Basler Wohnungsmarkt treibt Menschen in staatliche Abhängigkeit

Basel-Stadt erteilt der Wohnraumentwicklung gute Noten. Dabei herrscht ein akuter Notstand bei den Billig-Wohnungen. Immer mehr Haushalte sind auf Mietzinsbeiträge angewiesen.

Bei den Wohnungen für «besonders Bedürftige» herrscht Notstand.

«Die Strategie und das Wohnraumfördergesetz zeigen Wirkung», schreibt die Basler Regierung in einer Medienmitteilung. Ihre Aussage trifft zu, was den Bestand von Wohnungen zu Marktmieten, den genossenschaftlichen Wohnungsbau und die Förderung von Wohneigentum betrifft. Die selber gesteckten Ziele zur «Unterstützung von ansässigen, am Wohnungsmarkt benachteiligten und sozial schwächeren Einwohnern» wurden aber weit verfehlt. Das zeigt der erste Controlling-Bericht zur Wohnraumentwicklung.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Der Kanton verfügt zwar über 145 Notwohnungen, die als Übergangslösung in Härtefällen gedacht sind. Etwa für Familien mit minderjährigen Kindern, denen Obdachlosigkeit droht. Daneben hat Basel-Stadt lediglich 14 günstige Wohnungen für «besonders benachteiligte Personen» im Angebot, die auf dem Wohnungsmarkt schlechte Karten haben. «Hier besteht Handlungsbedarf», wird im Bericht lakonisch festgestellt.

Kernstadt zieht einkommensschwache Haushalte an

Zwar sind mit der Bebauung Volta Ost 45 weitere günstige Staatswohnungen in der Pipeline und beim Eglisee soll Wohnraum für 33 Personen entstehen. Das dürfte aber noch lange nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Laut einer Studie der Universität Genf ziehen vermehrt einkommensschwächere Haushalte aus der Agglomeration in die Kernstadt.

Das deckt sich mit den Erfahrungen der sozialen Wohnungsvermittlungsstelle IG Wohnen, die in ihrem Jahresbericht 2016 schreibt: «Die Liste [der Hilfesuchenden, d. Red.] ist lang und wird jährlich länger, weil Wohnungsangebote im günstigen Segment jährlich weniger werden.»

Starker Anstieg bei den Mietzinsbeiträgen

Die Familienmietzinsbeiträge stiegen von 2011 bis 2016 um satte 83 Prozent an. Hier geht es zur interaktiven Grafik.

Der Mangel an günstigem Wohnraum macht sich bei den Sozialkosten bemerkbar. Die Zahl der Haushalte, die Familienmietzinsbeiträge erhalten, ist von 2011 bis 2016 um satte 83 Prozent angestiegen. Aus der eben erst veröffentlichten Sozialberichterstattung 2017 geht hervor, dass mittlerweile 2228 Haushalte Familienmietzinsbeiträge in der durchschnittlichen Höhe von 4811 Franken pro Jahr beziehen. Damit sind fast 2,3 Prozent aller Haushalte im Kanton auf staatliche Zuschüsse an die Mietkosten angewiesen.

Es sind übrigens nicht nur die einkommensschwächsten Haushalte, die auf Mietzinsbeiträge angewiesen sind: Nur 17 Prozent der unterstützten Familien verfügen über ein Jahreseinkommen von weniger als 40’000 Franken. Bei 78 Prozent der unterstützten Haushalte liegt das Jahreseinkommen zwischen 40’000 und 79’999 Franken.

Genossenschaftlicher Wohnungsbau auf Kurs

Die Mietpreise von genossenschaftlichen Dreizimmerwohnungen sind rund ein Drittel günstiger. Hier geht es zur interaktiven Grafik.

Besser auf Kurs ist die Förderung des gemeinnützigen oder genossenschaftlichen Wohnungsbaus. Laut Wohnraumfördergesetz kann der Kanton den genossenschaftlichen Wohnungsbau unter anderem mit günstigen Baurechtsverträgen, Darlehen und steuerlichen Erleichterungen fördern. Das scheint sich auszuzahlen. Der Controlling-Bericht rechnet mit dem Bau von 1000 Genossenschaftswohnungen in den kommenden fünf Jahren.

Das hat durchaus eine dämpfende Wirkung auf die Mietpreise. So kostet eine Dreizimmerwohnung in einem genossenschaftlichen Bau rund ein Drittel weniger als eine vergleichbare Wohnung auf dem freien Markt. Allerdings ist der Anteil an Genossenschaftswohnungen am gesamten Wohnungsbestand mit 10 Prozent noch immer relativ tief. In der Stadt Zürich zum Beispiel ist der Anteil mit über 18 Prozent fast doppelt so hoch.

https://tageswoche.ch/allgemein/basel-wird-immer-reicher-und-zaehlt-immer-mehr-arme/

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