Bei der überfälligen geschichtlichen Aufarbeitung und Vermittlung ihrer Industriekultur erhalten die beiden Basel Entwicklungshilfe aus dem Osten der Schweiz.
Die ungenügende Aufarbeitung und Vermittlung der Basler Industriegeschichte gehört seit Jahren zu den Dauerthemen auf der politischen Agenda. In mehreren Vorstössen wiesen verschiedene Basler Grossrätinnen und Grossräte in den letzten Jahren auf den dringlichen Nachholbedarf auf diesem Gebiet hin – sei es durch die Schaffung eines neuen Basler Kantonsgeschichtswerks oder eines neuen inhaltlichen Schwerpunkts im Historischen Museum Basel.
Auch die Basler Regierung scheint sich dieses Mankos bewusst zu sein. Einer neuen, vom Staat finanzierten Kantonsgeschichte steht sie zwar ablehnend gegenüber, bei der Vermittlung aktueller Geschichtsthemen ortet sie aber durchaus Handlungsbedarf. So rief die Exekutive mit dem Forum für Geschichte eine Plattform ins Leben, «die relevante Akteure der staatlichen Institutionen aus dem historischen Bereich (…) dazu einlädt, über gemeinsame Initiativen der Geschichtsvermittlung nachzudenken». Dieses Forum hat Anfang Juni seine Kick-off-Sitzung erlebt; bis sich aus diesem institutionalisierten Treffen ein konkretes Projekt herausschälen wird, dürfte aber noch einiges an Zeit verstreichen.
Eine Richtungswahl
Ein Zeichen in Richtung Aufbruch zu neuen Formen der Vermittlung von neuerer Geschichte war die Wahl von Marie-Paule Jungblut zur neuen Direktorin des Historischen Museums Basel. Die ehemalige Vizedirektorin des Musée d’Histoire de la Ville de Luxembourg hat bereits Ausstellungen zu wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Themen kuratiert. Aber auch hier dürfte noch einiges an Geduld gefragt sein, bis sich im hauptsächlich kunsthistorisch ausgerichteten Museum ein allfälliger neuer Ausstellungsschwerpunkt in neuerer Geschichte bemerkbar macht.
Trotzdem gerät nun Bewegung in die Aufarbeitung der regionalen Wirtschaftsgeschichte. Allerdings handelt es sich nicht um eine Basler Initiative, sondern um einen Vorstoss aus dem Osten der Schweiz. Genauer um eine Initiative der Schweizerischen Gesellschaft für Technikgeschichte und Industriekultur (SGTI) in Winterthur. Die Gesellschaft plant eine Wanderausstellung samt Buchprojekt und umfassender Dokumentation zum Thema Industriekultur beider Basel. Die Wanderausstellung soll im Winter 2014/15 in zwei Museen der Region Basel zu sehen sein. Das Projekt ist beiden Basel je 200’000 Franken aus dem Swisslos-Fonds wert.
Positive Reaktionen
In Basel reagiert man nach dem Motto «lieber den Spatz in der Hand …» vornehmlich positiv auf die wirtschaftsgeschichtliche Entwicklungshilfe aus dem Osten. Tatsächlich dürfte die regionale Industriegeschichte bei der SGTI in guten Händen sein. Die Vereinigung, deren Kernteam sich vor allem aus Persönlichkeiten aus dem Aargau, Schaffhausen und Winterthur zusammensetzt, gilt als das wohl versierteste Kompetenzzentrum in Sachen Technikgeschichte und Industriekultur in der Schweiz.
Der Geschäftsführer der SGTI, Hans-Peter Bärtschi, hat sich als Industriearchäologe einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Seit Jahren setzt sich die Gesellschaft mit viel Engagement und Fachwissen für das «Verständnis von Technikgeschichte und Industriekultur» und im Verein mit dem Schweizerischen Heimatschutz auch konkret für die Erhaltung von Industriekulturgütern ein. Das Basler Ausstellungs- und Dokumentationsprojekt wird nicht das erste seiner Art sein. Die SGTI hat bereits die Regionen Zürich, Bern und Ostschweiz mit entsprechenden Projekten abgedeckt.
200’000 Franken fehlen
Das Basler Projekt wird wie die vorangegangenen aus drei Teilen bestehen: einer Dokumentation mit rund 1000 Objekten, die auf der Informationsplattform für schützenswerte Industriekulturgüter der Schweiz abrufbar sein wird, einem Buch mit 333 ausgewählten Objekten und aus der Wanderausstellung. Strukturiert werden soll die Ausstellung in acht Wanderrouten entlang der Industriekulturgüter der Region. Mit den beiden Swisslos-Fonds-Beiträgen ist bereits mehr als die Hälfte des Gesamtbudgets in der Höhe von 695 000 Franken gedeckt. «Rund 100 000 Franken werden wir als Eigenleistungen beitragen», sagt Bärtschi. Es fehlen also noch rund 200’000 Franken an privaten Zuwendungen.
Das SGTI-Projekt zur Industriegeschichte ist übrigens nicht das einzige für die Region relevante Ausstellungsprojekt zur jüngeren Geschichte, das ohne direkte Basler Beteilung über die Bühne gehen wird. In Vorbereitung ist auch eine vom Lörracher Museum am Burghof initiierte grenzüberschreitende Museumskooperation zum Thema Erster Weltkrieg, die 2014, hundert Jahre nach Kriegsaubruch, gezeigt werden soll. Auf Schweizer Seite mit von der Partie sind das Musée Jurassien in Delémont und das Museum.BL in Liestal – das Historische Museum Basel indes taucht auf der Liste nicht auf.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 22.06.12