Das kreative Kleinbasel erblüht nur langsam

An Ideen und dem Willen, Neues umzusetzen, fehlt es an der Klybeck- und Feldbergstrasse nicht. Doch es ist nicht einfach, ein Lokal zu finden – die Läden sind zu teuer oder schon besetzt.

Der Werkzeugladen an der Feldbergstrasse wird derzeit liquidiert – es folgt etwas Neues. (Bild: Michael Würtenberg)

An Ideen und dem Willen, Neues umzusetzen, fehlt es an der Klybeck- und Feldbergstrasse nicht. Doch es ist nicht einfach, ein Lokal zu finden – die Läden sind zu teuer oder schon besetzt.

Mit den Spitzen und dem Glanz ähneln die rosa und gelben Hochzeitsröcke im Schaufenster Märchenkleidern. Passend die Kronen, Schuhe, Schmuckstücke. Alles auch in Miniatur zu haben – fürs Kind. Zu jeder Tageszeit stehen im Laden Leute vor dem Spiegel und lassen sich bezupfen.

Das Geschäft an der Klybeckstras­se bei der Kaserne läuft sehr gut, sagt Betreiber Ahmet Bozkiraç: «Unsere Kunden kommen von weit her, nirgends gibt es eine solche Dichte an Hochzeitsgeschäften wie hier.» Gegenüber bietet die Konkurrenz Ähnliches an, der dritte Laden ist nicht fern. Die Miete sei mit rund 6000 Franken hoch, sagt Bozkiraç, das sei es ihm aber wert. «An dieser Lage.»

Die «Mitte» geht ins Kleinbasel

Andere Kleinbasler Ladenbetreiber können von solchen Lokalen nur träumen. Zwar wünscht sich jeder ein Geschäft wie dieses an prominenter Lage mit viel Laufkundschaft, doch leisten können sich das die wenigsten. Marianne Mumenthaler vom Kleiderladen Marinsel etwa sucht schon länger ein grösseres Lokal. Der Laden an der Feldbergstrasse ist zu klein geworden, kostet aber nur 1000 Franken. Sie will in der Gegend bleiben. «Denn hier habe ich meine Kundschaft», sagt sie.

Etliche Geschäfte würden ihr gefallen, manche könnte sie auch zahlen, aber immer gibt es da einen Haken. Neulich bewarb sie sich um ein frei gewordenes Kleiderladen-Lokal an der Klybeckstrasse, Ecke Oetlingerstrasse. Sie war nicht allein: Kaum sei das Inserat ausgeschrieben gewesen, hätten sich etliche Interessenten gemeldet, heisst es bei der Verwaltung. Entschieden hat sich diese für das Café des Unternehmen Mitte, das im Frühling ein «Wohnzimmer für das Kleinbasel» eröffnen wird.

Rotlicht unerwünscht

Das Ladenlokal war nicht nur seiner Lage wegen so begehrt, es ist auch zahlbar, da die Renovationsarbeiten Sache des Mieters sind. Anders sieht es beim ehemaligen Optiker-Geschäft gegenüber aus: Schon länger steht der Laden leer, ein Nachmieter ist nicht in Sicht. Zu teuer ist die Miete, doch der Hausbesitzer gibt nicht nach. «Das Geschäft ist renoviert, das hat seinen Preis», sagt er. Viele Hauseigentümer lassen ein Lokal lieber monatelang leer stehen, als den Zins zu senken. In der Gegend hängen einige «Zu vermieten»-Schilder an den Fassaden. Auf Nachfrage wird klar: Es scheitert meist am Zins. Oft könnten sich diese hohen Mieten nur Rotlicht-Anbieter leisten, solche wollen viele Hausbesitzer dann aber doch nicht.

«Viele Eigentümer verlangen Preise wie im Stadtzentrum, was absurd ist», sagt Angie Ruefer, Präsidentin des kreativen Kleinbasler Vereins «Reh4». Sie erhält Unterstützung von Peter Winiker von der IG Kleinbasel: «Diese Gegend gehört nicht zum Zentrum.» Manche Besitzer finanzierten ihre Liegenschaften aber über die Geschäfte und nicht über die Wohnungen, wie es heute üblich wäre. Das führe zu diesen überrissenen Zinsen.

Windows 98 und Swissair-Flüge

Dennoch ist die viel beschworene Vielfalt im multikulturellen Kleinbasel nicht nur eine Legende, sondern teilweise schon Wirklichkeit. Bloss wird die Weiterentwicklung in Richtung Kreativität verzögert. Künstler, Designer und Kleingewerbler stehen in den Startlöchern, häufig fehlt aber das Geld, das geeignete Lokal – oder beides. Hinzu kommen die vielen «toten Läden» an der Feldbergstrasse, deren Mieter seit Jahrzehnten brav den Zins zahlen, mit ihren oft tagelang geschlossenen Läden und dem veralteten Sortiment aber nichts zur Vielfalt des Quartiers beitragen.

Ein Computerladen etwa bietet vergilbte Windows-98-Schachteln an, ein Reisebüro wirbt für die Swissair. Menschen wie Marianne Mumenthaler würden solche Lokale sofort beziehen und beleben, wären da nicht die oft auswärtigen Vermieter, für die kein Grund besteht, zuverlässige Dauer­mieter zu kündigen. Allen Hausbesitzern vorzuwerfen, Vielfalt zu behindern, wäre allerdings auch falsch. Urs Mall ist das Gegenbeispiel.

Das ehemalige Apothekenlokal an der Rheingasse 1 steht zwar leer, allerdings nicht wegen eines zu hohen Mietzinses. Der Hausbesitzer wartet auf den richtigen Mieter. Einer, der ins Quartier passt – und nicht sofort alles umbauen will. Einen solchen perfekten Mieter haben die Besitzer einer Liegenschaft an der Feldbergstrasse offensichtlich gefunden: Der altehrwürdige Werkzeugladen Parth & Bauer wird liquidiert – es folge «irgendetwas mit Design», wie im Laden zu erfahren war.

Eine schräge Welt

Mit dem Werkzeugladen fällt ein Geschäft weg, das an eine andere Zeit erinnert – aber längst nicht das einzige dieser Art im Quartier ist. Von den 45 Coiffeurläden im Bereich 4057 etwa gibt es einige im Anno-dazumal-Stil. Die Preise bei Friseur­meister Klaus Meine sind seit Jahren dieselben. 20 Franken für den arbeitenden Herrn, 15 Franken für den AHV-Rentner. An der Wand hängt eine Werbung der längst nicht mehr existierenden Volksbank. «Es geht nicht um die Bank, der Bilderrahmen leuchtet so schön», sagt der Friseur.

Es ist eine schräge Welt in diesem Salon. Und das Quartier wäre ohne solche Läden nicht, was es ist. Marianne Mumenthaler von «Marinsel» wünscht sich, dass solche Geschäfte neben Beizchen und Modeläden weiterexistieren können – gleichzeitig aber die «toten Läden» irgendwann Platz machen für Leute wie sie. 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 09.11.12

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