Die Lady Bar, Ausgehmagnet im Kleinbasel, steht im Brennpunkt der Quartierpolitik. Hier stösst die Mitwirkung an ihre Grenzen: Obwohl die Bevölkerung einen Club an dieser Ecke unterstützt, will der Kanton die Liegenschaft künftig möglichst wirtschaftlich betreiben.
Das DJ-Set von Timnah Sommerfeldt wird am Samstag viel Publikum anlocken. Sie legt in einer der angesagtesten Bars auf, die sich mitten in der Stadt befindet und von der Anwohnerschaft offensichtlich toleriert wird: in der Lady Bar.
Als die Lokalitäten vor zweieinhalb Jahren neu eröffnet wurden, sahen sich die Anwohner vom Ansturm des Ausgehpublikums geradezu überwältigt. «In der Zwischenzeit hat aber ein Gewöhnungsprozess stattgefunden», sagt Tom Brunner, Betreiber der Lady Bar und des Restaurants Feldberg an der Ecke Feldberg- und Klybeckstrasse.
Die Quartierbevölkerung empfinde die Barkundschaft nicht mehr als Bedrohung, und die Betreiber achten darauf, dass die Lautstärke der Gäste vor dem Lokal gedämpft und der Abfall weggeräumt wird. «Wir sind auf null Reklamationen heruntergekommen», sagt Brunner.
Doch die Lady Bar befindet sich just an einer Schnittstelle zwischen öffentlicher Nutzung, Zwischennutzung und letztlich auch Mitwirkung durch die Bevölkerung. Anders gesagt: Das Lokal ist ein quartierpolitischer Brennpunkt.
Mitwirkungsprozess eingeleitet
Die Nutzung der Staatsliegenschaft mit der Lady Bar, dem Restaurant Feldberg mit Flüchtlingswohnungen darüber und der Lebensmittelgemeinschaft Basel im Hinterhof ist beschränkt. Ursprünglich sollte bereits Ende März Schluss sein mit dem Zwischennutzungsprojekt. Weil sich der Bericht der Denkmalpflege verzögerte, wurde die Zwischennutzung um ein Jahr bis Ende März 2016 verlängert.
Wochenthema Mitwirkung
Die TagesWoche widmet ihren Schwerpunkt diese Woche der Mitwirkung der Basler Bevölkerung bei kantonalen Planungen. Dabei geht es auch um den Paragrafen 55 der Kantonsverfassung, der am 23. März zehn Jahre in Kraft sein wird. Dabei gehen wir dem Konflikt zwischen Mitwirkung und Mitsprache auf den Grund, lassen den Kanton eine erste Bilanz ziehen und die dänische Stadtplanungs-Koryphäe Jan Gehl zu Wort kommen.
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Aber Zwischennutzung bleibt Zwischennutzung. Um nicht an den Bedürfnissen der Quartierbevölkerung vorbeizuplanen, setzte der Kanton via Immobilien Basel-Stadt mit dem Stadtteilsekretariat Kleinbasel ein Mitwirkungsverfahren in Gang. Klingt einfach, ist es aber nicht. Denn die Auflagen schmälern den Spielraum.
«Zur Formulierung eines Leitbilds für die Erdgeschossnutzung der Liegenschaft sollen die Quartieranliegen möglichst repräsentativ aufgenommen werden», heisst es in der offiziellen Verfahrensdefinition. Und: «In der Projektentwicklung und in der darauffolgenden Vermietung soll diesem Leitbild innerhalb der übergeordneten Rahmenbedingungen so gut wie möglich entsprochen werden.»
Diese «übergeordneten Rahmenbedingungen» – erwähnt sind die Kosten, die Wirtschaftlichkeit und die Marktsituation – schränken aber die Mitwirkungsmöglichkeiten relativ stark ein. Dazu kommt, dass die künftige Nutzung der Obergeschosse mit «Schwerpunkt Wohnen» von vornherein ausgeklammert wurde.
Anwohner wollen auch lärmintensive Nutzung
Bei der ersten Mitwirkungsversammlung war das zahlreich anwesende Publikum altersmässig gut durchmischt. Auffallend war, dass bei der Evaluation der Quartieranliegen die aktuelle Zwischennutzung, namentlich der Club und das Restaurant, auch bei den älteren Teilnehmern am besten abschnitt.
«Die Verteilung der Punkte hat auch mich positiv überrascht», erinnert sich Tom Brunner. In den späteren Workshops stieg der Altersdurchschnitt allerdings wieder. Auf die Liste der Nutzungswünsche gelangten Ideen wie «Austoberaum für Kinder» oder eine «Schauwerkstatt» im Hinterhof.
Doch der Wunsch, dass die künftige Nutzung auch Raum für laute Anlässe bieten sollte, blieb als Forderung stehen. An der Ergebniskonferenz Ende November 2013 schwangen neben der weiteren Nutzung des Hauptgebäudes als Restaurant unter anderem ein Neubau des Gebäudes im Hinterhof, der auch Platz für «laute Nutzungen» bieten sollte, oben auf.
Anhörung oder Mitwirkung: Grenzen der Zusammenarbeit
Mit ihren Vorschlägen hatten die Teilnehmer des Prozesses die Grenzen allerdings überschritten: Nur die Erdgeschossräume sollten Gegenstand der Mitsprache sein, und auch die Rahmenbedingungen in Sachen Kosten, Wirtschaftlichkeit und Marktsituation wurden strapaziert. «Schöne Ideen sind ja begrüssenswert, aber es stellt sich am Schluss die Frage, wie sie finanzierbar sind», sagt selbst Tom Brunner.
«Es handelte sich nicht wirklich um einen Mitwirkungsprozess, sondern um eine Anhörung», sagt denn auch Barbara Neidhart, die als Delegierte von Immobilien Basel-Stadt an den Gesprächen und Workshops teilgenommen hatte. Nur: Die Veranstaltungen liefen offiziell unter dem Titel «Mitwirkungsverfahren».
Mit dieser Formulierung wurde letztlich mehr versprochen, als eingehalten werden konnte. «Aus dem Prozess sind sehr gute Anregungen an uns herangetragen worden, aber wir müssen uns an den Rahmen der Wirtschaftlichkeit halten» sagt Neidhart. «Immobilien Basel-Stadt darf über die Mietpreise keine Nutzungen subventionieren.»
Klar ist: Es gibt sicher einen mehrstöckigen Wohnneubau
Ganz ohne Folgen soll der Anhörungsprozess aber nicht bleiben. «Wir nehmen die Anregung aus der Bevölkerung auf, dass im Erdgeschoss Räumlichkeiten für öffentliche Nutzungen eingerichtet werden sollen», sagt Neidhart. «Das kann auch eine gastromomische Nutzung sein.» Ebenso aufgenommen worden sei der Wunsch, dass in den Obergeschossen günstiger Wohnraum geschaffen werden soll.
Wie geht es nun weiter? Aus dem Basler Kantonsblatt geht hervor, dass Immobilien Basel-Stadt «ein Generalplanerteam» für die «Instandsetzung und den Neubau Feldbergstrasse 47» sucht. Allzu viele Details enthält aber auch diese Ausschreibung nicht – mit einer Ausnahme: «Das bestehende eingeschossige Hinterhofgebäude soll durch ein mehrstöckiges Wohngebäude ersetzt werden.»
Die Co-Leiterin des Stadtteilsekretariats Kleinbasel, Theres Wernli, setzte sich dafür ein, dass die Bevölkerung am Mitwirkungsverfahren bei der Lady Bar «repräsentativ» vertreten war. Das ist bei Mitwirkungsprozessen nicht selbstverständlich: «Wer mitmacht: grob zusammengefasst besser gebildete Menschen, die Zusammenhänge nachvollziehen und verstehen können, und es sind ältere Menschen, die Zeit haben, oder solche, die in einem Verein engagiert sind oder in der direkten Nachbarschaft leben», sagt sie.
Im Vorfeld der ersten Informationsveranstaltung im August 2013 wandte sich Wernli denn auch speziell an jüngere Menschen und Vertreter der Jugendkultur und fügte der Einladung die mahnenden Worte bei: «Sagt nachher einfach nicht, ihr hättet nichts davon gewusst …»