Am nächsten Freitag wird der Atomausstieg konkret: Mit seinem neuen Energiegesetz zeigt der Bundesrat, wie unser Land die «Energiewende» schaffen kann. Er setzt klare Ziele für Energie-Einsparungen und für den massiven Ausbau der Produktion erneuerbarer Energie.
«Rahmenbewilligungen für die Erstellung neuer Kernkraftwerke dürfen nicht erteilt werden.» Dieser «Art. 12 Abs. 4 (neu)» im Kernenergiegesetz ist der Kern des Gesetzespakets, mit dem der Bundesrat den Ausstieg der Schweiz aus der Atomenergie jetzt auch rechtlich besiegeln will. Die beiden Räte haben dem eidgenössischen Abschied vom Atom-Zeitalter im Grundsatz schon zugestimmt. Der Bundesrat hat das konkrete Gesetzespaket, das der TagesWoche im Entwurf vorliegt, schon am letzten Freitag intensiv beraten. Jetzt werden noch einige Feinjustierungen vorgenommen. Und am nächsten Freitag soll das Ganze verabschiedet und in die Vernehmlassung gegeben werden.
Der Entwurf zeigt, dass die Landesregierung die «Energiewende» hin zu einer Schweiz ohne Atommeiler auf zwei Säulen abstützt: Auf eine «massive Steigerung der Nutzung von einheimischen erneuerbaren Energien». Und auf den forcierten Einsatz neuer Technologie zur Strom-Einsparung: Das Gesetz bezweckt generell «die sparsame und rationale Energienutzung».
Dabei soll die Schweizer Energiewirtschaft nicht mehr zwecks Gewinnmaximierung möglichst viel Strom für möglichst hohe Preise verkaufen. Sie muss vielmehr «im Gesamtinteresse» alle «Massnahmen treffen zur Förderung des sparsamen und rationellen Elektrizitätsverbrauchs sowie der Nutzung von einheimischen und erneuerbaren Energien», wie Artikel 7 vorschreibt. Die Wirtschaft folgt zudem einer «Gesamt-Planung Ausbau erneuerbare Energie». Das Gesetz gibt dazu folgende Zielvorgaben: Bis 2035 soll diese Energieproduktion auf 9500 Gigawattstunden (GWh) und bis 2050 gar auf 22’600 GWh jährlich gesteigert werden. Zum Vergleich: Das AKW Mühleberg liefert derzeit 2700 GWh und jenes in Gösgen gut 5000 GWh im Jahr.
Energieverbrauch privat fast halbieren
Generell folgt die Energiewirtschaft künftig nicht mehr partikularen privaten, sondern den «nationalen Interessen», wie das Gesetz festhält. Die Kantone müssen auch dazu beitragen, indem sie in ihren Raumplanungs-Karten «aufzeigen, welche Gebiete und Gewässerstrecken sich für die Nutzung erneuerbarer Energien eignen». Das gilt auch für die Windenergie. Und umgekehrt sollen jene Gebiete bezeichnet werden, «welche freizuhalten sind».
Klare Ziele setzt der Bundesrat gegen den Energie-Verschleiss: Gegenüber dem Stand 2009 will er den «Endenergieverbrauch» pro Person in unserem Land «bis zum Jahr 2035 um 30 Prozent» und «bis 2050 um 40 Prozent» reduzieren. Die Massnahmen, die dazu führen sollen, präzisiert die Landesregierung im Kapitel «Sparsame und rationelle Energienutzung». Für «serienmässig hergestellte Anlagen, Fahrzeuge und Geräte» wird der Bundesrat etwa entsprechende Vorschriften erlassen. Dabei will er sich «an den besten verfügbaren Technologien» orientieren.
Stromfresser ausmerzen
Ein aktuelles Beispiel für solche Technologien sind die Heizungswasser-Pumpen, die in allen Häusern im Winter dauernd laufen. Studien zeigen, dass diese klammheimlichen Stromfresser fast die halbe Stromproduktion eines Kernkraftwerks benötigen. Moderne Pumpen sind um ein Mehrfaches sparsamer. «Mit den Herstellern oder Importeuren» solcher Geräte und Anlagen wird der Bund «Verbrauchs-Zielwerte zur Reduktion des Energieverbrauchs» vereinbaren.
Wichtig ist in diesem Kapitel der «Gebäudebereich» (Art. 38). Auch da ist «sparsame und rationelle Energienutzung sowie die Nutzung erneuerbarer Energien» für den Bundesrat «von nationalem Interesse». Die Kantone müssen «Verbrauchsstandards» in Neubauten und bestehenden Gebäuden durchsetzen. Und für alle Häuser ist ein «Gebäudeenergieausweis» vorgesehen. Die «verbrauchsabhängige Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung» soll Standard werden. Für ihre Stromspar-Programme werden die Kantone vom Bund finanziell unterstützt.
Bonus für saubere Autos
Ein wichtiges Kapitel im Paket stellen die Neuerungen im Automobilsteuergesetz und im CO2-Gesetz dar. Hier gibt es folgende Reduktionsziele: «Die durchschnittliche CO2-Emmission» der Autos, die neu in Verkehr gesetzt werden, soll bis 2015 auf 130 g/km und bis 2020 auf 95 Gramm gesenkt werden.
Wer zuvor schon ein Auto mit unter 95 Gramm pro Kilometer fährt, soll aus dem Autosteuertopf einen Bonus bekommen. Importeuren drohen umgekehrt stark progressive Malus-Abgaben, bis zu über 140 Franken pro zusätzliches Gramm, wenn ihre Neuwagen die Limiten nicht einhalten.
Abstimmungskampf läuft schon
Das ganze Paket soll nächstes Jahr ins Parlament kommen und es untersteht dem fakultativen Referendum. Das Volk wird entscheiden können. In seitengrossen Zeitungsinseraten machen die Atom-Anhänger der Organisation «Kettenreaktion» jetzt schon Stimmung gegen das Gesetz: «Die Energiewende ist keine Zukunftsoption», behaupten sie. Doch bei den Unterzeichnern des Aufrufes sucht man vergebens nach bekannten, aktiven Politgrössen.