«Das ganze Haus voller Geisteskranker»

Deftig geht’s zu und her in Christiane Pohles Inszenierung von Claus Laufs‘ und Wilhelm Jacobys Posse «Pension Schöller» im Basler Schauspielhaus. Sehr deftig oder besser: etwas allzu deftig.

Das Leben, ein Irrenhaus. Raphael Clamer in der «Pension Schöller». (Bild: Judith Schlosser)

Wer ganz unten beginnt, kommt kaum wieder hoch: Die Welt ist ein Irrenhaus, bei Gott! In Christiane Pohles Inszenierung der Posse «Pension Schöller» von Carl Laufs und Wilhelm Jacobi wird sie zum eintönigen epileptischen Chaostheater ohne Zwischentöne. Und das Schauspiel- wird zum Schauspinnhaus.

Es sind Kleinigkeiten, die einen nachhaltig und folgenschwer aus der täglichen Routine reissen. Ein Stuhl, der nicht mehr da ist, und schon gerät fast alles aus den Fugen. Schöller, der schlurfende kleine Direktor der gleichnamigen Pension wird zum Opfer dieser Umstände. Ohne sein gefrorenes Lächeln zu verlieren, klemmt er sich in einer Tür alle fünf Finger der rechten Hand ein – ein Missgeschick, das er aber im stummen Schmerzenstaumel wegzustecken weiss. In einer wortlosen Anfangszene legt Vincent Leitterdorf als Schöller, sekundiert durch Carina Braunschmidt als seine Schwägerin in der Bar der Pension Schöller (Bühne: Natascha von Steiger), begleitet von der einlullenden Barmusik von Bendix Dethleffsen eine wunderbar-stimmige Slapsticknummer hin. Berührend komisch ist das. Und es lässt Hoffnungen aufkeimen nach einem Vorspiel im Zuschauerraum, das doch eher deftig überdreht daherkam. Hoffnungen, dass es allzu schlimm nicht kommen mag.

Auf dem Spielplan steht «Pension Schöller». Als «Evergreen der deutschsprachigen Komödie» benennt das Theater Basel die Posse von Carl Laufs und Wilhelm Jacobi. Das mag stimmen. Zu erleben ist das 1890 uraufgeführte Bühnenwerk zum Beispiel am Humorfestival in Nesslau, beim Dramatischen Verein Uetikon und im Berliner Lustspielhaus Theater am Kurfürstendamm. Und da gab es natürlich die legendäre Verknüpfung von «Pension Schöller» mit Heiner Müllers «Die Schlacht» durch Frank Castorff an der Berliner Volksbühne zur grausig-komischen Farce. Aber das ist nun schon 18 Jahre her. Jetzt also kommt «Pension Schöller» am Theater Basel zur Aufführung. Nun ja.

Die Welt als Irrenhaus

Aber warum auch nicht, könnte man denken. Die Welt ist ja gewissermassen ein Irrenhaus. Das darf man auf der Bühne ruhig mal auch als Posse zeigen. Und genau darum geht’s in «Pension Schöller». Um an dessen Geld zu kommen, muss der dummdreiste Alfred Klapproth den Wunsch seines reichen Onkels erfüllen, der doch so gerne mal einen Abend in einer Irrenanstalt verbringen möchte. Und da gerade keine solche Anstalt greifbar ist, lädt man den Onkel in die Familienpension Schöller, wo ein Sammelsurium an gescheiterten Existenzen ein treffliches Scheinbild eines Irrenhauses abgeben kann.

So steht es im Text. Man könnte nun einwenden, dass es doch gerade die nicht gescheiterten Existenzen sind, die für das wirklich Irrsinnige in dieser Welt sorgen. Könnte man. Oder auch nicht. Aber die Frage, was und wer denn nun letztlich als normal gelten kann oder nicht, müsste zumindest gestellt werden. Diese Frage stellt Christiane Pohle in ihrer Inszenierung aber nicht im Ansatz. Schon im Vorspiel im Zuschauerraum, als der Neffe Klapproth (Lorenz Nufer) seinen Onkel (Jörg Schröder) auf Anregung von dessen Freund (Benno Schulz) in die Pension lädt, gibt es keine Grenzen mehr zwischen normal und nicht normal. Der Neffe ist ein Grauen erregendes Abbild von Frankensteins Monster, sein Freund ein knallchargig-schleimiger Wiener Hallodri und der Onkel die Karikatur eines despotischen Patrons.

Hampeln und Zappeln

Das ist dann in der Pension Schöller nicht anders. Der Möchtegern-Schauspieler Rümpel nuschelt so sehr vor sich hin, dass sein Sprachfehler – bei ihm wird aus jedem «L» ein «N» – zumeist untergeht. Grosswildjäger Bernhardy (Benno Schulz) verrenkt sich als spastischer Flamencotänzer, die Schriftstellerin Josephine Krüger (Inga Eickemeier) ist eine immerdar hysterisch zappelnde Schlange und nur gerade der Major A.D. Gröber (Dirk Glodde) und die Dienstmagd Friederike (Veruschka Streicher) lassen so etwas wie ein tragischer Rest an Menschsein aufkeimen, was aber bei ihren seltenen Auftreten fast vollends untergeht. Das ist auch im Hause Klapproth im zweiten Teil des Abends nicht anders, wenn sich die Schwester (Barbara Lotzmann) und die Nichte (Carolin Schär) des selber irr gewordenen Irrenhaus-Besuchers Klapproth in dieses Gruselkabinett einreihen.

Regisseurin Pohle lässt ihre Figuren Hampeln und Zappeln, was das Zeug hält. Dies praktisch ohne Brüche und Pausen, von Beginn bis zum Schluss des zweistündigen Abends. Zu Beginn kann diese Überdrehtheit noch überraschen und zum Teil gar komisch sein. Schon ziemlich bald aber wirkt das abwechslungslose Spiel auf dem ewig gleich überdrehten Niveau ermüdend. In der hochtrabenden Eintönigkeit haben Pointen keine Chance. Bleiben die schrägen Frisuren. Die sind ganz lustig. Aber abendfüllend ist das nicht.

 

Pension Schöller

Von Wilhelm Jakoby und Carl Laufs

Regie: Christiane Pohle, Bühne: Natascha von Steiger, Kostüme: Sarah Schittek, Musik: Bendix Dethleffsen

Mit: Jörg Schröder, Barbara Lotzmann, Carolin Schär, Lorenz Nufer, Benno Schulz, Raphael Clamer, Inga Eickemeier, Vincent Leittersdorf, Carina Braunschmidt, Vera Streicher, Martin Hug, Dirk Glodde, Bendix Detleffsen

Vorstellungen: 13., 14., 22., 24., 28.05.2012 (weitere Daten im Juni)

Theater Basel, Schauspielhaus

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