Der Startschuss zur Erschliessung der Liestaler Hanro-Sammlung fällt: Das Projekt erhält aus dem Lotteriefonds Basel-Land 650’000 Franken zugesprochen und ist damit finanziell gesichert.
Fast 21 Jahre ist es her, dass das österreichische Textilunternehmen Huber das Baselbieter Traditionsunternehmen Hanro übernommen hat. Hanro stellte seit 1884 in Liestal hauptsächlich Unterhöschen und -leibchen her. Seither hat sich die Textilfirma Schritt für Schritt aus Liestal zurückgezogen und Platz gemacht für eine Umnutzung des rund 21’000 Quadratmeter grossen Areals. Die Stiftung Edith Maryon und die CoOpera Sammelstiftung PUK haben das Areal erworben und wollen «eine behutsame, dem Ort und seiner Geschichte gerecht werdende Entwicklung» dauerhaft sicherstellen. Unter anderem will der Verein Textilpiazza in den ehemaligen Produktionsräumen eine Plattform für Textilschaffende einrichten. Bald sollen hier wieder Nähmaschinen rattern.
Der Verein Textilpiazza hat aber noch ein anderes Projekt. Nach dem Verkauf der Hanro hatte die Neubesitzerin Huber Holding AG im Wissen um die Bedeutung des Originalstandortes der Firma den Firmensitz der Hanro Switzerland wie auch einen Fabrikladen in Liestal erhalten. Ebenfalls vor Ort verblieb die Sammlung, die tausende Objekte umfasst: Rund 22’000 textile Musterexemplare aus 100 Jahren, dazu eine Vielzahl von Akten, Werbeplakaten und Fotos – kurzum: kulturell äusserst kostbares Gut. Der Verein Textilpiazza fasste den Entschluss, diese Sammlung zu erschliessen, um sie später vermitteln zu können.
Sofort auf Gehör stiess man mit dieser Absicht beim Museum.BL. Seit Jahren rede man im Museum von dieser Sammlung, sagt Direktor Marc Limat. Man habe dem Verein deshalb umgehend fachliche Unterstützung zugesagt. Vorerst aber ging es darum, Geld aufzutreiben für die Jahre dauernde Arbeit. Man schrieb verschiedene Kantone und Stiftungen an, und als erstes sprach nun im Dezember der Baselbieter Regierungsrat aus dem Lotteriefonds die stolze Summe von 650’000 Franken. Mit diesem grössten Brocken kann das Projekt nun endlich starten, freuen sich Limat und der Geschäftsführer des Vereins Textilpiazza, Christoph Schön. Alle weiteren Anfragen sind noch pendent.
Drei Jahre Arbeit
Über drei Jahre hin soll die Sammlung nun erschlossen werden, erklärt Schön: «Ende 2014 wollen wir fertig sein.» Die Huber Holding AG hat dem Verein die Hanro-Sammlung als Dauerleihgabe übergeben. Die Archivierungsarbeiten werden auf dem Areal stattfinden. 200 Stellenprozente stehen für diese Arbeit nun zur Verfügung: 50 Prozent für wissenschaftliche Mitarbeiter, 150 Prozent für Hilfswissenschaftler. Sie werden gemeinsam das Archivgut erschliessen und unter der fachlichen Aufsicht des Museum.BL für die langfristige Lagerung vorbereiten.
Bereits während dieses Prozesses wird das Publikum den Fachkräften bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen können. Auch später wird die Sammlung öffentlich zugänglich sein, und auch die Möglichkeit, die Sammlung mit kleinen Sonderausstellungen – eventuell auch im Museum.BL – vorzustellen, wird geprüft. Wenn es nach Schön und Limat geht, möchte man gerne auch ehemalige Arbeiter und Arbeiterinnen der Hanro zu ihren Erinnerungen befragen. «Diese Chance muss man nutzen, solange es diese Menschen noch gibt», meint Limat. Denn oftmals machen persönliche Geschichten Objekte erst wirklich interessant, und vielleicht hat gar der eine oder die andere noch etwas zur Sammlung beizutragen.
Online-Datenbank
Die Hanro-Sammlung wird über die Jahre sowieso noch weiterwachsen: Die künftigen Musterkollektionen werden weiterhin Eingang in die Sammlung erhalten. Im Zuge des langfristig angelegten Projektes werden die Objekte der Hanro-Sammlung zudem in einer elektronischen Datenbank erfasst, die auf dem System der Museen des Kantons Baselland fusst. Die Idee dieses Pilotprojekts namens KIM.bl (Kooperationsinitiative Museen Basel-Landschaft) ist es, alle Sammlungsdaten einfach und zentral zu erfassen und somit Ressourcen, Erfahrungen und Know-How zu teilen. Die industriegeschichtlich relevante Sammlung der Hanro AG wäre hierin sicher nicht der uninteressanteste Brocken.