Das Gewerbe in Kleinhüningen leidet unter der Verlängerung der Tramlinie 8. Ein Besuch bei den Geschäften kurz vor der Grenze zeigt: Es fehlt die Laufkundschaft.
Bevor das Tram 8 die deutsch-schweizerische Grenze vor Weil am Rhein passiert, fährt es durch die Kleinhüningeranlage. Ein paar wenige Geschäfte haben sich in den Mehrfamilienhäusern niedergelassen: eine Apotheke, ein Lebensmittelgeschäft und ein Möbelhaus.
So kurz vor der Grenze? Das mag manchem riskant erscheinen. Denn mit wenigen Schritten – oder eben einer kurzen Tramfahrt – ist man dort, wo die günstigen Preise locken.
Mit der Verlängerung der Tramlinie 8 nach Weil vor über einem Monat stieg die ohnehin schon grosse Zahl von Schweizer Einkaufstouristen. Die Trams sind oft rappelvoll. So auch das Rheincenter, wohin es täglich Tausende von Kunden aus Basel zieht. Und der schwache Eurokurs gibt ihnen noch einen Grund mehr, in Deutschland einkaufen zu gehen.
Die BVB haben auf diesen Ansturm reagiert und am letzten Wochenende mehr Trams als gewöhnlich nach Weil geleitet. Ein Entscheid, der auch für Unverständnis sorgte. «Wenn die BVB das Weiler Gewerbe dauerhaft mit Sonderanstrengungen unterstützen, dann stellt sich die Frage, ob die deutsche Seite nicht auch mehr an die Betriebskosten der Linie 8 zahlen müsste», sagte der Basler Gewerbeverbandsdirektor Gabriel Barell gegenüber der «Basler Zeitung».
Beratung in der Schweiz, Kauf in Deutschland
Angela Holmann arbeitete am vergangenen Samstag. Sie ist Apothekerin in der Rheinapotheke an der Kleinhüningeranlage. Durch das Fenster habe sie die vollen Trams gesehen, sagt sie. Sie dagegen habe an diesem Tag besonders wenige Kunden gehabt: «Bei uns war fast nichts los, wir bekamen den tiefen Eurokurs sofort zu spüren.»
Die Rheinapotheke verkauft vor allem auf Rezept und selten im Direktverkauf. Apotheken, die beispielsweise mehr Pflegeprodukte anbieten, würden noch mehr unter der Abwanderung der Kunden nach Deutschland leiden, glaubt Holmann.
Die Kleinhüningeranlage ist die letzte Strasse vor der deutsch-schweizerischen Grenze. Wie überlebt hier eine Apotheke? Nur dank rezeptpflichtigen Medikamenten, sagt die Betreiberin. (Bild: J.Schraner)
Wenig Verständnis hat die Apothekerin für Kunden, die sich von ihr gratis beraten lassen und das Produkt dann in Deutschland oder im Internet kaufen. «Das gibt es zwar schon länger, aber es nimmt deutlich zu», sagt Holmann.
Mit der verlängerten Tramlinie hat die Kleinhüningeranlage eine gleichnamige Tramhaltestelle erhalten. Für die Rheinapotheke macht das aber keinen grossen Unterschied. «Die Haltestelle ist nicht direkt vor unserer Tür. Ob die Leute dort oder eine Station vorher aussteigen: Sie müssen so oder so noch gehen», sagt Holmann.
Der Kunde geht, das Geschäft geht mit
Einige Meter weiter Richtung deutsche Grenze kommen die letzten Geschäfte auf Schweizer Boden. Das Rheincenter liegt ganz nah, trotz dieser Nähe konnte das Geschäft von Francesco Balsanos aber bisher überleben. Er verkauft in seinem Laden Reinigungsmittel, Kaffeemaschinen und Kaffee. «Der Umsatz ist massiv zurückgegangen seit der Tram-8-Verlängerung. Die Schweizer Kunden wollen nur nach Deutschland», sagt Balsano.
Aus diesem Grund möchte er seinen Kunden vielleicht schon bald folgen. «Ich überlege mir, das Geschäft in Deutschland weiterzuführen.» Balsano wäre nicht der Erste, der sich für diesen Lösungsansatz entscheidet. Am aktuellen Standort fehlt ihm die Laufkundschaft, die jetzt bevorzugt mit dem Tram fährt.
Dass mehr Menschen das Tram nehmen, merkt man auch im indischen Imbiss und Lebensmittelgeschäft an derselben Strasse. Etwa zehn Prozent weniger Kundschaft habe er wegen der Tramverlängerung, sagt der Inhaber, der namentlich nicht genannt werden will. Er sieht in der jetzigen Situation aber nicht den Untergang: «Im Winter ist hier immer weniger los; im Sommer werden die Leute dann vermutlich wieder zu Fuss unterwegs sein.»
Für ihn ist das kleine Geschäft mit Lebensmitteln sowieso ein Auslaufmodell. «Mit den Grosshändlern kann man nicht mehr konkurrieren, und es bleibt kaum Gewinn», sagt er. In Zukunft setzt er vermehrt auf den Imbiss.
Der Kiosk an der ehemaligen Endstation Kleinhüningen verzeichnet starke Umsatzeinbussen. Grund: Es steigen weniger Fahrgäste an dieser Station aus. (Bild: J.Schraner)
Ein Kiosk geht vergessen
Nebenwirkungen durch die Verlängerung der Tramlinie zeigen sich auch für den Kiosk an der ehemaligen Endstation des Tram 8. Die Kiosk-Mitarbeiterin sagt: «Seit der Tramverlängerung am 15. Dezember bleibt die Kundschaft weg, das zeigt sich deutlich am Umsatz.»
Der Kioskbetrieb lebt von den Fahrgästen, von denen jedoch viele bereits an der Station vorher aussteigen. Nur jedes zweite Tram hält vor dem Kiosk – oft fast leer. Noch sei es verfrüht, ein Fazit zu ziehen, sagt die Kiosk-Mitarbeiterin: «Vielleicht pendelt es sich ja wieder ein, wenn sich alle an die neue Situation gewöhnt haben.»