokat), seine Parteizugehörigkeit (SVP). Allgemein bekannt ist auch, dass er bei der UBS zwölf Jahre lang Leiter des Art Banking war. Ein schöner Job, bei dem Schweizer viele interessante und reiche Leute kennenlernte. Nachdem die UBS mit Staatsgeldern gerettet werden musste, schienen Ausgaben für schöne Künste allerdings nicht mehr unbedingt passend. Das Art Banking wurde 2009 abgeschafft, ein Jahr später verliess Schweizer die Bank.

Die guten Kontakte hat er aber noch. Zu SVP-Übervater Christoph Blocher zum Beispiel, den er in den 1990er-Jahren über eine Cousine der Frau des Autoimporteurs und SVP-Finanziers Walter Frey kennengelernt hatte. Schweizer nutzte die Gelegenheit, um Blocher an die Fasnacht einzuladen. Für den Morgenstreich beschaffte Schweizer ihm auch die gewünschte Adolf-Ogi-Larve. Blocher war begeistert – und kam wieder an die Fasnacht. Nach all den Jahren gehört er schon fast ein bisschen dazu; dieses Jahr durfte er sogar beim «Charivari» auftreten.
Für Blocher selber zahlt sich die lustige Basler Connection ebenfalls aus. Sein Freund Karli Schweizer erklärte sich bereit, ein Mandat bei der «Basler Zeitung» zu übernehmen. Und der gemeinsame Freund Marcel Ospel war beim Kauf der Zeitung durch das neokonservative Netzwerk rund um Blocher angeblich schon früher dabei. Auch Chefredaktor Markus Somm hat einen Platz in Schweizers Fasnachts-Connection: Im vergangenen Jahr durfte Somm mit Karli Schweizer den Morgenstreich besuchen.

Höhepunkt der Schweizerschen Fasnacht und Treffpunkt für seine Freunde aus der nationalkonservativen Ecke ist der «Striggedeball» vom Dienstagabend in der «Sanfranzunft». Bei ­diesem Anlass schafft es Schweizer jeweils, eine Gästeliste zusammen­zu­stellen, die sich wie ein «zehnminütiger Glanz-und-Gloria-Report anhört», schrieb Fasnachtskenner -minu einst bewundernd. Da kommt nicht nur «Tout Bâle», sondern auch ein bisschen rechte Prominenz aus der Restschweiz. Eine Zeitlang gab es daneben auch noch den «Schnaabel­bryys», den Marcel Ospel, ein alter Fasnächtler auch er, ins Leben gerufen hatte. Einer der Gewinner beim viel diskutierten und viel verspotteten Wettsingen war – wen überraschts? – Karli Schweizers Bangg.

Hildebrand und Pippas Po

In diesem Jahr hat Schweizer höchstens ein Problem. Irgendwie ist er bei vielen Themen der vergangenen Monate – Banken, SVP, BaZ – vielleicht etwas zu stark involviert, als dass er bei seinen Aufritten so schonungslos offen sein könnte, wie er gerne wäre.

Dabei kann er im persönlichen Gespräch schon mal kritisch werden, wenn es etwa um Banken geht. Ihr Geschäft sei viel zu sehr auf den kurzfristigen Profit ausgerichtet, sagt er zum Beispiel. Das schade dem einzelnen Kunden und dem gesamten Finanzsystem: «Das schafft Probleme und dient nicht dem Wiederaufbau des Vertrauens der Kunden in das System.»

In seinen Schnitzelbängg zielt er dann aber eher gegen Kweku Adoboli, den einen Katastrophenbanker, als gegen das ganze System. Und die Verse über Hildebrand, den von der SVP abgeschossenen Nationalbankpräsidenten und Bankenregulierer, sind fast so scharf wie die über Pipas Po. Aber wahrscheinlich darf man auch das nicht verraten, wegen möglicher Rückschlüsse.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 24.02.12

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