Gerd Imbsweiler ist tot. Der Schauspieler, Autor und Mitbegründer sowie langjährige künstlerische Leiter des Vorstadttheaters Basel hat in der Basler und Schweizer Theaterlandschaft wichtige Spuren hinterlassen.
habe schon so viel gemacht und versucht
manches mit erfolg
habe eine bankausbildung
und bin zum glück kein banker geworden
habe eine schauspielerausbildung
und habe bewusst auf eine karriere verzichtet
indem ich als publikum ein junges wählte
habe am stadttheater gespielt
und dann diesen ort gegen ein kleintheater eingetauscht
habe rollen in hörspielen gesprochen
und bin beim radio fallengelassen worden wie eine heisse kartoffel
habe ein theater mitgegründet
worauf ich heute noch stolz bin
Gerd Imbsweiler ist tot. Der im Kriegsjahr 1941 in Offenbach am Main (D) geborene Schauspieler, Autor und Theaterleiter starb am Samstag, 12. Januar 2013, einen Monat vor seinem 72. Geburtstag, in seiner Heimatstadt Basel an den Folgen der «absurden und bösartigen Krankheit ALS», wie in der Todesanzeige zu lesen ist.
Vor gut einem Jahr war die tückische Nervenkrankheit, die Körperteil für Körperteil lähmt, diagnostiziert worden. Vor gut einem Jahr, als Imbsweiler beim Stück «Struwwelväter» im Vorstadttheater Basel ein letztes Mal auf der Bühne stand – in dem Theater, das er 1974, damals noch unter dem Namen Spilkischte zusammen mit seiner Bühnenpartnerin und langjährigen Ehefrau Ruth Oswalt begründet und lange Jahre erfolgreich geleitet hatte.
Ein Jahr lang mussten oder konnten wir miterleben, wie die Krankheit dem Vollblut-Theatermann nach und nach all seine physischen Lebensgeister nahm. Dies, weil Imbsweiler sich mit bewundernswerter Unterstützung durch seine Frau Ruth Oswalt bis fast zum Schluss nicht nehmen liess, am öffentlichen Leben, sei es im Theater oder im Kino, teilzunehmen. Und weil der Autor Imbsweiler ein lyrisches Tagebuch seiner letzten Tage führte, aus dem auch die Zitate hier in diesem Nachruf stammen. «Will singen bis ans Ende vom Lied» lautet die Textsammlung, die – so ist zu hoffen – auch in Buchform erscheinen wird. Es sind beeindruckende und gerade in ihrer unsentimentalen Direktheit berührende (und absolut lesenswerte) Texte, die auf der Website von Imbsweilers Verlag Imbos heruntergeladen werden können.
ein rollator kommt mir nicht ins haus
später
bevor ich im rollstuhl sitze
bringe ich mich um
jetzt
vom rollstuhl aus
sage ich mit vollem mund
wenn ich mal gefüttert werden muss
will ich nicht mehr leben
heute
wird mir gabel für löffel
der mund gestopft
und ich glaube zu wissen
dass mein leben nicht mehr lebenswert wäre
sobald ich windeln tragen müsse
sobald ich nicht mehr verbal kommunizieren
könne sobald mir sogar das geschriebene wort
nur noch schmerzen bereitete
und wenn mir am ende die luft nicht wegbleibt
egal wieviele vorsätze ich bis dahin
nicht eingehalten oder gebrochen habe
dann blieb es mir beschieden
fleissig weiter zu leben hienieden
Wichtige Theater- und Kulturpreise
Gerd Imbsweiler hat in der Schweizer Theatergeschichte Pionierarbeit geleistet – ein Einsatz, der mit mehreren Preisen gewürdigt wurde. Zum Beispiel mit dem Hans Reinhardt-Ring, der wichtigsten Theaterauszeichnung der Schweiz, die er zusammen mit Ruth Oswalt 1999 erhielt. Oder mit dem Basler Kulturpreis, das dem Team des damaligen Theaters Spilkischte 1987 verliehen wurde. Auch ausserhalb der Schweiz wusste man um die Verdienste der Theaterleute, was sich unter anderem in der Verleihung des Preises der Internationalen Vereinigung für das Kinder- und Jugendtheater (ebenfalls 1999) niederschlug.
Imbsweilers Theaterkarriere ist fest mit der Schweiz und vor allem Basel verbunden. Mitte der 1960er-Jahre liess er sich am Bühnenstudio Zürich zum Schauspieler ausbilden. Nach ersten Auftritten am dortigen Schauspielhaus, kam er im Anhang von Werner Düggelin an die Basler Theater, wo er bis 1974 auf der Bühne die legendäre Dügg-Ära mitprägte. Unter anderem spielte er in den unvergessenen Inszenierung von Machiavellis «Mandragola» (Regie: Jiří Menzel ) und Feydeaus «Ein Klotz am Bein» (Regie: Dieter Dorn) mit.
Pionier des Kindertheaters und der freien Szene
Seine wichtige Stellung in der Schweizer Theatergeschichte schuf sich Imbsweiler aber erst nach seiner Zeit am Stadttheater, als er – indem er «als Publikum ein junges» wählte – «bewusst auf eine Karriere» verzichtete, wie er schreibt, und das Stadttheater «gegen ein Kleintheater» eintauschte. 1974 gründete er zusammen mit Ruth Oswalt und weiteren Theaterleuten in Basel das Theater Spilkischte, die erste professionelle Kindertheatertruppe der deutschsprachigen Schweiz und das mit einem ziemlichen Abstand älteste freie Theater des Landes. 1999 nannte sich das Haus an der St. Alban-Vorstadt in Vorstadttheater Basel um, und 2007 zog sich das Gründerpaar vom Alltagsgeschäft, nicht aber von der Bühne selbst zurück.
Mit der grossen Ausdauer ist aber nur ein kleiner Teil der tatsächlichen Leistung vom Imbsweiler beschrieben. Als Autor und Schauspieler entwickelte der Theatermacher eine Dramatik abseits der bunt-lustigen Kindertheater-Märchenwelt. Es war seine Intention, «Theater für alle» zu machen und Kinder sowie Erwachsene auch mit so anspruchsvollen Themen wie Einsamkeit, Aggressivität, Liebe und Tod zu konfrontieren. Mit den Uraufführungen seiner Stücke, etwa «Sartolo der Puppenspieler», «Der Esel und sein Schatten» oder «Fink und Freitag» feierten Imbsweiler und sein Ensemble auch an zahreichen Tourneen im In- und Ausland grosse Erfolge – bisweilen grössere als in seiner Heimatstadt.
Markante Erscheinung
Auch wenn es mich immer mehr nach unten zieht
Will ich singen bis ans Ende vom Lied
Nun hat Gerd Imbsweiler sein Lied zu Ende gesungen. Die einprägsame Gestalt auf der Bühne mit seinen markanten Augenbrauen und seinem buschigen Schnurrbart wird nur noch Erinnerung sein. Auch die Begegnungen mit dem sympathischen Menschen, dessen wacher Geist aus seinen Augen blinkte.
Weiter bestehen aber werden seine Stücke, die er geschrieben hat, seine Kurzgeschichten und vor allem das Theater, das er mit auf die Beine gestellt hat. Denn es ist dem Gründungsteam hoch anzurechnen, dass es sein Haus so gut bestellt und es in gute Hände übergeben hat. So, dass das Vorstadttheater als unverzichtbare Institution in Basel weiterbestehen kann.