Das schräge Duo von der Uferstrasse

Was auf den ersten Blick nach einem Kasperlitheater aussieht, soll ein Zwischennutzungsprojekt mit offenem Ausgang sein. Mit «Spiracles, LES» wollen zwei junge Basler auf dem ehemaligen Migrol-Areal für neue Impulse sorgen.

Ein bunter Wohnwagen und Baustellen-Sitzbänke stehen bereit. Tobias Holzer und Flavio Karrer möchten mit «Spiracles, LES» bald für neue Impulse auf dem ehemaligen Migrol-Areal sorgen. (Bild: Michel Schultheiss)

Auf dem ehemaligen Migrol-Areal steht ein weiteres Projekt in der Startrampe. Mit «Spiracles, LES» wollen Flavio Karrer und Tobias Holzer eine Plattform für verschiedene kulturelle Aktivitäten bieten. Was die beiden genau im Schilde führen, bleibt auf den ersten Blick schleierhaft – doch das soll in den Augen der Macher auch so sein.

Ein bunter Wohnwagen, eine marokkanische Teekanne und zwei Typen, die seltsame Faxen machen und dabei scheinbar nicht wissen, was sie eigentlich ankündigen wollen: Ein merkwürdiges Video ist zurzeit auf der Crowdfunding-Plattform «Wemakeit» zu sehen.

Was das Kasperlitheater soll, mag zunächst nicht ganz klar sein. Soll das bewusst trashig gehaltene Promo-Video eine Parodie auf die vielen Zwischennutzungsprojekte darstellen? Handelt es sich um ein dadaistisches Kunstprojekt – oder meinen die beiden das Ganze todernst?

Genau um diese Art von Verwirrung geht es Tobias Holzer und Flavio Karrer, den zwei Köpfen hinter dem Projekt «Spiracles, LES»: «Wir wollten nicht einfach ein Konzept herunterleiern», meint Karrer. Das Video, das eigentlich mehr Fragen als Antworten liefert, soll ihrer Meinung nach eine Auseinandersetzung provozieren. «Die Idee dahinter ist, die Leute ein wenig zu irritieren, um so die Neugier zu wecken», ergänzt Holzer.

Kurzfilme, Jazz und Lesezirkel als Aktivitäten

So viel steht aber fest: «Spiracles, LES» wird an der Uferstrasse nicht etwa eine weitere Bar oder Buvette errichten. Der Platz soll als Plattform und Knotenpunkt für verschiedene Ideen dienen.

Dabei besteht noch kein fester Rahmen. «Das Konzept steht aber wir sind noch am Anfang», meint Flavio Karrer. So soll das Gefäss viele Inhalte zulassen, auch wenn einiges noch unklar ist. In Karrers Augen handelt es sich um einen Prozess mit unklarem Ausgang, der sich auch immer wieder an das Jetzt und Hier anpasst.

Der Verein Shift Mode hat den beiden dafür die Parzelle gleich neben der Bar Patschifig zur Verfügung gestellt. «Inhaltlich haben wir jedoch mit Shift Mode nichts zu tun», sagt Karrer. Mit dem Begriff «Zwischennutzung» können sich die beiden ohnehin nicht anfreunden. Formell läuft ihr Vorhaben unter diesem Titel, doch sie etikettieren sich selbst nicht damit, um nicht für ein Gähnen bei den Leuten zu sorgen. «Nicht schon wieder eine Zwischennutzung» – genau diese Reaktion möchte das Duo vermeiden.



Faxen und Fragezeichen als Versuchsballon für Zwischennutzungsideen: Tobias Holzer und Flavio Karrer machen mit einem Augenzwinkern auf ihr Projekt aufmerksam.

Faxen und Fragezeichen als Versuchsballon für Zwischennutzungsideen: Tobias Holzer und Flavio Karrer machen mit einem Augenzwinkern auf ihr Projekt aufmerksam. (Bild: Michel Schultheiss)

Noch ist ausser dem Wohnwagen, welcher ihnen ein Bekannter geliehen hat, nicht viel zu sehen. Auffällig sind erst die vom Designer Sebastian Marbacher entworfenen Baustellenbänke. Im Laufe der schönen Jahreszeit soll aber noch mehr hinzukommen.

Ein paar konkrete Pläne können sie bereits nennen: Eine Kurzfilmnacht, Jazzkonzerte sowie ein Flohmarkt sollen dank einem Netz von Bekannten bald realisiert werden können. Zudem besteht auch die Möglichkeit einer Carte blanche – ein Wunschabend, der gegen eine Spende selber gestaltet werden kann.

Geplant ist zudem eine Buchbesprechung. Um die Philosophie der Beschleunigung soll es bei einer Diskussion um den Essay «#Akzeleration» von Armen Avanessian gehen. Ferner will sich das Duo nicht nur auf die Uferstrasse beschränken: Am 30. Mai wird «Spiracles LES» in der Kaschemme einen Anlass mit Musik von DJ Fett Burger und Verpflegung organisieren.

Trashiges Video als Versuchsballon

Wie das Projekt selbst ist auch der Name vieldeutig. «Spiracle» bezeichnet ein Atemloch, wie es etwa bei Haien und Rochen vorkommt. «Ich hatte den Namen irgendwie schon im Kopf, bevor ich wusste, was er bedeutet», sagt Tobias Holzer. Das Wort, das wie eine Mischung aus «miracle» und «spiritual» klingt, habe einfach gut gepasst – ebenso der Zusatz «Les».

Wie der spielerische Namen andeuten soll, geht es auch beim neuen Gefäss im Klybeck also um Work in progress und gerade deshalb bleibt noch vieles bei wolkigen Begriffen. Schliesslich geht es in den Augen der Zwischennutzer auch nicht darum, ein fertiges Produkt zu verkaufen, sondern auf eine Idee aufmerksam zu machen. «Mit Wemakeit wollten wir erst mal testen, ob das Anklang findet», meint Tobias Holzer. Auch die angekündigte Homepage ist noch im Entstehen begriffen – dort sollen künftig Ideen für die Parzelle ausgetauscht werden können.

Die bevorstehende Kunstmesse Scope wird die Parzelle nicht tangieren. Offen bleibt, wie es aussehen wird, wenn der Holzpark von Shift Mode gebaut wird. Zunächst soll mal im Sommer die Parzelle bespielt werden, nachher will man weiterschauen. Rund 5000 Franken benötigen die beiden für ihr Vorhaben. Immerhin sind laut Angaben der Zwischennutzer via Wemakeit innerhalb von drei Tagen bereits 40 Prozent davon zusammengekommen.


Mehr Infos unter wemakeit.com/projects/spiracles-les

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