Rosmarie Hubschmid, Leiterin des Frauenhauses Basel, über den Umgang mit häuslicher Gewalt in der Region, Paarberatungen und das Modell eines sichtbaren Frauenhauses.
Frau Hubschmid, das Frauenhaus Basel und weitere Institutionen tragen das Thema häusliche Gewalt aktuell im Rahmen der Ausstellung «Willkommen zu Hause» an die Öffentlichkeit. Scham- und Schuldgefühle halten viele Betroffene davon ab, sich jemanden anzuvertrauen. Wie kann die Gesellschaft dazu beitragen, dass sich dies ändert?
Rosmarie Hubschmid: Wir dürfen keine Schuldzuweisungen mehr machen und mit dem Finger auf Betroffene zeigen. Als Gesellschaft müssen wir Signale senden, zum Beispiel durch eine klare Rechtsprechung, die Opfer schützt und Unterstützung leistet. Es muss gezeigt werden, dass man sich Hilfe holen darf und häusliche Gewalt nichts mit individuellem Versagen zu tun hat. Zudem gibt es nach wie vor geschlechtliche Rollenbilder, die Gewalt begünstigen. Auch damit sollten wir einen anderen Umgang finden.
Zur Unterstützung von gewaltbetroffenen Personen hat sich ein breites Hilfsangebot etabliert. Wie steht es in Basel um die Zusammenarbeit der involvierten Stellen?
Gewaltbetroffene Frauen können sich an die Polizei, die Opferhilfe beider Basel oder direkt an das Frauenhaus Basel wenden. Auch für Männer gibt es spezifische Angebote der Opferhilfe, des Männerbüros und des Instituts Gewaltberatung Prävention. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Vernetzung dieser Institutionen immer besser funktioniert. Basel ist eine kleine Region, und ich hoffe, dass möglichst wenige Betroffene auf Opfer- wie auch auf Täterseite durch die Maschen fallen. Handlungsbedarf sehe ich im Bereich der Paarberatungen. Es gibt Paare, die der Gewalt ein Ende setzen, aber zusammenbleiben wollen. Für sie sollten wir ein entsprechendes Angebot schaffen.
«Es gibt Paare, die der Gewalt ein Ende setzen, aber zusammenbleiben wollen. Für sie sollten wir ein entsprechendes Angebot schaffen.»
Der systemische Ansatz, der im holländischen Modell eines sichtbaren Frauenhauses eine wichtige Rolle spielt, verfolgt das Ziel, möglichst früh die gewaltausübende Person und das soziale Umfeld des Paares miteinzubeziehen. Was halten Sie davon?
Beim Frauenhaus Basel legen wir Wert auf individuelle Lösungen. Unsere Leitplanke ist immer der Wunsch der Betroffenen. Es gibt Fälle, in denen wir mit Verwandten, Freunden oder Arbeitgebern Gespräche führen. Doch viele Frauen, die zu uns kommen, befinden sich in einer Krise. Sie müssen erst mal wieder durchschlafen können, einen Rhythmus finden und neues Selbstvertrauen gewinnen. Sich in dieser Phase mit dem gewaltausübenden Partner auseinanderzusetzen, ist ziemlich anstrengend. Die systemische Arbeit ist erst sinnvoll, wenn eine gewisse Stabilität erreicht ist. Als Betriebsleiterin des Frauenhauses ist es mir deshalb ein Anliegen, nicht nur eine Methode anzuwenden, sondern eine Vielfalt davon.
Das Frauenhaus Aargau-Solothurn strebt die Schaffung eines in der Öffentlichkeit verankerten Frauenhauses an. Ist es für Sie denkbar, dass sich in der Schweiz verschiedene Frauenhäuser zusammenschliessen, um ein solches Kompetenzzentrum zu schaffen?
Ich bin überzeugt, dass gute, vernetzte Zusammenarbeit nicht an einem bestimmten Ort, in einem Haus, stattfinden muss, sondern dass sie auch dezentral gewährleistet werden kann. Fachpersonen zusammenzubringen ist nur ein wichtiger Schritt im Umgang mit häuslicher Gewalt. Zentral ist eben auch, dass Schulen, Spitäler oder Nachbarn adäquat reagieren können. Möglichst viele Menschen sollen sich kompetent fühlen und wahrnehmen, wenn jemand betroffen ist. Da ist die Zivilgesellschaft gefordert. Enttabuisierung läuft nicht über ein Gebäude – weder für Opfer noch für Täter.
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25. November bis 5. Dezember: Ausstellung «Willkommen zu Hause» im Rahmen der internationalen Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen». Haupt-Ort für Gestaltung, Holbeinstrasse 58, 4051 Basel.