Der Verein «Eine Stadt für Alle» hat eine Zeitung in 50’000 Briefkästen verteilt. Unter dem Titel «Betongold» wird darin die preistreibende Investitionspraxis von Pensionskassen angeprangert. Den Initianten ist aber bewusst, dass ein Interessenkonflikt besteht zwischen bezahlbarem Wohnraum und sicheren Renten.
Eine vierseitige Broschüre mit dicht gedrängten Absätzen. Darunter eine Karte mit den «Brennpunkten der Pensionskassen-Spekulation». So mancher Basler konnte neulich eine Broschüre mit dem Titel «Betongold» im Briefkasten vorfinden – und wird sich wohl gefragt haben, was es damit auf sich hat.
Die letzten Exemplare dieser kleinen Zeitung liegen im Schaufenster der Vereinszentrale an der Oetlingerstrasse. Gut 50’000 Stück habe man bis jetzt verteilt, sagt Sebastian Benthaus. Er ist einer der drei Gründer des Vereins «Eine Stadt für Alle», der extra für diese Broschüre ins Leben gerufen wurde.
Benthaus, Urs Weber und Hans-Georg Heimann, die drei Köpfe hinter dem Verein, haben dieses Blatt verfasst und auch eigenhändig unter die Leute gebracht oder eben in die Briefkästen verteilt. Das sei nur mit der Hilfe von über 100 Freiwilligen möglich gewesen, erklärt Benthaus. Deshalb sieht er sich auch nicht gerne so prominent in den Medien. «Es geht hier um all diejenigen, die mitgemacht haben, und natürlich um die Sache.»
Interessenkonflikt der Pensionskassen
Die Broschüre, die der Verein verteilte, ist eine Auslegeordnung, die den Interessenkonflikt zwischen bezahlbarem Wohnraum und hohen Renten aufzeigt.
Die etwas umständliche These geht so: Pensionskassen heizen den Wohnungsmarkt an, weil sie eine hohe Rendite erwirtschaften müssen und deshalb in Immobilien investieren. Das schadet letzten Endes jedoch auch jenen, denen die Pensionskassen eigentlich dienen sollten: den Rentnern und Rentnerinnen.
«Ein komplexes Thema», findet Benthaus. Umso wichtiger sei es, diesen Zusammenhang, von dem fast alle ganz konkret betroffen seien, aufzuzeigen.
Pensionskassen abschaffen?
Hans-Georg Heimann, der sich schon länger mit dem Wohnungsmarkt beschäftigt, ergänzt: «Es ist nicht so, dass man die Pensionskassen als ‹die Bösen› abtun kann. Das Bild, das wir malen, ist eben nicht schwarz-weiss.» Die Problematik sei zudem eine Nachwirkung der Finanzkrise von 2008.
Klar sei nur, dass es einen Zielkonflikt gebe – «wie man den auflösen kann, das wissen wir auch noch nicht konkret». Vielleicht, indem die Pensionskassen Schritt für Schritt zurückgefahren würden und die AHV alleine die Altersvorsorge übernehme. «Das Pensionskassensystem ist eine Maschine wie ein AKW – man kann sie nicht von einem Tag auf den anderen abschalten», sagt Heimann.
In den Beiträgen wird viel abgewogen, einzelne Lösungsansätze schneiden sie knapp an. Was will das Trio eigentlich mit seinem Verein erreichen? «Zum Nachdenken anregen», sagt Benthaus. «Wir setzen uns für eine sozialere Stadt ein, die Freiräume bietet und sich finanziellen Zwängen entzieht.»
Seit den 1970er-Jahren dabei
Das Team arbeitet ehrenamtlich. Auch im digitalen Zeitalter entschieden sich die Macher von «Betongold» bewusst für etwas Gedrucktes. Umso mehr sei die Aktion auch aufgefallen: «Leute, die mit einem Leiterwagen eine Retro-Zeitung verteilen – das hat irgendwie auch etwas Erfrischendes», sagt Benthaus. Mit Spendengeldern sollen die Druckkosten wieder wettgemacht werden.
Das Trio hat viel Zeit in die Broschüre investiert. Sebastian Benthaus, Velokurier und Student der Medienwissenschaften und der Soziologie, nennt es «Freizeitbeschäftigung».
Heimann, der die Genossenschaft Mietshäuser Syndikat mitbegründete, arbeitete neben seinem Job bei einer Beratungsstelle für Arbeitslose an diesem Projekt. Er engagierte sich bereits in den 1970er-Jahren in der Mieterbewegung.
Kein Masterplan
Und Weber, der beim Hochbauamt arbeitete, hatte als Pensionär Zeit, sich dem Projekt zu widmen. Schon früh setzte er sich zudem mit Alternativen zur Pensionskasse auseinander.
Benthaus ist aus Interesse an den Themen Stadtentwicklung und Wohnungsnot auf die Spekulationsproblematik aufmerksam geworden, zudem ist er Bewohner der bedrohten Häuserzeile am Steinengraben. Via Mietshäuser Syndikat hat er die beiden älteren Mitstreiter kennengelernt.
«Es ist noch nicht klar, in welche Richtung sich das Projekt bewegen wird», sagt Urs Weber. Man wolle die Reaktionen auf die Aktion «Betongold» abwarten. Einen genauen Masterplan für die Zukunft des Vereins gebe es noch nicht. Nach dem Versuchsballon möchten die drei aber weiterhin am Thema dranbleiben.
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Die Broschüre «Betongold» ist hier als PDF auffindbar.