Die Kutschenpferde sind wieder etwas besser genährt. Das Aussehen der Tiere vor den bunt glitzernden Droschken sagt viel über das Geschäft mit dem Tourismus in der oberägyptischen Metropole Luxor aus. Dass wieder mehr ausländische Gäste da sind, zeigt sich auch beim Karnak-Tempel, einem der Höhepunkte auf jedem Besucherprogramm.
Auf dem Parkplatz stehen drei Dutzend Busse. Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng. Das ganze Gelände ist eingezäunt, Einlass gibt es nur durch ein enges Nadelöhr. Taschen werden insgesamt dreimal durchleuchtet, bevor die Touristen das eigentliche Gelände betreten können. Im Sommer 2015 wurde hier auf dem Vorplatz dank der Geistesgegenwart einiger Einheimischer ein Terroranschlag vereitelt. (Der Angriff religiöser Fundamentalisten, bei dem 1997 auch 36 Schweizer ermordet wurden, ist in weiten Teilen der Welt längst vergessen.)
Vorsichtiger Optimismus
In der Hauptachse der gigantischen Tempelanlage des Amun-Re, des Königs der Götter, herrscht wieder Gedränge und babylonisches Stimmengewirr. Deutsch, Spanisch, Russisch und immer öfter Chinesisch stechen heraus. Die vielen Chinesen in der Stadt und auch in den Hotels fallen auf.
Das ist ein neuer Trend. An der Uferstrasse eröffnet bereits das erste chinesische Restaurant. «Die Karte wird gemischt sein, chinesische und lokale Küche», sagt ein Angestellter, der erklärt, man müsse sich eben anpassen. Als Nächstes wird dann wohl auch die Sound- und Lightshow im Karnak Tempel auf Chinesisch angeboten.
In seiner kleinen Reiseagentur gibt Mamdouh telefonisch Auskunft über mögliche Ausflüge. Die Bootsfahrt zum Dendera-Tempel etwa ist seit vier Jahren gestrichen, weil die Nachfrage nicht da ist. Die Krise im ägyptischen Tourismus lässt sich an seinem Geschäft ablesen. In den besten Zeiten, das heisst im Jahr 2010, beschäftigte sein Büro zwölf Mitarbeiter, heute sind sie noch zu zweit.
Wer seine Arbeit verlor, habe sich in einer Fabrik oder in der Landwirtschaft ein Auskommen suchen müssen, weiss Mamdouh. Auch er spürt, dass das Geschäft jetzt zu Beginn der Hochsaison im Gegensatz zu den beiden Vorjahren wieder deutlich anzieht. Er bleibt vorsichtig optimistisch, denn in den turbulenten Jahren seit der Revolution von 2011 gab es ein ständiges Auf und Ab.
Trotz erster Anzeichen eines Aufschwunges ist das touristische Angebot immer noch viel grösser als die Nachfrage.
Vor allem die Deutschen seien nach Luxor zurückgekehrt, dann auch Schweizer, Spanier und von den Franzosen gebe es Reservationen für die Weihnachtszeit, sagt Mamdouh. Etwa 50 der rund 300 Nilschiffe sind wieder in Betrieb und fahren regelmässig die Strecke zwischen Luxor und Assuan.
Dass immer mehr Chinesen nach Luxor kommen, freut natürlich auch den Leiter der Reiseagentur, allerdings beleben sie das Geschäft von kleinen Läden und Tourismusunternehmen kaum. «Sie kommen nur in Gruppen, die sie nie verlassen. Alles ist bereits im Ausland organisiert. Für uns fällt da nichts ab», erklärt Mamdouh. Sollten die Flüge von und nach Russland wieder aufgenommen werden, die seit dem Absturz eines russischen Ferienfliegers nahe Sharm el-Sheikh im November 2015 ausgesetzt sind, würden auch wieder mehr russische Tagestouristen vom Roten Meer nach Luxor kommen.
Trotz erster Anzeichen eines Aufschwunges ist das touristische Angebot immer noch viel grösser als die Nachfrage und der Druck auf die Preise enorm. Die Kutscher bieten schon für fünf ägyptische Pfund (etwa 25 Rappen) eine kurze Fahrt in der Stadt an. Der tiefe Preis hat zur Folge, dass vermehrt auch Einheimische die Pferdekutsche als alltägliches Transportmittel nützen können. Für 25 Pfund lässt sich eine Stunde auf dem Nil in einer Feluke segeln; in guten Zeiten mussten die Gäste das Drei- oder Vierfache auslegen.
Obwohl Ägypten zu den Ländern gehört, die in internationalen Umfragen mit mangelnder Sicherheit und Terrorangst assoziiert werden, ist in Luxor von Unbehagen bei den Touristen nichts zu spüren. Bei allen Sehenswürdigkeiten ist die Polizei gut sichtbar präsent. Die Statistiken für die ganze Branche belegen den Aufwärtstrend. In den ersten neun Monaten im 2017 ist die Zahl der Touristen in Ägypten um 55 Prozent gestiegen, die Einnahmen konnten sogar mehr als verdoppelt werden. Die Fremden geben im Schnitt 88 Dollar pro Tag aus.
Bis zum Jahresende wird mit rund acht Millionen Besuchern gerechnet. Die Branche sorgt wieder für etwa neun Prozent der gesamten ägyptischen Wirtschaftsleistung. Ägypten gehört in diesem Jahr weltweit zu einem der am schnellsten wachsenden Märkte. Der Rekordwert von 14,7 Millionen Touristen aus dem Jahr 2010 ist damit aber noch bei Weitem nicht erreicht. Damals strömten 3,5 Millionen Menschen durch den Karnak-Tempel. Am Tiefpunkt der Krise 2015 waren es gerade noch 250’000.
Spektakuläre Grabungsfunde
Luxor bezeichnet sich selbst als grösstes Freiluftmuseum der Welt und es ist die Kombination aus Nilfahrt und archäologischen Sehenswürdigkeiten, die die meisten Touristen anzieht. Auch 100 Jahre nach der Entdeckung der berühmten Grabstätte von Tutanchamun und 200 Jahre nach der Ausgrabung des Grabs von Sethos I. sorgen Nachrichten von spektakulären neuen Funden weltweit für Aufmerksamkeit.
85 Prozent der pharaonischen Schätze seien immer noch unter der Erde verborgen, erklärte die Archäologin Hourig Sourouzian, die seit Jahrzehnten am Projekt der Memnonkolosse und des Amenhotep arbeitet, einer lokalen Zeitung. 2017 gab es ausgesprochen viele aufsehenerregende Entdeckungen, eine Folge von intensivierten Grabungsarbeiten ägyptischer und ausländischer Missionen, die dank der relativen Stabilität in den letzten Jahren wieder möglich waren. Sourouzian selbst konnte diesen Sommer den Fund einer über zwei Meter grossen Statue von Amenhotep III. aus schwarzem Granit vermelden.
Mitte September strömten Hunderte ausländische und lokale Journalisten, Fernsehcrews und Botschafter sowie der chinesische Kulturattaché zur Nekropolis von Draa Abul Naga in Luxor, um das neu entdeckte Grab des Goldschmieds des Gottes Amun-Re zu bestaunen, das Mumien, Masken und hölzerne Uschebti-Figuren enthält.
Solche öffentlichkeitswirksamen Präsentationen haben mehr Strahlkraft als jede Werbekampagne und helfen, den Ruf Luxors als grösstes Freilichtmuseum der Welt zu zementieren und den lukrativen Kulturtourismus wieder anzukurbeln.
Scanning Sethos – Die Wiedergeburt eines Pharaonengrabes , 29. Oktober bis 6. Mai 2018, Antikenmuseum Basel.