Das Geschäft des Glaubens

Die Ausstellung «Geben & Nehmen – Ökonomie des Göttlichen» stellt mit ausgewählten Exponaten die ökonomischen Verhältnisse im Buddhismus und Hinduismus dar. Sie verpasst mit dieser Verengung jedoch den Blick auf das kulturübergreifende Modell der Religion als Wirtschaftssystem.

Statue der hinduistischen Göttin Kali. (Bild: zVg)

Die Ausstellung «Geben & Nehmen – Ökonomie des Göttlichen» stellt mit ausgewählten Exponaten die ökonomischen Verhältnisse im Buddhismus und Hinduismus dar. Sie verpasst mit dieser Verengung jedoch den Blick auf das kulturübergreifende Modell der Religion als Wirtschaftssystem.

Wer solch einen Flügelaltar nutzt, hat was zu erzählen: Über zwei ausklappbare Flügel und ein Zentralelement zeigt der Kasten, farbig bemalt, bekannte Legenden aus dem indischen Nationalepos Ramayana und die zehn bedeutendsten Inkarnationen Vishnus, einer der wichtigsten Gottheiten des Hinduismus: Vishnu als Mannlöwe, der Dämonen bekämpft. Vishnu als Rama, Held der Ramayana und Prinz in der Verbannung. Und Vishnu als Siddharta Gautama Buddha, Begründer des Buddhismus.

Damit lässt sich Geld verdienen: Berufserzähler in Nordindien schnallen sich einen Flügelaltar vor den Bauch, schildern ihrem Publikum die Legenden zu den dargestellten Figuren, tragen zur religiösen Bildung bei und sichern sich so ein Einkommen. Auch in der Gegenwart: der Kasten, der im Museum für Kulturen Basel ausgestellt ist, stammt aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Handelsbeziehung zwischen Gläubigen und Gottheit

«Geben & Nehmen» heisst die Ausstellung dazu, aber präziser als der brüderliche Ton dieser Überschrift ist ihr Untertitel: «Ökonomie des Göttlichen». Gemeint ist damit nicht nur der Legendenerzähler mit dem Schaukasten, der stellvertretend für all jene steht, die sich mit den Ressourcen der Religion ihren Lebensunterhalt verdienen: Prediger und Priester, Devotionalienhändler und Autoren, Handwerker von Kultgegenständen und Führer an Wallfahrtsorten. Darüber hinaus meint «Geben & Nehmen» auch die Handelsbeziehung zwischen Gläubigen und Gottheit selbst: Der Gläubige gibt ein Opfer, die Gottheit als Gegenwert die Gnade der reichen Ernte, des krankheitsfreien Lebens, des geschäftlichen Glücks.

Kult der Verehrung

Diesen ökonomisch konzipierten Kult der Verehrung zeigt die Ausstellung mit Blick auf Fernost, auf den Hinduismus und den Buddhismus. Beispielhaft ist die Reihe der Nat, ein ganzes Heer aus Geistwesen in Myanmar, dargestellt mit vergoldeten Figuren, zu deren Füssen die Opfergaben liegen: Früchte, Räucherstäbchen, Schnapsflaschen. Die Nat, charakterlich eher launisch bis feindlich gestimmt, können mit Opfergaben zwar besänftigt werden, suchen sich aber ihre Medien selbst aus: An grossen Ritualfesten fahren sie in einen Gläubigen ein, «besetzen» ihn und teilen durch ihn der Dorf- oder Familiengemeinschaft Ratschläge mit oder sagen die Zukunft voraus. Auch der «Besessene» tritt durch diesen rituellen Vorgang in ein ökonomisches Verhältnis des Kults ein, seine soziale Stellung und sein Wohlstand steigen, sozusagen als Kompensation für die möglichen psychischen Folgeschäden.

Wie einschneidend die Verehrung gar die wirtschaftliche Lage einer Region prägen kann, zeigt der Fall Ayyanar, eine Dorfgottheit in Südindien. Im Unterschied zu den hinduistischen Gottheiten werden ihm zu Ehren keine Schreine oder Tempel errichtet, sondern Tonstatuen von ihm und seinen Pferden und Elefanten, die das Dorf an dessen Eingang bewachen. In den filigran gebrannten Figuren, zentral in der Ausstellung installiert, überlagern sich der sakrale und manufakturelle Verdienst: Priesteraufgaben wie Handwerk werden von denselben Personen ausgeführt und sorgen für ein ausreichendes Einkommen in den Kleingemeinden.

Überschaubare Sonderausstellung

Als Objekte der Verehrung ausgestellt sind ausserdem eine eindrucksvolle Skulptur der hinduistischen Göttin Kali, hergestellt von spezialisierten Handwerkern und vollendet von Priestern, und einer vergoldeten Statue des gekrönten Buddhas in einem hölzernen Altar mit Opferschalen. Das war’s dann auch, und die Überschaubarkeit von «Geben & Nehmen» – wie ihr Fokus auf Buddhismus und Hinduismus – ist im Kontext der Ausstellung zu christlichen Pilgerfahrten, einen Stock höher und im Herbst 2012 eröffnet, zu verstehen.

Auch die Pilgerschau stellt den kommerziellen Faktor prominent heraus, indem sie Souvenirs, Votive und Devotionalien der Pilgerziele von Lourdes bis Jerusalem versammelt. «Geben & Nehmen» ist daher die Fussnote dazu, in der zudem die indischen Artefakte aus dem Museumsbestand Gelegenheit zur Exposition erhalten.

Ohne Handel kein Glaube

Die räumliche Trennung der beiden Ausstellungen raubt dem Thema allerdings die kulturübergreifende Breite. Dass Religionen nicht nur transzendente und soziale, sondern auch ökonomische Modelle darstellen, wird erst im direkten Vergleich wirklich deutlich. Wie die indischen Schreine funktionieren auch der Wallfahrtsort Lourdes oder der untergegangene jüdische Tempel als wirtschaftliches Zentrum einer ganzen Region, und in christlichen Einrichtungen wie der Beichte oder – profaner und mittlerweile verschwunden – dem Ablasshandel ist die Dienst leistende Beziehung zwischen Gott und Gläubigem auf verwandte Weise sichtbar wie in den Opfergaben an die Nat. Dem profan-ökonomischen Dunst zum Trotz ist in den Parallelausstellungen sichtbar, wie eng Religion und Alltagslebenswelt verschränkt sein können: ohne Handel ist nichts zu haben, nicht einmal der Glaube.

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