SVP-Grossrat Oskar Herzig findet, klassische Theaterstücke sollten auch klassisch daherkommen. Diesen Wunsch hat er bei der Regierung hinterlegt. Das ist zwar härzig – aber realitätsfremd.
Er liegt nun schon ein paar Tage auf unserem Tisch, der «Anzug betreffend Aufführung von Klassischen Theaterstücken parallel in klassischer und moderner Form» von SVP-Grossrat Oskar Herzig. Irgendwie blieb er hängen (beziehungsweise auf der Tischplatte kleben) – ein Charakterzug, den Absurdes so an sich hat.
Was wir darin gelesen haben, hat uns auf Anhieb etwas erheitert. Besucher des Theaters Basel würden «Mühe bekunden» mit der Umsetzung von klassischen Theaterstücken und insbesondere Opern in die heutige Zeit, steht da zu lesen. Und: «Viele davon äussern den Wunsch, eine Oper wieder einmal in alter Form, d.h. in den Kostümen der Zeit der ursprünglichen Handlung zu sehen.» Die Regierung solle doch deshalb bitte das Gespräch mit der Theaterleitung suchen und prüfen, ob es nicht möglich wäre, neben den «modernen» Inszenierungen in derselben Spielzeit auch eine «klassische Form» desselben Stückes zu zeigen. Herzig erhofft sich dadurch sogar, dass Leute beide Vorstellungen besuchen und damit die Anzahl der Theaterbesuche gesteigert werden könne.
Quer durch die Jahrhunderte…
Nun, ein Blick auf den Spielplan des Theaters für die kommende Saison zeigt: Da gäbe es einiges, was sich für solches eignen würde. Gottfried Kellers «Das Fähnlein der sieben Aufrechten» etwa: Her mit der Schützenfest-Atmosphäre! Wobei: deren Kostüme sehen heute eh noch gleich aus wie im 19. Jahrhundert…
Puccinis Oper «Tosca» übersetzen wir gleich noch ins Deutsche – des besseren Verständnisses wegen. Und wir freuen uns auf Wagners «Lohengrin» im possierlichen Rittergewand, scheppernde Rüstung inklusive. Bei Frischs «Biedermann und die Brandstifter» hingegen wäre eine zweite Version wohl unnötig, denken wir. Anzug bleibt Anzug, Feuer bleibt Feuer.
…bis in die Gegenwart
Aber lassen wir die Polemik. Denn im Ernst: Ob eine Inszenierung «modern» oder «klassisch» daherkommt, hängt nicht nur von den Kostümen oder vom Bühnenbild ab. Welche Kleider die Schauspieler tragen, ist doch im Grunde irrelevant. Es ist die Art und Weise, wie das Stück als Ganzes auf die Bühne gebracht wird. Würde das Theater Herzigs Antrag folgen, dann müssten die Stücke von den Regisseuren doppelt erdacht und von den Schauspielern doppelt interpretiert werden. Nur schon aus organisatorischen und Kostengründen ist dies eine hirnrissige Vorstellung – wenn auch als einmalige Ausnahme vielleicht durchaus amüsant.
Und ganz abgesehen davon: Schauen wir uns die Theaterstücke nicht sowieso mit den Augen von heute an? Ist es nicht auch die Pflicht eines Theaterschaffenden, uns vor Augen zu führen, welche Relevanz ein altes Stück noch in der Gegenwart hat? Vieles, was Autoren vor Jahren und Jahrhunderten zu Papier brachten, lässt sich in die heutige Zeit übertragen und regt gerade deshalb zum Denken an. Eine zeitgenössische Inszenierung rüttelt uns doch da mehr auf, weil die Distanz zum Gezeigten geringer ist. Da geht es nicht um das reine Schauspiel-Sehvergnügen – sondern auch um Kunst. Und diese darf nicht nur der Zeit entsprechen, sondern sogar politisch sein.
Apropos Politik: Im Zuge der Diskussionen um die Subventionen fürs Theater Basel wird doch immer von dessen «Relevanz» gesprochen. Diese wird durch einen Rückzug in den Konservativismus wohl kaum erhöht. Da gibt es keine zwei Interpretationen.