Das Sommercasino schlittert von Krise zu Krise

Das Sommercasino unterhielt über Jahre einen ruinösen Konzertbetrieb. Das soll sich ändern, doch nun drohen empfindliche Subventionskürzungen.

Das Sommercasino im Sonnenschein. Finanziell sieht die Lage hingegen düster aus.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Das Sommercasino unterhielt über Jahre einen ruinösen Konzertbetrieb. Das soll sich ändern, doch nun drohen empfindliche Subventionskürzungen.

Die Wände im Sommercasino (Soca) an der Münchensteinerstrasse sind pechschwarz gestrichen. Das hat Tradition und half uns in den 90er-Jahren, Exzess, Rock’n’Roll und Freiheit zu erahnen. Das Soca-Team hat in diesen dunklen Räumen zuletzt nur noch düsterere Stunden erlebt: rote Zahlen, kaum Besucher, unschöne Entlassungen. Doch kaum scheint diese Krise ausgestanden, steht schon die nächste an. Und wieder geht es um Geld.

Ihren Anfang fand die finanzielle Misere 2010. Die Jugendarbeit Basel (Juar) – damals noch unter dem Namen Basler Freizeitaktion – unterzog sich einer Neuorganisation. Die verschiedenen Projekte, darunter die Jugendtreffs in den Quartieren, Beratungsangebote und Tagesstrukturen, wurden einer neu geschaffenen Zentrale unterstellt. Dort kümmerten sich künftig zwei Geschäftsführer um die administrativen und übergeordneten Belange, während an den einzelnen Standorten weitgehend autonom konkrete Kinder- und Jugendarbeit geleistet wurde. Der langjährige Leiter des Soca, George Hennig, war einer dieser beiden neuen Geschäftsführer.

Das Sommercasino war zur unaufhaltsamen Konzertmaschine geworden.

Nach seinem Weggang im Soca hinterliess Hennig die Führung des Kulturlokals seinen vorherigen Angestellten. Er installierte ein vierköpfiges Führungsteam aus gleichberechtigten Abteilungsleitern. «Dieses kooperative Modell fand im Juar-Vorstand damals nur eine haarscharfe Mehrheit», sagt Vorstandspräsident Christian Platz. «Es war höchst umstritten.»

Diese Bedenken des Vorstandes waren im Nachhinein betrachtet wohl berechtigt, denn das Viererteam kam nicht zurecht. Es mangelte an unternehmerischem Denken und bereits ein Jahr später war das Budget in eine arge Schieflage geraten. Die Kosten für Events und Bandgagen liefen aus dem Ruder, gleichzeitig nahmen Einnahmen und Besuchszahlen stetig und dramatisch ab. 2009 fanden 21’695 Menschen den Weg an die Veranstaltungen im Soca, drei Jahre später waren es noch 16’621 Besucher. Das Soca war zur Konzertmaschine geworden, die in voller Fahrt kaum noch auf Entwicklungen in der immer schnelllebigeren Jugendkultur reagieren konnte.

«Wir zogen nicht am selben Strick», beschreibt Puccio Mavrici die damalige Situation. Er ist heute noch in der Leitung des Soca und dort für die Infrastruktur zuständig. Mavrici und der Wirt Silas Ries sind übriggeblieben von der einstigen Viererleitung. Es habe eine übergeordnete Leitung gefehlt, «jemand der das grosse Ganze im Blick hatte», sagt Mavrici. In diesem Führungsvakuum seien wichtige Entscheide hinausgezögert oder gar nicht erst gefällt worden. «Weil wir uns nicht einig wurden, hat jeder nur noch für seinen eigenen Bereich geschaut.»



Der harte Kern: Puccio Mavrici (links) und Silas Ries sind vom alten Soca-Team übriggeblieben. Nun wollen sie das Ruder herumreissen.

Der harte Kern: Puccio Mavrici (links) und Silas Ries sind vom alten Soca-Team übriggeblieben. Nun wollen sie das Ruder herumreissen. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Die Geschäftsführung und der Vorstand reagierten auf die finanziellen Probleme im Soca mit einer externen Betriebsanalyse. Ergebnis: Das Traditionshaus kämpft mit Imageproblemen und veranstaltet kommerzielle Konzerte, wo eigentlich die Jugendkultur gefördert werden sollte. Danach wird die Geschichte etwas konfus.

Auf die Betriebsanalyse folgte eine Supervision durch eine externe Spezialistin. Sie sollte dem Viererteam dabei helfen, eine neue, handlungsfähige Struktur aufzubauen. In mehreren Sitzungen habe man eine Lösung erarbeitet, erzählt Mavrici. Dann, als diese umgesetzt werden sollte, wurde die Supervision von Juar-Geschäftsführer Hennig abgebrochen. Ohne Angabe von Gründen. «Wir wissen bis heute nicht, warum dies geschehen ist», sagen Mavrici und Platz.

George Hennig erklärt es wie folgt: Kurz nach Beginn der Supervision habe die Geschäftsführung festgestellt, dass diese Team-Konstellation im Soca geklärt werden muss. «Diese Aufgabe wollten wir nicht an eine externe Beraterin delegieren.»

Super-Gau im 2013

Offenbar gab es also nicht nur im Soca-Führungsteam intern, sondern auch in der Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung Uneinigkeiten. Dass dadurch die Buchhaltung im Soca noch ärger in Schieflage geriet, liegt auf der Hand. Es kam zum «Super-Gau», wie Mavrici den Jahresabschluss 2012 bezeichnet. Der Vorstand zog Mitte 2013 die Notbremse: Drei Leute aus dem Soca-Team wurden entlassen, George Hennig in eine Auszeit geschickt, Konzerte abgesagt.

Aus Hennigs Auszeit wurde inzwischen eine Frühpensionierung, aus persönlichen Gründen. Auf die Zeit davor angesprochen, erzählt Hennig seine Sicht:

«Es wäre unfair, dem Viererteam im Soca die alleinige Verantwortung für das schiefe Budget zuzusprechen. Zwar wurden dort Fehler gemacht. Dazu kamen enorm schwierige Rahmenbedingungen. Ein Dinosaurier wie das Soca konnte nicht auf die sich immer schneller entwickelnde Jugendkultur reagieren. Auch das pädagogisch gefärbte Image des Hauses hat dazu beigetragen. Letzlich tragen wir alle die Verantwortung, die Geschäftsführung und die Soca-Leitung.»



Leerer Saal: So sah es zu oft aus bei den Konzerten im Soca.

Leerer Saal: So sah es zu oft aus bei den Konzerten im Soca. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Die wenigen Mitarbeiter, die im Soca noch übrig blieben, erarbeiteten zusammen mit Platz im ersten Halbjahr 2014 ein neues Betriebskonzept. Die Idee: Zurück zu den Wurzeln. Das Soca soll wieder zur ersten Adresse für lokale Jugendkultur werden. Dieses neue Konzept ruhe auf drei Säulen, erklärt Mavrici. Eine davon sind Veranstaltungen von und für Jugendliche. Ausserdem werden Räume an sogenannte Multiplikatoren vermietet. Mavrici versteht darunter Jungunternehmer, Musiker und Kreative, deren Arbeit im Soca auch inhaltlichen Niederschlag finden soll. Im Gegenzug sind die Mieten äusserst tief, den günstigsten Raum gibt es bereits ab 300 Franken monatlich. Und schliesslich soll das Soca auch zum Ausbildungsplatz werden: «Wir wollen künftig drei Praktikumsplätze in den Bereichen Kultur, Soziokultur und Kaufmännisches anbieten», sagt Mavrici.

Das «neue» Soca kommt günstiger als die Konzertmaschine, die es bis anhin war. Eigentlich erfreulich, wenn nicht genau deshalb die nächste Krise drohen würde. Denn bald stehen die Subventionsverhandlungen für die Jahre 2016 bis 2019 an. Und das Erziehungsdepartement (ED) – wo die Subventionen für die Juar und damit für das Sommercasino herkommen – hat angekündigt, die Unterstützungsgelder um genau den Betrag zu kürzen, den das Soca gemäss Neukonzept einsparen würde. «Damit ist das Soca ab 2016 existenziell bedroht», sagt Platz. Denn der grösste Kostenfaktor im Budget ist die Miete. Diese schlägt zusammen mit den Nebenkosten mit rund 300’000 Franken zu Buche. Wenn die Subventionen also wie angekündigt von 650’000 auf 400’000 Franken zusammengestrichen werden, bleiben den Soca-Betreibern noch gerade mal 100’000 Franken für die tatsächliche Jugendarbeit.



Die Miete der alten Villa kostet jährlich rund 213'000 Franken. Alleine dafür geht ein Drittel der Subventionen drauf.

Die Miete der alten Villa kostet jährlich rund 213’000 Franken. Alleine dafür geht ein Drittel der Subventionen drauf. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Hansjörg Lüking ist Bereichsleiter Jugend, Familie und Sport und als solcher für die Verteilung der Subventionen zuständig. Es erstaunt, dass Lükings Abteilung ihren Entscheid bereits gefällt hat, obwohl die Verhandlungen noch nicht einmal begonnen haben. «Wir haben unsere Absicht frühzeitig bekannt gemacht, weil die Neuausrichtung eines komplexen Betriebes viel Zeit benötigt», sagt Lüking. Die Kürzung stehe jedoch erst dann definitiv fest, wenn der Grosse Rat Ende 2015 darüber entschieden habe.

Noch ein weiterer Punkt stösst der Juar sauer auf. Die Verteilung der Subventionen erfolgt in Form eines Globalbudgets. Die Juar erhält also einen gewissen Betrag (2012 waren es 3,2 Millionen) und verteilt diesen selbständig auf die einzelnen Projekte. «Wenn das ED nun ankündigt, dem Soca 250’000 Franken zu streichen, greift es in unsere Verteilautonomie ein», sagt Platz. Die Juar will diese Reduktion nicht akzeptieren, und im Soca gibt man sich kämpferisch. «Wir bleiben optimistisch», sagt Mavrici. Schliesslich sei man krisenerprobt.

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